Von all den Tagen, war heute der Tag, an dem Mia gerne im Bett liegen geblieben wäre. Sie hätte die Vorhänge zu gezogen, das Handy abgeschaltet und die Welt ausgesperrt. Es war der Tag von Jonghyuns Beerdigung.
Natürlich würde sie hingehen, doch Mia war kein Freund von Beerdigungen. Wenn irgendein Pfaffe einem was von dem Menschen erzählten, den man betrauerte und von dem er eigentlich gar nichts wusste. Sie mochte keine Beerdigungen. Wenn irgendein Paffe etwas von einer Wohnung im Himmel erzählte. Wer wusste schon wie die aussahen! Wenn alle Gestorbenen eine Wohnung im Himmel hätten, wäre dieser wahrscheinlich nicht mehr zu sehen und es müssten wohl ghetto-ähnliche Zustände herrschen, wenn man überlegte, wie viele Menschen schon gestorben waren.
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In der Vergangenheit war sie oft Beerdigungen fern geblieben und hatte ihren eigenen Weg gefunden, um sich von der Person zu verabschieden. Heute ging das natürlich nicht. Sie alle standen sich viel zu nah, der Großteil war viel zu christlich und sie war die letzte Person gewesen, die Zeit mit ihm verbracht hatte.
„Bereit?“, fragte Donghae, als er bemerkte, wie Mia grübelnd die Decke anstarrte.
„Nein“, antwortete sie ehrlich, rappelte sich dann aber auf.
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„Das kannst du nicht anziehen!“
Entsetzt schaute Donghae zu seiner Frau, die eine quietsch-grüne Hose an hatte, mit einem lila Oberteil.
„What? Jong loved colors. He wouldn’t want us to walk around all black.“
„Das macht man aber auf einer Beerdigung so!“
„Wer sagt das?“
„Alle. Schwarz ist die Farbe der Trauer.“
„In Indien ist Weiß die Farbe der Trauer.“
„Wir sind nicht in Indien und du trägst auch nicht weiß!“, so langsam verzweifelte er an ihr.
„Ich will damit nur zeigen das Trauerfarben relativ sind. Jonghyun hätte gewollte das wir sein Leben feiern und nicht seinen Tod betrauern.“
„Wer sagt das?“, äffte er sie nach.
„Jonghyun. Er hat zu mir gesagt wir sollen nicht so viel weinen, dafür viel lachen und dass ich mich um SHINee kümmern soll.“
Sie sagte das ganz locker, als wäre das total plausibel und für jeden nach zu vollziehen.
„Wann hat er das gesagt?“
„When we were in Neverland, in the city of the dragons.“
Donghae überlegte ob er sie oder lieber doch sich selbst in die Klapse einliefern sollte.
„Mia, ich rufe gleich deinen Arzt an und sage ihm, dass dein Kopf nicht mehr funktioniert.“
„Wieso?“
„Weil du wirres Zeug redest!“
„Hey! I had the close-to-death experience, get back at me when you’ve been there!“
Nicht das sie ihm wünschte so eine Erfahrung zu machen, doch sie fühlte sich leicht angegriffen.
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„Kibum, es tut mir wirklich leid dass ich störe, aber wir haben hier eine … schwierige Situation.“
Donghae hatte sich im Bad eingeschlossen und hatte Key angerufen, weil er sich einfach nicht mehr zu helfen wusste.
„Was hat Mia gemacht?“
Und so erzählte er es dem Jüngeren, der zwischen drin tatsächlich die Nerven fand zu lachen.
„Es ist vielleicht etwas unkonventionell, aber lass sie. Erstens hat sie nicht unrecht – wir haben alle bunte Krawatten an, mehr haben wir uns nicht getraut. Denke daran, sie ist keine Christin. Es ist schön, wenn sie Verständnis für unsere Traditionen hat, aber kein Muss. Wie viel weißt du über ihre Religion? Ich denke dass es Jonghyun freuen würde sie heute, so bunt, bei der Beerdigung zu sehen.“
Irgendwie nahm Key ihm ziemlich viel Wind aus den Segeln und seufzend ließ sich der Sänger auf dem Wannenrand nieder.
