„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
Gedankenverloren hatte Mia an der Bar im Gilt gesessen und in ihrem Cocktail gerührt. Nun schaute sie auf, der Mann war offensichtlich Koreaner.
„Aber ja.“
Sie rückte ein Stück zur Seite und der Mann nahm Platz.
„Sind Sie von hier? Ich habe Sie vorhin mit Ihren Freunden Koreanisch sprechen hören.“
„Wir sind hier geschäftlich, ich komme aus Seoul.“
Das hörte sich auch komisch an. Woher kam sie? Deutschland, ja, irgendwie. Doch sie lebte in Seoul, war mit einem Koreaner verheiratet und hatte ganz viele koreanische Geschwister bekommen.
„Aus Seoul? Eine sehr schöne Stadt. Gefällt Ihnen New York besser?“
Und dann begannen sie zu Plaudern. Nicht über SME oder Super Junior, einfach mal so. Vielleicht war es auch der Alkohol, der ihre Zunge gelockert hatte. Er war attraktiv und Mia fühlte sich zu dem Mann hingezogen.
.
.
„Ich will schlafen, ich bin müde…ich sage jetzt Mia das wir ins Hotel wollen“, jammerte Eunhyuk und beobachtete die beiden an der Bar.
„Lass sie in Ruhe, sie machen gerade ein Rollenspiel.“
Amüsiert beobachtete Leeteuk das Paar, das an der futuristischen Bar des Gilt saß und so tat, als würden sie sich nicht kennen. Leeteuk war der Meinung dass selbst ein Blinder mit Krückstock sehen würde, dass die beiden zusammen gehörten, doch er wollte ihnen den Spaß nicht verderben.
.
.
„Was würden Sie davon halten, wenn wir auf meinem Zimmer noch ein Glas Champagner zu uns nehmen würden?“
„Auf ihrem Zimmer?“, fragte Mia neckisch.
„Ja, es liegt im 53. Stock und bietet eine wunderschöne Aussicht auf Manhattan.“
Er bluffte. Dachte sie zumindest. Donghae zahlte die Barrechnung und führte sie dann zum Fahrstuhl. Mia liebte das Palace und sie schaute sich genau um, es gab hier so viel zu entdecken. Er drückte tatsächlich auf den 53. Stock und als sie dort ankamen zückte er eine Zimmerkarte. Ihre Augen wurden groß.
„Was soll das? Woher hast du die? And don‘t say ,Natural charm‘!“
Donghaes Mund hatte sich schon geöffnet und schloss sich dann wieder, bei der Einschränkung ihrer Frage. Ein Promi zu sein hatte eben auch Vorteile.
„Unten an der Rezeption bekommen“, erwiderte er grinsend und gab ihr einen Kuss.
.
.
Sie bekam einen Quietsch-Hysterischen-Anfall. Sie war in New York. Sie war im Palace. Sie hatten tatsächlich eine Suite und der Ausblick war atemberaubend. Unter ihnen, tief unter ihnen, lag die St. Patricks Kathedrale und vor ihnen lag Manhattan. Sie waren mitten drin, zwischen Himmel und Erde. Mia presste sich an die Scheibe und machte sich keine Gedanken um die Fingerdatscher die sie hinterließ – so viel wie das Zimmer kostete, sollte das Hauskeeping auch etwas zu tun haben. Die ganze Suite war ein Traum, auch wenn es schwer war, sich von der Aussicht wegzureißen. Alles war voller Lichter, die Hochhäuser, die Straßen. Die Suite war edel, hochwertig, fein. Es stand tatsächlich Champagner bereit und ein Tablett mit frischen Früchten und Nachtisch. Alles war vergessen, für diesen Moment. Der Stress, ihre Flucht nach Amerika, die Wiedervereinigung, der Unfall, der Tod von Jonghyun, alles war wie weggeblasen, als würde sie schweben, irgendwo zwischen Himmel und Erde, dort wo niemand an sie ran kommen würde.
„This is just beautiful…“, murmelte sie ehrfürchtig.
„Yes it is.“
Sie saßen am Fenster und schauten sich New York von oben an.
Alles was sie brauchten war da, Bademäntel, Pyjama, es lag sogar Unterwäsche für Mia von Victoria’s Secret bereit.
„Woher kommt das?“
„Ich habe jemanden los geschickt um für dich einkaufen zu gehen. Ich weiß doch wie du bist, wenn du deine Sachen nicht da hast.“
„Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du der beste Ehemann auf der Welt bist?“
.
