Wie versprochen ging Siwon mit Mia zu Abend essen. Donghae war selbst mit Eunhyuk und ein paar Freunden unterwegs und so beschwerte sich ihr Mann darüber nicht. Sie hatte wirklich einen netten Abend mit Siwon. Er hatte sie mitgenommen in eines seiner Lieblingslokale. Es lag außerhalb der Innenstadt, in einer verwinkelten Gasse und die Deutsche war sich ziemlich sicher, dass sie:
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Hier ohne Hilfe nicht mehr raus finden würde. Und
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Hier ohne Hilfe nie mehr hinfinden würde
Es war eines dieser typischen, koreanischen Lokale, wie man sie oft fand, in den Straßen hinter den großen Einkaufsmeilen. Es war nicht groß, man saß auf dem Boden, der zu dieser Zeit beheizt war und es machte den Eindruck, dass es schon mal bessere Zeiten erlebt hatte.
In Seoul gab es viele tolle, moderne Restaurants, mit Sterneköchen und einer sündhaft teuren Speisenkarte. Das war das neue Seoul, das moderne Seoul und das Seoul der Touristen und Geschäftsleute. Kleine Lokale wie dieses spiegelten jedoch das wirkliche Bild wieder, denn in solchen Lokalen ging immer noch der Großteil essen und es hatte diesen koreanischen Charme. Mia liebte das moderne Korea, sie mochte aber auch das Traditionelle und fand es wichtig, dass es nicht verloren ging.
„Das ist das beste Pajeon das ich je gegessen habe!“, schwärmte sie und die Ladenbesitzerin freute sich wie ein kleines Kind so etwas von einer Ausländerin zu hören.
„Ajummani, könnten wir noch so einen bekommen?“
„Natürlich!“
Siwon lachte fröhlich, denn er wusste wie viele Probleme Mia mit dem koreanischen Essen hatte und sie zu sehen, wie sie sich den Bauch vollschlug und Nachschub bestellte, war wirklich amüsant. Pajeon war nicht wirklich ein Hauptgericht. Eigentlich bestellte man in Korea ja mehrere Gerichte und jeder konnte sich nehmen. Da gab es dann verschiedenes Fleisch, Gemüse, Kimchi und eben auch so Sachen wie Pajeon, was plump ausgedrückt ein Pfannkuchen war. In dem Pfannkuchen war Kimich und/ oder Gemüse. Da man Mia mit Kimchi jagen konnte, hatte Siwon den mit Gemüse bestellt und der schien ihr zu schmecken.
„Ich kann kaum fassen, dass du bald ein Jahr bei uns bist.“
„Ich auch nicht“, erwiderte Mia kopfschüttelnd.
„Was sind deine Pläne für das nächste Jahre?“
„Erst einmal werden wir Vampire.“
Beide lachten fröhlich. Ja, der Dramadreh würde sicherlich ein Highlight im kommenden Jahr werden. M81 würden endlich ihr Debüt haben und die Bambis würden Mia sicherlich genug rumscheuchen. Super Junior würden ihr erstes Europakonzert haben. Mia war sehr gespannt darauf, wie die Jungs auf die europäischen Fans klar kommen würden, denn dort ging es wilder zu, als bei den asiatischen Shows. Sie sah schon förmlich Siwons entsetzen Gesichtsausdruck, wenn das erste mal ein BH auf die Bühne fliegen würde.
Sie musste die Jungs emotional darauf vorbereiten. Wahrscheinlich würde Zoey ihr helfen, mit so radikalen Methoden war sie immer gut. Weihnachten, Silvester, der Ende des Jahres. All das brachte die Leute dazu darüber nachzudenken, was das Jahr geschehen war und was man im nächsten Jahr erreichen wollten.
Heute vor einem Jahr war Mia im völligen Rapunzel-Modus gewesen, von Heulattacken, weil sie irgendwie schon Schiss hatte alles hinter sich zu lassen, zu euphorischen Lachanfällen, weil sie sich einfach super freute. Sie hatte vorher noch nie alleine gewohnt gehabt, gut, bei Super Junior war sie auch nicht wirklich alleine gewesen – nur eben 8.500 Kilometer weit weg von allem was sie kannte. Und die war ein Mama-Kind, was auch erklärte, wieso sie fast täglich mit ihrer Mama skypte.