„Alle werden gucken …“
„Alle werden eh gucken. Sie war sie letzte, die mit ihm zusammen war, sie war bei dem Unfall dabei und hat es selbst gerade so überlebt. Ich weiß, dass wir Jonghyun länger kannten, doch Mia ist in einer Situation, die keiner von uns nachvollziehen kann. Was immer sie für richtig empfindet, unterstütze sie.“
„Danke, jetzt fühle ich mich schlecht.“
„Kopf hoch.“
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„Okay Leute, Planänderung.“
Mia und Donghae waren hoch ins Dorm gefahren, wo natürlich alle in Schwarz vor zu finden waren. Die Köpfe drehten sich zu dem Paar um und die Blicke blieben vor allem an Mia hängen.
„Was ist das denn?“, fragte Siwon entgeistert.
„Keine Diskussion, sie hat Keys Segen. Also, alle eine bunte Krawatte anziehen“, befahl Donghae. Zögernd warteten die anderen erst mal ab. Sie schaute zu Donghae, dann zu Mia und dann gingen die meisten zurück in ihre Zimmer, um sich andere Krawatten anzuziehen.
„Mia, das kannst du nicht machen.“
„Wieso?“, fragend schaute sie zu Siwon, der einen verzweifelten Blick zu Donghae war. Der wiederum hob ergebende die Arme.
„Vergesse es, ich habe es versucht und dann hat sich auch noch Kibum auf ihre Seite gestellt und dann habe ich eine gelbe Krawatte angezogen.“
Okay, ihn würde er nicht als Partner bekommen.
„Mia, das ist eine Beerdigung, da zieht man sich nicht so an.
„Alright, you listen up. You know I have respect for religions even though they sometimes do stupid stuff – and as a Christian you know how many stupid stuff Christians made and still make and don’t you dare deny it, if I’d start counting them out we’d be busy until tomorrow. At least I can understand why God is sometimes pissed at humans and actually the next big as killer-wave is due. So here’s the deal. MY friend is dead. I was with him and I almost got killed myself, plus I had a out-of-body experience. Jonghyun was fun, he was young and full of life. He loved laughing and making jokes. I want to honor him in his life, not in his death and I think he’d think im hilarious so don’t you dare talking me out of this Mister. When nobody cares what I think, I don’t care what anybody else think, savey?“
Etwas eingeschüchtert stand Siwon da, unentschlossen.
„Ist blau besser oder pink?“
„Pink.“
„Okay.“
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Natürlich schaute jeder, doch Mia war es egal. Sollten sie alle ihre schwarzen Kutten anziehen, sie nicht. Die Beerdigung fand in einer hellen Kirche statt. In der ersten Reihe saßen die Angehörigen, in der zweiten die engsten Freunde. Mia saß zwischen Leeteuk und Donghae in der dritten Reihe. Während der Pfarrer seine Rede auf sie hinab rasseln ließ, starrte Mia den Sarg an. Darin lag Jonghyun. Sie fragte sich wie er jetzt wohl aussah, wollte es aber auch zugleich nicht heraus finden. Das war nicht mehr Jonghyun, dass war eine geistlose Kohlen-Wasserstoff Hülle, die nichts mehr mit ihrem Freund zu tun hatte.
Onew sang ein Lied, Mia kannte es nicht, doch sie hatte Mitleid mit ihm. Onew war ein toller Sänger, doch seine Stimme brach ständig und Tränen kullerten über sein Gesicht. Wie konnte man ihn auch zwingen auf der Beerdigung seines Freundes und Bandkollegen zu singen? Vielleicht war es auch seine eigene Entscheidung gewesen, was Mia eher wie emotionaler Selbstmord vorkam.
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Jong, wenn du hier bist, gib ihnen Kraft. Sie sind so jung, so wie du auch zu jung warst. Doch deine Seele geht nicht verloren, bald wirst du wieder geboren und wirst Glück zu anderen Menschen bringen, du wirst geliebt werden und du wirst lieben und vielleicht wird dein zukünftiges Leben unkomplizierter sein. Seien wir ehrlich Idol sein ist schon anstrengend. Ich werde dich niemals vergessen mein Freund und ich werde mich um die anderen kümmern, dass verspreche ich dir…
„Mia!“, Donghae stupste sie mit dem Ellenbogen.
„Hm, was?“
Einige schauten zu ihr, doch sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nicht mitbekommen hatte, was geschehen war.
„Du sollst ein paar Worte sagen“, flüsterte er ihr zu, irritiert über ihre geistige Abwesenheit.
„Oh, ja, natürlich.“
Also stand sie auf und ging vor zu dem Pult. Obwohl sie Beerdigungen nicht leiden konnte, besaß sie dennoch genug Taktgefühl um keinen Blödsinn zu erzählen.