.
In dieser Nacht schliefen sie nicht viel. Zum einen war es bei dem Ausblick schwierig und wenn sie sich dann doch mal vom Fenster wegreißen konnten, dann fielen sie übereinander her. Okay … manchmal konnten sie sich nicht vom Fenster wegreißen und fielen hintereinander her – wer sollte hier oben schon zugucken?
Gegen 5 Uhr schlief Mia ein, völlig erschöpft, aber sehr zufrieden. Um 8 Uhr klingelte der Wecker. Sie mussten um 11 Uhr auschecken und Mia wollte jede Minute hier auskosten. Sie bestellte Frühstück und ließ Donghae noch etwas schlafen. Ihr Körper tat weh und erinnerte sie an das süße Vergnügen der Nacht. Sie könnte das den ganzen Tag tun, ihn so nah bei sich haben, ihn riechen, ihn schmecken. Sie war erschöpft, doch das war egal und den Preis wert.
.
.
„Ich finde das unfair, Donghae bucht eine Suite für 700$ und wir dürfen nicht rein“, beschwerte sich Eunhyuk am Morgen.
„Na ja, so machen Paare das. Sie räumen sich private Zeit ein, solltest du auch mal probieren … eine Freundin“, bemerkte Kim und Kyuhyun fing an zu lachen.
„Bin ich froh, dass Heechul nicht auch noch da ist.“
.
.
Donghae stand gerade unter der Deluxe-Dusche der Suite und wollte gar nicht mehr raus, doch dann hörte er seine Frau lachen. Laut, hysterisch – heechulmäßig. Erschrocken sprang er aus der Dusche. Mia lachte noch immer.
„Was ist passiert?“
„Karma!“
„Karma?“ Wieso war es oft so, dass wenn er sie etwas fragte, er nachher irritierter war als zuvor?
„Hodong, ich musste nichts tun, Karma hat es gemacht.“
„Wieso? Was ist passiert?“, jetzt setzte er sich zu ihr, neugierig wie er war.
„Ihm wird Steuerhinterziehung vorgeworfen.“
Steuerhinterziehung war in jedem Land schlimm, denn kein Land wollte um seine Steuern betrogen werden. Dazu kam, dass in Korea das natürlich ein Gesichtsverlust war, die ihm seine Karriere kosten könnten. Mia wusste das Leeteuk und die anderen zu Hodong aufschauten. Er war ein hervorragender Moderator und hatte als Boxer damals angefangen, aber er hatte seine Grenzen mehr als einmal bei Mia ausgereizt und das mochte sie gar nicht.
„Wirklich?! Wow!“
Donghae schnappte sich ihr Iphone mit den Daum-Nachrichten.
„Krass…“
.
.
„Krass…“, murmelte Leeteuk ebenfalls, als er sein Internet aktualisierte.
„Was?“
„Hodong wird Steuerhinterziehung vorgeworfen.“
„Was?!“
Das kam für alle wie ein Schock, doch zugegeben, auch Leeteuk dachte an Mia in diesen Moment und was sie über Karma gesagt hatte. Er würde in Zukunft vorsichtiger sein.
.
.
„Ich will nicht“, jammerte Mia, als es Zeit war auszuchecken. Sie liebte dieses Zimmer, dieses Gefühl von allem so weit weg zu sein und nun war es vorbei.
„Wir kommen wieder“, versprach ihr Donghae und zumindest war es ein Versprechen. Mia würde es nicht vergessen.
.
.
Sie fuhren direkt zur Halle für die Proben. Es war nicht immer jeder dran, aber es war gut für das Gemeinschaftsgefühl, wenn sie alle zusammen waren. SNSD hatten gerade ihre Proben und der Rest saß im Publikum verteilt und tat auf Groupie. Sie hatten Luftballons aufgeblasen und auf die Schnelle Schilder gebastelt. Als Taeyeon auf die Bühne kam, fing sie an zu lachen. Sie waren albern, doch eigentlich versuchte jeder sich davon abzulenken traurig zu sein. Mia sah vor ihrem inneren Auge Jonghyun über die Bühne jumpen. Er hätte so viel Spaß hier gehabt. Alle dachten sie das, es sprach nur niemand aus. Morgen Abend würden sie alle genug weinen.