Inzwischen war es so, dass sie hier gar nicht mehr weg könnte. Nicht nur wegen Donghae, sondern wegen allem. Sie fühlte sich wohl, auch wenn sie so gut wie nie genug schlief und ihre Krankenhausstatistik ziemlich für’n Arsch war. In Deutschland war Mia ihr ganzes Leben nur zweimal im Krankenhaus gewesen. Einmal als Kind, da hatte sie die Polypen raus bekommen und einmal vor vier Jahren, als sie einen Infekt hatte. Damals hatte sie gedacht sie würde sterben. Ihre Eltern waren unterwegs gewesen, Mia war es nicht gut gegangen, weshalb sie Zuhause geblieben war, doch im Laufe des Abends ging es ihr immer schlechter. Sie übergab sie fast im Minutentakt, ihr Puls war zu hoch, der Kreislauf zu schwach und sie wusste etwas stimmte nicht. Sie rief den Notdienst an, doch die sagten, sie würden so drei Stunden brauchen. Hallo?! Mia hatte gewusst, dass sie nicht so lange warten konnte. Es war gegen 23 Uhr gewesen, als sie ihre Handtasche nahm und sich selbst ins Krankenhaus fuhr – und circa alle 300 Meter anhielt um die Autotür aufzumachen und sich zu übergeben. Sie hatte es sogar noch geschafft sich einen ordentlichen Parkplatz zu suchen und war dann vor dem Eingang der Notaufnahme zusammen gebrochen. Sie kehrte immer wieder ihr Inneres nach außen und damals dachte sie nur ‚Wahre Schönheit soll von drinnen kommen? So ein Scheiß!‘. Keiner wusste so genau was mit ihr war, man versuchte sie zu untersuchen, was gar nicht so einfach war, wenn der Patient sich ständig übergab und Magenkrämpfe hatte. Als sie dann auch noch sagte, dass sie oft in Äygpten sei, hatte man sie unter Quarantäne gestellt. So schnell bekam man ein Einzelzimmer. Als ihre Eltern davon erfuhren, kam die ganze Familie ins Krankenhaus. Noch nicht mal Wasser blieb ihn ihr, bis man sie nur noch über Infusionen versorgte.
Am nächsten Tag ging es ihr besser, sie brach nicht mehr, doch diese eine Nacht hatte sie so viel Kraft gekostet, dass sie nicht im Stande gewesen war zu laufen. Gegen Mittag, als sie motiviert war eine rauchen zu gehen, schnappte sie sich also den Rollstuhl, klemmte sich ihren Infusionsständer um den Arm und machte sich los. Und nun stellt euch folgendes vor: Damit Mia zum Fahrstuhl gelangte, musste sie am Schwesternzimmer vorbei. Dieses hatte ein großes Fenster, also was tat sie? Sie duckte sich! Die Schwestern sahen nur einen Infusionsständer vorbei fahren, was genau so auffällig war, als wenn Mia ganz normal vorbei gerollt wäre. Natürlich wurde sie erwischt und zurück ins Bett gesteckt.
Am Abend bestand sie darauf nach Hause zu gehen, was großteils daran lag, dass die Betten zu kurz und zu unbequem waren und Mia nicht wusste, wie sie ihr Ei legen sollte. Sie hatte wieder Hunger und alles schien okay, nur zerrte sie noch eine Woche lang an der Kraftlosigkeit, was sie fast irre machte.
Niemand hatte ihr jemals wirklich gesagt, was sie hatte und es war ihr auch egal. Dafür wusste sie nun, wie man ein Einzelzimmer im Krankenhaus bekam.
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Jedenfalls war das ihre einzige Begegnung mit einem Krankenhaus gewesen, in ihrer Erwachsenenzeit. Und jetzt? Hey, sie kannte die Schwestern schon beim Vornamen!
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Gegen 2 Uhr kam sie Zuhause an. Donghae saß vor dem Weihnachtsbaum – wo auch sonst?
„Warst du so lange mit Siwon weg gewesen?“, fragte er verwundert.
„Ja, wir haben gequatscht.“
Verwundert zog er die Augenbrauen hoch.
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Um 7 Uhr stand sie auf. Es war Samstag, sie müsste nicht ins Büro, doch um 11 Uhr würden die Mamas kommen und Mia hatte nicht vor Kuchen zu kaufen. Der meiste Kuchen hier war sehr süß, Sahnekuchen und erinnerte sie mit Zahnschmerzen an Amerika, sie wollte richtigen Kuchen. Sie fuhr also in den Supermarkt und kaufte ein.