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„Jonghyun war … großartig. Er hat die Musik geliebt, er hat das Leben geliebt, seine Freunde, seine Familie und seine Fans. Er war voller Leben. Ich habe viele schöne Erinnerungen an ihn und werde ihn in der Zukunft vermissen. Ich würde gerne einen Vers aus einem deutschen Gedicht von Theodor Fontane zitieren. Es geht um eine Schiffsfahrt von Detroit nach Baffalo, das Schiff geriet in Brand, doch der Steuermann (und dieses Wort kannte sie überhaupt nur auf Koreanisch, weil sie One Piece guckte – von Wegen Fernsehen bildete nicht) brachte das Schiff an die Küste und niemand wurde verletzt, nur der Steuermann starb. In dem Vers geht es um die Trauerfeier, wie die ganze Stadt ihn als Helden feierte …
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug‘ im Zuge, das tränenleer.“
Erstaunlicherweise fingen alle an zu weinen, auch wenn sie kein Wort verstanden und auch Mia weinte. Donghae holte sie am Pult ab, stand ihr zur Seite und auf den Weg zu ihren Sitzplätzen, drückte Jonghyuns Mutter sie herzlich.
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Vor dem Friedhof lag ein Meer von Blumen, was sie etwas an den Tod von Prinzessin Diana erinnerte. Fans knieten auf dem Boden und beteten, niemand hatte versucht das Gelände zu betreten, zumindest soweit sie es mitbekommen hatten.
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Mias Mama hatte sich heute einen Guide geholt, mit dem sie bis zum Abend die Stadt erkunden würde. Nach der Beerdigung wollte sie ihrer Tochter wohl etwas Freizeit gönnen und die brauchte sie auch. Zuhause angekommen, fühlte sie sich geschlaucht und ließ sich auf die Couch fallen. Natürlich war er noch mal mit ihr im Krankenhaus gewesen, zur täglichen Untersuchung. Die Deutsche sah darin jetzt nicht so viel Sinn, ihr ging es gut, etwas kraftlos, aber wer konnte ihr das auch verübeln? Doch sie wusste, dass Donghae sich nur sorgte und Angst hatte und deswegen hatte sie sich nicht beschwert.
„Können wir ein Nickerchen machen?“, fragte sie müde und hatte sich eigentlich schon eingemurmelt.
„Aber klar“, erwiderte er auf Deutsch und legte sich zu ihr.
Und so verbrachten sie den Nachmittag auf der Couch.
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Gegen 19 Uhr kam ihre Mama, denn Mia wollte mit ihr zur Banpo fahren – mit dem Taxi natürlich. Sie kamen ein paar Minuten, bevor die Lichtspiele beginnen würden, an und suchten sich ein Plätzchen nahe am Fluss.
„Du weißt, du kannst auch nach Hause kommen?“
„Ja, ich weiß.“
Erwartungsvoll schaute ihre Mutter sie an.
„Mama! Ich will nicht nach Hause!“
„Ich dachte nur … damit du richtig gesund werden kannst.“
„Das kann ich auch hier. Mama, das ist jetzt mein Zuhause. Die Jungs sind meine Familie und ihre Mamas passen auf mich auf – vor allem Yesungs Mama.“
„Ja, ich sehe, du hast dich hier gut eingelebt, aber besuchen kommst du uns schon, ja?“
„Aber klar! Ich war erst vor vier Monaten Zuhause, mach dich locker, ich lebe halt auf der anderen Seite der Welt.“
„Ist ja gut, nur damit du nicht vergisst, dass du auch noch eine andere Familie hast …“
„Wie könnte ich? Du rufst jeden Tag an!“, bemerkte Mia lachend.
„Das stimmt. Ich werde am Donnerstag wieder nach Hause fliegen. Ich denke du bist bei Donghae gut aufgehoben und wir kommen dann, wenn es dir wieder besser geht.“
„Und dann fliegen wir nach Jeju!“, freute sich Mia.
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„Was ist das für ein Notfall-Treffen?“, fragte Leeteuk, als Mia ihn, Eunhyuk, Siwon, Sungmin, Yesung und Donghae auf dem Parkplatzes eines Parks am Stadtrand, mitten in der Nacht, in Empfang nahm.
„Das werdet ihr gleich sehen. Ihr seid die Letzten, die anderen warten schon.“
Die Jungs tauschten einen fragenden Blick aus und folgten Mia, die mit einer Taschenlampe bewaffnet war, durch den Wald.