Victoria stand neben ihr und jubelte Tiffany zu. Für einen Moment beobachtete die Deutsche das Treiben, sah, wie sich alle gegenseitig unterstützten. Sie waren wirklich eine Familie. Hinter der Bühne blödelte Eunhyuk mit Amber rum und Henry saß mit Junsu in der Ecke und spielte Gitarre. Sie drehte ihre Runden, um zu gucke ob alle da waren – vor allem Ryeowook. Noch mal würde sie ihn nicht in New York verlieren.
.
.
Nach den Proben fuhren die in den Central Park, um Aufnahmen für I AM zu machen. Es sollte ein happy Gathering sein, doch hier in diesem riesigen Park, war Wookie ein Sicherheitsrisiko. Was hatte Mia also getan? In einem Supermarkt hatte sie so eine Kinderleine geholt, damit Kinder nicht weg laufen konnten. So ein Ding hatte Ryeowook jetzt an seiner Hose hängen und das andere Ende war bei Mia.
„Mia … Noona … denkst du das ist nötig?“, jammerte der Sänger. Er versuchte nicht die Leine los zu machen, aus Angst, wie Mia reagieren würde, doch passen, tat es ihm nicht.
„Ja.“ Die Antwort war simple. Ja, es war nötig. Ryeowook schmollte weiter, da klingelte Mias Handy. Verwundert schaute sie auf das Display und ging ran.
„Junho-Shi?“
„Hallooooo Mia!“
Sie hielt den Hörer etwas weg bei dem Gequietsche.
„Was gibt‘s?“
„Siehst du den Van hinter dir an der Ecke?“
Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte sie sich langsam um, es war, als wenn man mit Jaejoong telefonierte. Hinter ihr an der Straße stand tatsächlich ein Van.
„Ja.“
„Komm zu dem Van und steig ein.“
Dann legte er auf.
„Hm….“
Die Assistentin fing an los zu laufen, vergaß dabei aber dann, dass sie ja Ryeowook an sich hängen hatte, wodurch er fast auf die Nase fiel. Nun war es an Wookie zu meckern und an Mia sich zu entschuldigen. Die anderen standen nur daneben und beobachteten die beiden in Ruhe.
Von Wookie befreit ging Mia zu dem Van und stieg ein. Ein grinsender Junho strahlte ihr entgegen und die anderen waren auch mit dabei. Zuerst wollte sie fragen, was sie in New York machten, doch dann fiel, ihr ein, dass heute ja ein ,Korean Festival‘ in New York war, bei dem neben 2PM auch Beast und andere Gruppen auftraten. Sie hatte das ganz vergessen.
„Ist New York nicht toll?! New York ist so toll! Ward ihr schon auf der Freiheitsstatue? Ich habe 20 kleine gekauft!“
Junho zeigte sich in seinem aufgewecktem, fröhlichen Ich und brachte nicht nur die Deutsche zu Grinsen.
„Habt ihr wenigstens ein wenig Spaß hier?“, erkundigte sich Wooyoungm der nicht vergessen hatte, dass sie immer noch unter dem Unfall und dem Verlust von Jonhhyun litt.
„Ja, alle geben sich viel Mühe normal zu sein.“
„Ich finde das SM Town hätte abgesagt werden sollen. Wie kann man von euch erwarten, dass ihr fröhlich auftretet, wenn ihr alle noch in Trauer seid?“, kam es von Taecyeon.
„Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh Arbeit zu haben. Es lenkt mich ab. Wir müssen wieder normal leben.“
Manche nickten zustimmend.
„Und seid ihr aufgeregt wegen heute Abend?“
„Ja, total. Es ist verrückt – wir sind in New York und wir haben hier Fans!“, Chansung schien wirklich fasziniert. Sie alle hatten noch nicht begriffen, wie Kpop die Welt eroberte.
.
.
Die Deutsche hatte nicht lange Zeit gehabt. Im Central Park wurden einige Aufnahmen gemacht und es dauerte schon eine Weile. Dazu kam, dass sich die Jungs auch mal umsehen wollten – wenn man schon mal im Central Park war, dann wollte man das auch ausnutzen.
Sie spielten also Ball oder sangen zusammen für die Aufnahmen. Mia war stinklangweilig. Es gab nichts für sie zu tun, als ab und zu aus dem Bus Getränke zu holen, ansonsten beschäftigten sich ihre Welpen eigentlich ganz gut alleine und es waren genau solche Aufnahmen, die sie für I AM wollten. Es sollte natürlich und ungezwungen wirken. Mia saß gegen einen Baum gelehnt und war irgendwann eingeschlafen.