Sie machte einen Marmorkuchen mit einer Zimtglasur und einen Erdbeerkuchen und einen Mandarinenkuchen – so ein wenig Kuchenboden bekam sie ja hin.
Donghae stand gegen 9 Uhr auf. Mia rührte gerade den deutschen Vanillepudding für die Früchtekuchen an und das ganze Haus duftete.
„Was mal, was hast du heute Morgen schon alles gemacht?“
„Schatz, ich backe“, klärte sie auf und als sie sich umdrehte, mit ihrer Erdbeerschürze, ähnelte sie Bree von den Desperate Housewifes. Donghae war das alles zu suspekt und ging erst mal duschen.
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Es kamen Leeteuks, Sungmins, Eunhyuks, Yesungs und Kyuhyuns Mamas und natürlich war es für die Söhne Pflicht mitzukommen. Nur Kyuhyun hatte eine Aufnahme bei MBC und hatte somit eine Ausrede.
„Oh Mia! Das sieht ja toll aus!“
Schon vom ersten Weihnachtsbaum war Leeteuks Mama begeistert und so führte sie die Mamas durch’s ganze Haus.
„Wirklich, du hast das alles so toll eingerichtet!“ Yesungs Mama war hin und weg und schoss von allem Bilder.
„Donghae hat es wirklich sehr gut getroffen“, flüsterte Leeteuks Mama der Deutschen zu und drückte ihre Hand. Ach, wie lieb sie die Muttis hatte.
„Na ja, er hat das Haus gebaut und ich habe viele Sachen rein gestopft“, sagte Mia lachend.
Die Jungs hingegen haben sich im Wohnzimmer versammelt und die Playtsation angeworfen – sollten die Weiber sich doch über Deko unterhalten. Erst als es dann Kuchen gab, kamen sie hervor.
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Schließlich mussten Donghae, Eunhyuk und Mia los zu Music Core. Es war eigentlich ganz witzig, weil SNSD ja auch da waren, durch ihre Promotion für ‚Mr Taxi‘ und die beiden Kerle hatten viel Spaß dabei den Mädels den Tanz zu ‚Oppa, Oppa‘ beizubringen. Als sie dann aber anfingen die Mädels zu bereden mitzutanzen, hörte der Spaß auf und sie gingen in ihre Garderobe – und nahmen Mia gleich mit. Dort hatten sie Essen gebunkert, was eine gute Sache war. Irgendwann hörte man es zaghaft an der Tür.
„Was willst du?“, rief Tiffany.
„Es ist ja okay, wenn ihr nicht mittanzen wollte, aber … aber bekomme ich Mia wieder?“
Donghaes Ton war herzzerreißend, Mia stand lächelnd auf und schüttelte den Kopf.
Mein kleiner Pantoffelheld, dachte sie sich und ging zurück zu ihrem Welpen.
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Nachdem die Show vorbei war, fuhren sie alle ins Studio, denn zwischen den Jahren gab es ein Special bei SBS und da würden auch M81 mit auftreten würden. Neben den Songs gab es viele Überbrücker in Form von Tanzeinlagen, mitunter auch Lieder, die später dann als Projekt erscheinen würden, wie ‚Max Step‘ und da würden ihre Bambis zum Einsatz kommen. Es trainierten auch wieder die Küken mit, was Mia freute, denn es wurde Zeit, dass sie nach vorne blickten und versuchten weiter zu machen. Noch war sich niemand sicher, ob Jonghyuns Tod die Band nicht auseinander reißen würde, doch solange sie nicht aktiv waren, konnte das keiner wissen.
Im Studio war also ein riesiges Gewusel, wie man sich vorstellen kann, wenn über 20 Jungs durch die Gegend sprangen.
„Hallo?! Dongmin, konzentriere dich mal! Donghae Falsche Position! Shincho! Komm jetzt mal … also wirklich … so, hier ist dein Platz und jetzt Schluss mit dem Unfug! Henry … ich seh was du da hinter mir machst das ist ein Spiegelraum!“
Mia war ziemlich unentschlossen in welcher Reihenfolge sie die Jungs anmotzen sollte, denn sie stellten alle so viel Blödsinn an und die Tatsache, dass Onew und Changmin auf dem Boden lagen und sich kugelten vor Lachen, machte es nicht sonderlich besser.
„Du hast die ja gut unter Kontrolle…“, meinte Jaejoong und stellte sich mit verschränkten Armen neben sie.
