Der Flug war knapp 10 Stunden lang und doch landeten sie schon um 05:25 Ortszeit. So hatten sie den ganzen Tag noch vor sich und waren sogar halbwegs ausgeschlafen. Für Mia war es ein Deja-vue Erlebnis. Das letzte Mal war sie vor einem halben Jahr hier gewesen und da ihre Eltern hier nicht mehr lebten, hatte sie nicht damit gerechnet so schnell wieder hier zu sein.
„Wohin gehen wir als erstes?“ Donghae grinste vor sich hin. Ein Flughafen und nicht ein Fan stand bereit. Erfrischend.
„Alles geplant.“
Und wie alles geplant war! Zuerst hieß es Wagen holen. Sie hatte einen BMW X1 reserviert, denn sie hatten ja schon etwas Strecke zu fahren und über Land & Stein, da wollte sie lieber ein bulliges Auto haben.
„Also, wir fahren zuerst ins Hotel, dann gehen wir frühstücken, dann gehen wir in diesem einen Laden einkaufen und dann haben wir Freizeit.“
„Oh-kay.“
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Sie hatte ein Zimmer im Radisson Blu in Bockenheim reserviert. Es stand in dem ’neuen Bockenheim‘, das Remake mit diesen neuen Wohnblocks. Das Hotel sah aus wie eine Münze, die auf der Kante stand. Es wäre ziemlich cool, wenn sich das Gebäude drehen würde, aber das tat es natürlich nicht. Dennoch war es schön. Mia mochte die Radisson Blu Häuser, das an der Hamburger Messe gehörte zu den schönsten Hotels, in denen sie jemals geschlafen hatte.
Sie hatten eine Suite mit großem Panoramafenster und Blick auf die Innenstadt. Frankfurt war im Vergleich zu Seoul ein Kuhkaff, doch der gewohnte Anblick der Skyline brachte sie zum Lächeln. Donghae schlich sich nach der Duschen von hinten an die heran und umschloss sie mit seinen Armen. Er war noch nackt und küsste sanft ihren Hals. Eigentlich wäre das eine sehr verlockende Situation, doch Mia hatte Pläne.
„Keine Zeit, zieh dich an.“
Und sie ließ ihn tatsächlich stehen. Ungläubig schaute er ihr nach, so viel Willensstärke hatte er ihr nicht zugetraut.
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Gefrühstückt wurde im La Maison du Pain, eine Bäckerei im Öderweg. Der Laden war nicht groß, doch dafür sündhaft teuer und in Mias Augen lohnte sich jeder Cent. Die Croissants die es dort gab, waren einfach hervorragend, dann hatten sie diese 1-Portion Minitorten, die total lecker waren und sie hatten Walnussbrötchen, die Mia vergötterte. Donghae war selbst überrascht gewesen seine Frau frühstücken zu sehen, denn zu Hause bekam sie morgens meistens nur etwas Müsli und einen Toast herunter, wenn überhaupt. Er fragte sich also ob Mias Frühstücksverhalten wirklich nicht ihr Fehler war, sonder der der Lebensmittel.
„Hier hast du also gefrühstückt?“
„Manchmal. Meistens habe ich mir nur etwas für die Arbeit mitgenommen. Sie haben einen kleinen Garten, ich habe es geliebt im Sommer draußen zu sitzen und zu frühstücken“, erinnerte sie sich. Gerne hätte sie Brot mitgenommen, doch sie würden erst in vier Tagen nach Hause fliegen und bis dahin wäre das Brot auch nichts mehr.
„Übrigens, wir treffen uns heute Abend mit Lise, wenn das okay ist.“
„Na klar. Was ist mit Lily?“
„Nein.“
Diese Antwort genügte ihm nicht und so bohrte er weiter.
