Irgendwie hatte sich der Abend in München anders entwickelt, als Mia ihn sich vorgestellt hatte – was nicht unbedingt bedeutete, dass es schlechter war. Sascha fing an für sich und Donghae Mispelchen zu bestellen. Mit der Frucht war es lecker, Donghae kannte diese Art des Trinkens nicht und natürlich schmeckte es ihm und aus ein wurden zwei, aus zwei wurden vier und ab einem gewissen Punkt hörte Mia auf zu zählen.
Es war nicht so, als wäre Donghae nicht einigermaßen trinkfest, aber irgendwann wurde er ziemlich müde.
Im Hotel fiel er sofort ins Bett und schlief ein.
„Na toll.“
So viel zu Mias Plänen eben nicht zu schlafen, damit sie im Flugzeug dafür Zeit hätten.
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„Mama?“
Mia stand vor der Zimmertür ihrer Eltern und klopfte leise, aus Angst, dass sie auch in den Dornröschenschlaf gefallen waren.
„Hi mein Schatz!“
Die Mama sah noch fit aus.
„Donghae ist schon eingeschlafen!“
„Der Sascha auch!“
Das war ja super, die Herren der Schöpfung gaben sich die Kante und ihre Frauen saßen wach daneben.
„Mama, wir dürfen uns das nicht bieten lassen! Komm mit!“
So schnappte sie sich ihre Mama und ging zu sich auf’s Zimmer. Wenn Donghae schlief konnte eine Bombe explodieren, das würde ihn nicht sehr jucken und die Suite hatte eh ein abgetrenntes Wohnzimmer. Sie hatte die zwei Koffer, die ihre Mama ihr mitgebracht hatte, mit rüber genommen und wenn sie die Koffer schon packte, konnte sie der Mama auch gleich zeigen, was sie alles gekauft hatten und das war ja einiges. Die ganzen Klamotten, die ganzes Weihnachtssachen und die ganzen Geschenke – Mia packte alles ordentlich in die zwei Koffer ein. Aus Rothenburg waren schon drei Kartons fertig gepackt und die Kontrast Sachen wären auch in einer Woche da. Sie wusste zwar nicht woher sie die Zeit nehmen sollte alles zu dekorieren, wahrscheinlich würde sie es nachts machen, aber das war egal.
Sie hatten einen riesigen Keller, Mia könnte für jede Jahreszeit einen eigenen Kellerraum machen. Im Frühjahr würden sie die Lounge im Keller, hinten raus zu Garten ausbauen, doch der Keller war ja so groß wie das ganze Untergeschoss – also riesig. Und es bestand nicht aus wenigen, riesigen Räumen, sondern aus vielen 15-20qm Räumen. Nur der Loungeraum hatte 70 qm oder so.
Sie würden deshalb im Keller auch ein zweites Ankleidezimmer machen, mit Winter-Sommerklamotten-Wechsel, damit nicht alles oben war. Und dann hatten sie eine Waschküche und ein Bügelzimmer, ein Zimmer für Fansachen und sechs weitere Räume.
„Wie viele Weihnachtsbäume willst du machen?“
„Drei oder vier … ich glaube ich habe genug Sachen für fünf … Einer soll auf jeden Fall grün-braun-bronze sein, einer rot und einer gold-silver und der vierte wahrscheinlich Tutti-Frutti. Ich hab ja auch 300 Kabellose Kerzen geholt.“
„300?!“
„Mama, ich mach den Stress mit den Kabeln nicht mit! Und unser Baum stand immer in der Ecke, der brauchte hinten keine Lichter. Unsere Bäume kann man umrunden. Ich gehe von 40-50 Lichtern pro Baum aus.“
„Bei vier Bäumen sind das 200.“
Mia suchte nach Worten.
„Die anderen sind … Ersatz.“
Zur Not würde sie im Dorm auch noch einen Baum aufstellen.
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Sie endeten damit, dass sie sich Twilight als Film bestellten und anschauten. Mia hatte Twilight ja schon vor ewigen Zeiten gelesen und sie mochte die Schauspielerbesetzung der Filme nicht. Ihr Mama kam jetzt in das Twilightfieber und so versuchte Mia ihr möglichstes Robert Pattison nicht mit Mr Burns zu vergleichen.
Mias Mama ging dann gegen 2 Uhr auch ins Bett, doch Mia blieb wach. Sie würde im Flugzeug schlafen und es war ihr egal ob Donghae dann glockenwach war.
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Letztendlich schlief sie vielleicht zwei Stunden. Um 7 weckte das Imperium sie wieder und sie packten die letzten Sachen zusammen.
„Boa ist diese Schnaps hart gewesen.“
„Willkommen in Deutschland.“
Donghae schien einen kleinen Kater zu haben, versuchte ihn aber zu verbergen. Da standen sie vor ihren vier Koffern und dem Bewusstsein im Auto noch Kartons zu haben.
„Ich glaube ich habe noch nie so viel eingekauft“, sagte Mia und nun schaute ihr Mann verblüfft.
„Also weißt du, wenn ICH das sage, trifft das vielleicht ja zu aber du?!“
„Hey!“ Mia boxte ihn leicht und theatralisch ging er zu Boden. Mia shoppte vielleicht gerne, aber bisher hatte sie nie so viel Geld zur Verfügung gehabt, um es auf den Kopf zu hauen.