„Was hast du heute Nacht mit ihr gemacht?!“, fragte Ryeowook Donghae entsetzt, als er seine Assistentin schlafend fand, bemerkte aber dann erst, zu welchen Antworten diese Frage führen könnte.
„Nein, nein, dass will ich nicht wissen!“, revidierte er schnell und Hae zuckte mit den Schultern.
.
.
Später am Abend teilten sie sich in kleine Gruppen auf und erkundeten die Stadt. Leeteuk, seine Mama, Donghae und seine Mama und Mia bildeten eine Gruppe. Zuerst suchten sie sich etwas zu essen. Mia führte sie in Pizzeria. New York war bekannt für das gute italienische Essen und das Restaurant lag mitten in Soho, einem tollen Szeneviertel, in dem es sich gut shoppen ließ.
„Schaut mal da draußen“, meinte Leeteuk und deutete zum Fenster.
„Was ist dort?“, fragte seine Mama.
„Niemand! Ist das nicht toll? Wir sitzen seit über einer Stunde hier und niemand ist uns gefolgt!“
Faszination.de
In Korea hatten sie diese Ruhe meistens nicht, vor allem nicht, wenn sie ganz normal in einem Lokal saßen, doch selbst, wenn sie ein Separee hatten, standen manchmal Fans unten vor dem Eingang. Hier in New York waren zwar auch Kpop-Fans, doch bei weitem nicht so viele und bei weitem nicht so anhängliche. Zumal sie heute durch das koreanische Festival auch gut abgelenkt waren.
Je mehr Mia Donghaes Mama kennen gelernte, um so mehr verlor sie die Angst vor ihr. Sie gingen gemütlich in SoHo einkaufen und Donghaes Mama beriet Mia gut was Klamotten betraf. Sie kauften zusammen Souvenirs für Freunde und Familie und am Ende, war Donghae vollgeladen mit Tüten, während seine Frau und seine Mama mit einem Starbucksbecher, fröhlich plaudernd vor ihm her liefen.
„Irgendwie läuft das viel zu gut“, flüsterte Donghae zu Leeteuk, der daraufhin grinste.
„Na ja, lieber so als anders.“
„Ja, du hast gut reden!“ Und nun mischte sich Leeteuks Mama ein.
„Anstatt das du mir mal eine Schwiegertochter ins Haus bringst! Ich werde auch nicht jünger und DU auch nicht! Denkst du ich möchte meine Enkelkinder halten erst wenn ich Gischt in den Fingern habe?“
Nun war es an Donghae zu grinsen.
.
.
„Mama, hier riech mal!“
Die Deutsche hatte es tatsächlich fertig gebracht alle in einen Victorias‘s Secret zu schleppen und nun standen da Leeteuk und Donghae und durften ihren Müttern dabei zugucken, wie sie Unterwäsche aussuchten. Das stellt wohl so ziemlich den Horror jeden Sohns dar. Sie wollten sich ihre Moms nicht in Unterwäsche vorstellen und schon gar nicht in sexy Unterwäsche.
„Jetzt hört schon auf so zu gucken! Wir sind noch nicht tot und wollen auch hübsch aussehen“, pflaumte Donghaes Mama die beiden Kerle an, die mit hochrotem Kopf so weit weg wie möglich von ihnen standen.
„Lalalalala…“, machte Donghae und hielt sich die Ohren zu.
„Das ist alles deine Schuld!“, wand sich Leeteuk an Donghae.
„Meine Schuld?!“
„Ja, du musstest ja heiraten!“
Mia war es egal, es machte Spaß mit dem Moms einkaufen zu gehen und sie nutzte die Gelegenheit auch selbst aus, um für sich einkaufen gehen.
„How do you like it?“
Die Deutsche hielt Donghae ein Korsage vor die Nase.
„Bitte sag nicht dass es für meine Mama sein soll…“
„Nein! Für mich … also irgendwie auch für dich … es sei denn du willst nicht …“
Sie war gerade dabei es zurück zu hängen, da schritt Donghae ein.
„Nein, nein, nein, ich würde mich sehr darüber freuen … also für dich natürlich … mir würde es nicht stehen…“
„Beruhigend …“, murmelte Mia.