„Ganz ehrlich? Ich hatte nichts mit der Sache mit Leeteuk zu tun. Wir kennen uns viel länger. Wenn sie noch nicht einmal mit mir Kontakt haben kann, weil sie das zu sehr an Leeteuk erinnert, dann waren wir vielleicht einfach keine guten Freunde. Lily ist sehr … sensibel. Ich war immer vorsichtig bei ihr, was ich sage und tue, weil du nie wusstest, ob sie es nicht falsch versteht. Manchmal sagte sie Dinge wie ‚Aber was du da vor drei Wochen gemacht hast, hat mich echt verletzt‘ und du weißt noch nicht mal mehr was vor drei Wochen war und es waren dann so Dinge wie, dass ich sie mal nicht umarmen wollte, weil ich einfach nicht so bin, nicht weil ich sauer auf sie war, aber sie hat das dann gedacht. Natürlich hatte ich sie irgendwie gerne, aber es war immer kompliziert mit ihr. Wenn ich spontan vorbei kommen wollte, dann sagte sie, sie sei nicht gestylt und ich sagte ihr das ich eine Jogginhose an habe, weil ich einfach nur chillen will, aber das ging mit ihr nicht. Alles war immer so geplant. Sie ist so jung, benimmt sich aber eher wie eine alte Frau. Sie ist aber auch Mitte 20 und hatte noch nie einen richtigen Freund. Was andere Mädchen mit 16 oder 17 erleben, hatte sie nie. Ich vermisse sie nicht, ich denke mein Leben ist unkomplizierter ohne sie.“
Donghae sagte nichts weiter, er kannte die beiden nur von dieser kurzen Zeit zusammen, aber Mia ging ausgelassener mit Lise um, das war ihm auch aufgefallen.
Nach diesem hervorragenden Frühstück waren sie bereit für Kontrast. Kontrast war ein Laden auf der Hanauer Landstraße und eigentlich konnte man dort sein ganzes Haus einrichten. Sie hatten Möbel, aber auch Dekosachen und Accessoires rund ums Wohnen. Lampen, Kerzen, Brunnen, Bilderrahmen, Decken, Kissen, Bilder und Achtung: Weihnachtsdeko.
Kontrast bestand aus zwei Gebäuden, eines mit fast ausschließlich Möbeln und gegenüber auf 5 Etagen mit Innenausstattung.
„Guten Morgen Frau Martin, ich hoffe Sie hatten einen guten Flug?“
Mia hatte Kontrast so irre gemacht, dass man ihr einen persönlichen Einkäufer zur Verfügung stellte, der alles notierte und sich dann auch um den Versand kümmern würde.
„Wie bekommst du das immer hin?“ Donghae war fasziniert davon, dass sie plötzlich einen Assistenten hatten.
„Ich bin gut“, war die Universalantwort und sie grinste.
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Zuerst arbeiteten sie sich durch das Erdgeschoss, was für Mia die interessanteste Etage war. Hier gab es Kerzen, die aussahen wie Kerzen, aber keine waren, weil sie mit LED Lichtern beleuchtet wurden. Kontrast war in der Preisklasse von-bis, doch ‚bis‘ war eher vertreten als ‚von‘ und so eine dusselige LED Kerze kostete schon an die 60 Euro.
Mia stellte Donghae in der Weihnachtsabteilung ab, wo er erst mal beschäftigt war.
„Okay, ich muss drei Weihnachtsbäume schmücken und er darf davon nichts mitbekommen, weil es eine Überraschung ist. Ich werde also ganz heimlich auf Dinge deuten. Er versteht ein wenig Deutsch und ich befürchte, dass er mehr versteht, als er zugibt, also dürfen wir nicht darüber sprechen“, erklärte sie Hendrik, ihrem Einkäufer.
„Sie sind frisch verliebt, ist es Ihr erstes Weihnachten gemeinsam?“
„Ja, das ist es und er liebt Weihnachten. Ich möchte das es besonders wird.“
Hendrik und Mia schlichen durch die Weihnachtsabteilung, Donghae beschäftigte sie mit einer Schneekugel, deren Schnee die Farben wechselte. Sie hatte keine Ahnung wie das funktionierte, Donghae aber auch nicht und so war er ziemlich fasziniert von dem Ding.
Der Laden war toll, es waren nicht diese 0815 Sachen, die man überall fand, hier gab es richtige Schmuckstücke. Wie zum Beispiel ein Buddha-Brunnen.
„Was denkst du?“
„Über Buddha oder über den Brunnen?“
Mia stupste ihn mit dem Ellenbogen an.
„Ich dachte für den Wintergarten, wir könnten ihn ins Wasser stellen und vielleicht etwas Bambus pflanzen.“
„Wenn du magst, hört sich gut an.“
„Ja und er ist im Sale.“
„Stimmt … 400 Euro anstatt 1200 Euro, das ist ein Schnäppchen.“
Mia grinste und schupste ihn. Er hatte gesagt, sie solle das Haus einrichten. Punkt.
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Drei Stunden später saßen Mia und Donghae vor einer Tasse Tee und einem Stück Kuchen im Kontrast. Die hatten nämlich vorgesorgt und hatten ein Café in dem riesigen Laden eröffnet.