„Schatz, ich dachte du magst Wald und Nacht und dunkel in der Kombination nicht. Was ist mit Vampiren?“
Donghae war verwirrt vom Verhalten seiner Frau.
„Eigentlich nicht, but I do this for a higher reason. If a vampire bites me tonight, I’ll bite back.“
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Es dauerte nur fünf Minuten, dann sahen sie ein Licht oder ein Feuer? Mitten in dem Wald war ein kleiner Hain, in welchem ein Feuer lichterloh brannte. Drum herum auf Baumstämmen saßen die Mädels von SNSD, BoA und f(x) und ebenfalls die restlichen Super Junior Mitglieder, M81, DBSK und SHINee. Die Truppe die gerade eingetroffen war, setzte sich um das Feuer zu den anderen.
„Tonight we’ll hold a wake, for Jonghyun. To say good bye and to remember him, how we would like him to be remembered. A wake is about sharing storys, to celebrate his life, to talk, eat and drink. That’s why I have gathered you here tonight, because we all have to say good bye, to smile again, even though we miss our friend.“
In der Tat hatte Mia an alles gedacht. Sie hatte Grillsachen, Marshmellows, ein paar Kästen Bier und Soju. Doch alle schwiegen und schauten sich unsicher an, bis Key sich räusperte.
„Ich weiß noch, als ich Jonghyun das erste Mal im Trainee-Center gesehen habe. Ich hatte damals noch ein starkes Konkurrenz-Denken und er sprang auf mich zu, grinsend und sagte ‚Hi, ich bin Jonghyun! Wir werden in einer Band sein! Wir sind jetzt Freunde!‘ und ich dachte mir nur ‚Was will der denn jetzt?’“
Key lachte fröhlich, bei der Erinnerung.
„Ja, er ist immer gleich mit der Tür ins Haus gefallen“, meinte Taeyeon.
„Anfangs saß er total oft in unserem Training und lobte uns danach immer – ich dachte immer er würde uns nur angraben wollen.“
Die anderen SNSD Mitglieder kicherten.
„Na ja, Yoona hat er schon etwas angemacht“, meinte Jessica und Yoona machte ein entsetzte Gesicht.
„Wir haben nie etwas unmoralisches getan!“, verteidigte sie sich.
Bald hatte jeder eine Geschichte zu erzählen und anstatt zu weinen, lachten sie alle fröhlich miteinander, wie eine Familie.
„Ich weiß noch, als er Mia das erste Mal sah und meinte ‚Hyung, schau mal! Sie ist aber hübsch!‘ und ich sagte ihm, dass Donghae-Hyung bereits ein Auge auf sie geworfen hat und er ließ gefrustet die Schultern sinken und sagte ‚So ein Mist! Donghae-Hyung ist viel besser als ich!’“, erzählte Onew und alle ‚ooohten‘.
„Mia, was ist nun eigentlich wirklich auf dem Riesenrad in Singapur passiert?“, wollte Minho wissen und Mia zog eine ernste Miene auf.
„Also, Jonghyun hatte mir ja versprochen mit mir in dem Riesenrad zu fahren, doch er hatte mir nicht gesagt, dass er Angst vor Höhen hatte.“
„Das hätte sogar ich dir sagen können!“, kam es von Yunho.
„Jedenfalls gab es wohl einen technischen Defekt und das Riesenrad blieb stehen. Jonghyun brach sofort in Schweiß aus und bekam Panik und da tat ich das, wovon ich dachte, dass es ihn am besten ablenken würde…“
„Und hast ihn geküsst“, schlussfolgerte Key.
„Und hab ihn geküsst“, bestätigte Mia und das Gegröle war groß.
„Und wir haben ihm nicht geglaubt!“, stellte Minho fest.
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Viele tolle Geschichten kamen zusammen, vieles wusste Mia selbst nicht und sie alle lachten herzlich.
„Irgendwie bin ich traurig, weil es so viel gibt, was ich ihm noch gerne gesagt hätte, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte“, meinte Taemin und war den Tränen nahe.
Ja, wenn man sich nur immer aussuchen könnte, wann jemand das Zeitliche segnet.
„Ich denke dass Jonghyun weiß, wie sehr wir ihn gern haben und dass wir ihn vermissen, ich denke auch, dass er von euch wollen würde, dass ihr den Kopf nicht all zu sehr hängen lasst und irgendwann auch wieder versucht nach vorne zu blicken.“