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Wenig später trafen sie sich zum Frühstück mit ihren Eltern. Deutsches Frühstück.
Wie gesagt, es gab wenig was Mia wirklich vermisste. Auch in Seoul gab es deutsche Bäckereien, sie hatte Nutella zu Hause und hatte sogar einen Käse gefunden, der an Leerdammer ran kam und trotzdem war das Frühstück anders, wenn sie in Deutschland war.
„Und ruft kurz an, wenn ihr angekommen seid“, sagte die Mama, als es an der Zeit war sich zu verabschieden.
„Mom … es ist mitten in der Nacht, wenn wir ankommen – ich schick ne SMS.“
Schon süß, Mia flog ständig, wenn sie ihrer Mama jedes Mal eine SMS schicken würde, wäre ihre Handyrechnung viel teurer.
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Checkin, Boardingkarte bekommen, Mietwagen abgeben. Allein schon das war irgendwie ziemlich anstrengend gewesen. Ihre Eltern waren mit an den Flughafen gekommen um sie zu verabschieden. Es war schwer ihren Eltern tschüss zu sagen, mit Ungewissheit, wann sie sie wieder sehen würde – dieses Jahr ja offensichtlich nicht mehr.
Langsam wachte Donghae auf und Mia wurde immer müder. Als sie in ihren Platz in der Business fiel dachte sie nur noch ans Schlafen. Man konnte die Sitze ganz zurück stellen, doch erst nachdem das Flugzeug abgehoben war und solange musste sie durchhalten.
Sie blätterte das Boardmagazin durch, wild entschlossen nicht die Augen zu schließen. Wenn sie jetzt einschlafen würde, würde sie den Moment verpassen den Sitz nach hinten zu stellen und sie würde mit einem steifen Nacken aufwachen. Nicht umsonst zahlte sie Business Class Tickets, das war alles geplant gewesen. Ablenkung! Sie brauchte Ablenkung!
„Und, was hat dir in Deutschland am Besten gefallen?“ Mia wand sich zu Donghae.
„Rothenburg! Da will ich mal leben!“
„Ach so!“ Sie begann fröhlich zu lachen, eigentlich war es ein Wunder, dass sie ihn überhaupt von dort weg bekommen hatte.
„Na ja, du bist ja Deutsche, mit dem Visum wird es kein Problem werden.“
Irgendwie nutzten sie sich gegenseitig völlig aus – sie hatte ihn geheiratet, damit sie in Korea bleiben konnte und er hatte sie geheiratet, damit sie ein Ferienhaus in Deutschland kaufen konnten. Super.
Dann war es geschafft, das Flugzeug war in der Luft, der Sitz nach hinten geklappt und Mia hatte sich in eine Decke eingekuschelt – auf dem Weg ins Land der Träume.
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„Psssssst….“, machte Donghae, keine Reaktion von Mia.
„Psssssst….“
„Hm?“, grunzte sie motzig.
„Bist du wach?“
„Nein“, murmelte sie.
„Mit wem spreche ich dann?“
„Mit dem Autopiloten…“
Darüber musste er jetzt erst mal nachdenken.
„Was kannst du in diesem Modus?“
„Du musst erst das Passwort zum Entsperren eingeben…“
„Wie lautet das Passwort?“
„I kill you!“
„Das ist aber ein komisches Passwort“, grübelte er und dann traf ihn Mias Blick. Schlagartig begriff er, dass das nicht das Passwort war, sondern sich diese Aussage gegen ihn wandte und sofort fragte er sich, ob es die beste Idee gewesen ist Mia zu wecken.
„Was willst du?“
„Mir ist langweilig.“
Okay, seien wir ehrlich, an der folgenden Mia-Standpredigt war er irgendwie selbst schuld.
„You know that’s just too bad! You know why? You wanna know why? Because you, Mister, did not stick to the plan. The plan was very simple: Stay up all night. But you didn’t and why didn’t you? Because you had to knock yourself out while I was up all night, packing four luggaes and watching Twilight and preparing the schedule for next week while you were snoring like a bear in winter-sleep. So I’m totally sleepy and you know why? You wanna know why? Because I sticked to the very simple but effective plan and now you’re punishing me for sticking to the plan because you’re bored?“
Stille.
„Hey, ich schnarche nicht!“
„Ist das alles was du zu seiner Verteidigung vorweisen kannst?“
„Ich dachte wir könnten einen Film gucken…“
„Einen Film? Willst du mich …“
Und da kam die Rettung in Form einer Stewardess in blauem Dress die höflich fragte ‚Welches Menü wünschen sie?‘. In diesem Moment sah Donghae einen Heiligenschein um den Kopf der Stewardess. Essen! Mia hatte praktisch ihr eigenes Schnick-Schnack-Schnuck entwickelt. Essen schlägt Schlafen, Schlafen schlägt Shoppen und Shoppen schlägt im Zweifel Essen.
„Mia, hast du den Adventskalender im Handgepäck“, fragte er hoffnungsvoll.
„Nein.“ Alle Hoffnung zuerschlagen!
Nach dem Essen ließ Donghae Mia schlafen und schaute sich eben einen Film alleine an, doch schon auf halber Strecke fielen ihm die Augen zu.