„Da soll einer sagen einkaufen wären keine Arbeit“, meinte Mia und massierte sich die Schläfen.
„Ich weiß was du meinst…“
Doch dafür hatten sie wirklich tolle Sachen gefunden. Sie hatten sich eine Decke und Kissen für die Couch geholt, die so weich waren, dass sie nur noch nackt darauf liegen wollten. Teppiche, Tischläufer, Vorhänge, Lampen, Bettwäsche, Bilderrahmen, zwei Schreibtische für sie und allen möglichen Kram, das Mia ihn gar nicht mal aufzählen konnte. Sie hatte eine Vision von ihrem Zuhause und diese Vision wurde gerade verpackt. Ihr Zuhause würde so cool werden, sie konnte es gar nicht abwarten, bis alles ankam und sie das Haus fertig einrichten konnte.
„Cupcake?“
„Hm?
„I love you.“
„I love you too.“
Donghae hatte nicht viel machen müssen, Mia schien alles unter Kontrolle zu haben und sie hatte von diesen Dingen viel mehr Ahnung als er. Mias Bruder arbeitete für das Versandunternehmen der Fraport und über dieses würden sie die Sachen nach Seoul verschicken. Das Angebot war gut gewesen, Mia hatte ihm nur nicht genau sagen können, wie viele Kilos es werden – wer hätte das auch schon vorher wissen können?
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Es war knapp 14 Uhr, als sie aus dem Laden raus fielen und sich darauf geeinigt hatten ein Nickerchen zu machen. Doch zuvor mussten sie Mittagessen und das taten sie auf der Hanauer Landstraße bei Gref Völsings. Gref Völsings machte Rindswürstchen, um nicht zu sagen die besten Rindswürstchen aller Zeiten und das konnte sich Mia nicht entgehen lassen. Sie ließ sich auch gleich 20 Stück einschweißen, denn die würde sie irgendwie nach Korea schmuggeln.
„Ich kann es gar nicht fassen. Gestern noch waren wir in Singapur und ich dachte wir fliegen heute zurück nach Seoul doch stattdessen sind wir in Deutschland!“
„Verrückt“, gab Mia zu.
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Bis um 17 Uhr schliefen sie dann, doch der Wecker war furchtlos und schmiss sie gerade wieder aus dem Bett, denn um 18 Uhr würden sie Lise am Weihnachtsmarkt treffen. Eigentlich hätte Mia gesagt, sie fahren mit der U-Bahn, doch da sie davon ausging, das Donghae vollkommen durchdrehen würde, war es doch besser mit dem Auto. Warm eingepackt machten sie sich auf den Weg und fuhren zum Parkhaus am Römer.
„Mia!“
„Lise!“
Die beiden Freundinnen fielen sich in die Arme. Schnell gab Donghae auf dem Geschnatter zu folgen und konzentrierte sich darauf den Japaner raushängen zu lassen, in dem er alles fotografierte.
„Und, wie hat er das Adult-Napping aufgenommen?“
„Gut, soweit. Es war meine Rache dafür, dass er einfach ein Haus gebaut hat.“
„Irgendwie sehe ich in beidem nichts diabolisches.“
„Hey, nach einem Jahr in Seoul würde sich auch deine Ansicht ändern.“
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Nicht nur das Donghae sich jeden Stand anschauen musste, nein, er aß sich praktisch durch den Weihnachtsmarkt. Bratwürstchen, Knobi-Baguette, Suppe, Früchte mit Schokolade überzogen, gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Kartoffelpuffer – Mia überlegte einen Eimer zu kaufen, denn physikalisch betrachtet war es unmöglich, das er all das in sich behielt.
Sie machten einen kleinen Zwischenstopp bei den Getränken. Lise und Mia hatten eine heiße Schokolade, doch Donghae hatte sich eine Feuerzangenbowle geholt, bei der er schon allein mit der Aussprache deutliche Probleme hatte.
„Was ist?“ Donghae stand vor seiner Tasse und starrte sie an.
„Ich möchte das genießen.“
Sie bezweifelte, dass man bei einer Feuerzangenbowle von Genuss sprechen konnte, doch nun gut, sollte er mal machen.
„Übrigens, ich werde in den Semesterferien sechs Wochen in Seoul sein“, berichtete Lise.
„Was? Wirklich? Nur so?“
„Ich werde eine Sprachschule besuchen.“
„Das ist ja cool! Hey, wir haben jetzt ein Haus, du kannst bei uns wohnen! Eines der Gästezimmer hat sogar G-Dragon designt.“
„Ernsthaft?!“
„Das mit dem Wohnen oder das mit dem Gästezimmer?“
„Beides!“
Mia lachte fröhlich. Mal sechs Wochen jemand deutschsprachiges im Haus zu haben wäre auch für sie eine willkommene Abwechslung, ansonsten würde sie diese Sprache irgendwann gänzlich vergessen. Schon jetzt merkte sie, wie sie manchmal überlegen musste und in ihrem Gehirn herrschte ein Misch aus Deutsch, Englisch und Koreanisch.
„Aber nicht das ich euch zur Last falle…“
„So ein Quatsch! Wir sagen einfach du bist unsere Haushälterin, wir müssen nur an deinem spanischen Akzent arbeiten.“
Dafür wurde Mia gezwickt und es war verdient.
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Sie kauften unheimlich viel ein. Allein schon von diesen auffaltbaren Sternen, in denen eine Lampe war, kauften sie um die 30 Stück! Donghae wollte im SJ-Chillzimmer einen Sternenhimmel schaffen, doch sie nahmen auch welche als Geschenke mit. Dann gab es diesen Stand von der Silberschmiede, wo es diese Straß-Ohrringe gab, in allen Farben, die man sich vorstellen konnte. Zuerst suchte Mia neun Paar für die Mädels von SNSD aus, alle in verschiedenen Farben.
„Was meinst du? Ist Taeyeon eher rot oder ist das mehr Tiffany? Oder pink?“
„Ich denke Sunny ist pink, Tiffany rot und Taeyeon gold“, erwiderte Lise grübelnd.
Dann holte sie noch welche für Yoani, Nari und BoA und für Zoey und Kaylee holte sie zwei Armbänder. Mia musste Donghae jedoch etwas bremsen, Morgen würden sie nach Rothenburg fahren, was das ultimative Weihnachtsdorf war und dort wollte sie sich nach den richtigen Weihnachtssachen umschauen. Sie erklärte also Donghae, dass es für einen Abend genug war und dass sie wieder kommen würden, denn er wusste ja noch nichts von Rothenburg.
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Donghae stand an diesem Stand mit dem Knobelspielzeug und versuchte zwei Ringe auseinander zu bekommen.
„Morgen geht es nach Rothenburg und dabei kommen wir an Wertheim Village vorbei – ich kann einem Koreaner nicht sein Designeroutlet nehmen oder?“
„Uh, nein, das kannst du nicht machen.“
Wertheim Village war ein Outlet, dass aussah wie ein kleines Dorf. Wenn Mia früher Jessi besuchen gefahren war, als sie noch in Bamberg gewohnt hatte, hatte sie immer in Wertheim gestoppt. Nur dass sie sich damals die meisten Sachen selbst im Outlet nicht hatte leisten können.
Seid sie in Amerika gewesen ist, wusste Mia, dass Outlet in Deutschland nicht günstig war, aber im Gegensatz zu koreanischen Verhältnissen war es immer noch günstig.
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Zum Abschluss des Tages fuhren sie ins Flemmings am Eschenheimer Tor, um noch etwas trinken zu gehen.
„Was ist das?“ Donghae stand skeptisch vor dem Fahrstuhl.
„That’s a Paternoster elevator, you just get in and get out, when you’ve reached your destination“, machte Mia eine Stewardess nach.
„Was passiert, wenn man vergisst auszusteigen, fällt man dann um?“
„Nein, nein, der Fahrstuhl schiebt sich zur Seite und fährt dann wieder runter, er kippt nicht.“
Mia hatte das nämlich am Anfang auch gedacht, dass praktisch die Decke zum Boden wurde, aber natürlich war das Blödsinn. Dennoch standen sie zu dritt im Fahrstuhl und umrundeten drei Mal alle Etagen, bis Donghae das glaubte. Das Dillema lag nur darin, dass er das für die Nachwelt irgendwie festhalten wollte, aber sowohl ein Foto, als auch ein Video konnten diese Erfahrung einfach nicht einfangen. Irgendwann reichte es Mia und sie stieg im obersten Stock aus.
Das Flemmings hatte eine große Terrasse, auf der man im Moment auf Grund der Temperaturen nicht sitzen konnte, doch man hatte einen wundervollen Ausblick auf die Skyline.
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Und so ließen sie den Abend gemütlich ausklinken. Donghae hatte noch drei Erdbeer-Schoko-Spieße mitgenommen, die bestimmt den nächsten Tag nicht überstehen würden, aber na ja, Frühstück war ja Ansichtssache.