„Sei ruhig … sie haben Spaß, Spaß ist wichtig.“
„Spaß ist ein Luxus den sich nur Amateure leisten können.“
„Denkst du, du kannst singen, wenn ich dir den Kiefer gebrochen habe?“
Jaejoong zog erstaunt die Augenbrauen hoch und ging einen Schritt zur Seite.
„That’s right, stay right there“, knurrte sie ihn an und widmete sich wieder dem Training.
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Das Training ging durch vier Phasen.
Phase 1: Alle waren ziemlich hibbelig wegen dem ganzen Event und blödelten nur rum
Phase 2: Konzentration, um die Choreo zu lernen
Phase 3: Stolz dass sie die Choreo gelernt hatten und nun gaben sie damit an, dass sie es konnten
Phase 4: Wieder rumblödeln, weil sie jetzt die Routine hatten
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Als diese Phase erreicht war, waren sich auch die Trainer einig, dass es für heute genug war und so machten sie Schluss. Es war fast 0 Uhr und allen hing der Magen in den Kniekehlen. Sie teilten sich auf, da es doch sehr auffällig wäre, wenn sie alle zusammen loszogen.
Mia zog los mit Donghae, Henry, Dongmin, Shincho, Taemin und Key und sie suchten sich ein Restaurant in einer Seitenstraße zum Times Square. Es war Samstagabend und überall war noch so viel los, dass die Gruppe gar nicht weiter auffiel.
„Ich war noch nie so spät hier gewesen!“, freute sich Shincho und bekam sofort einen Klaps auf den Hinterkopf, denn er war ja eigentlich auch noch viel zu jung um unterwegs zu sein.
„Das muss keiner wissen!“, zischte sie zurück. Der Jüngere rieb sich mürrisch den Kopf, sagte aber nichts.
Sie landeten im TGI Friday‘s, eine amerikanische Lokal mit Essen und Getränken. Es gab typische Fingerfood, aber auch Steaks und Burger. Für ihre Bambis bestellte sie mit, nicht das die am Ende nichts aßen, weil sie nicht genug Geld hatten. Armen Bambis.
„Du bist eine gute Bambis-Mama“, flüsterte Donghae ihr zu, der ihren Plan durchschaut hatte.
Bier ließ sie Dongmin und Shincho trotzdem nicht trinken, schlimm genug, dass sie um diese Uhrzeit noch unterwegs waren und sich nach einem stundenlangen Training Cheeseburger in den Kopf hauten. Shincho und Dongmin hatten jedoch eine ganz gute Methode gefunden. Die Sitzreihenfolge war: Dongmin, Donghae, Mia, Shincho. Neben Shincho, am Kopf des Tischs, saß Henry. Gelegentlich sprach Dongmin Mia an, was dazu führte, dass sie sich von Shincho wegdrehte und in diesem Moment platzierte er den Strohhalm seiner Fanta im Bierkrug von Henry. Andersherum machte es Dongmin bei Donghaes Bier, wenn Shincho Mia aus Zufall ablenkte. Die anderen am Tisch sagten nichts, denn es war schlicht eine Premiere, dass sich die Deutsche so linken ließ und die anderen waren so fasziniert davon, dass sie nichts tun konnten, als diesen Moment zu genießen.
Das eigentliche Problem fing an, als sowohl Dongmin, als auch Shincho leicht beschwipst waren.
„Mia … schau mal!“ Shincho hob sein Glas Fanta so ruckartig, dass er fast den Inhalt über Mia ergoss.
„Das Glas ist rund! Wieso sind die meisten Gläser rund?“
Die Deutsche schaute zu dem jungen Sänger und begriff sofort was Sache war. Und sofort schaute sie sich um und sofort schauten alle anderen Weg oder tippten plötzlich ganz beschäftigt auf ihre Handys ein.
„Habt ihr tatsächlich gedacht, dass ihr damit davon kommt?“
„Nein“, antwortete die Gruppe einheitlich. Sie wussten, dass Mia es irgendwann merken würde und das es dann wahrscheinlich zu spät ist und sie alle eins auf den Deckel bekommen, aber hey, bis dahin hatten sie eine tolle Zeit gehabt um ihren momentanen Triumph auszukosten.
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Zum Glück waren die beide nur beschwipst und Shincho beklagte sich, dass die ganze Welt sich dreht, also viel schneller als sonst. Sie schafften die beiden Bambis nach Hause, wo die anderen eifersüchtig waren, weil ihnen keiner Alkohol gegeben hatte.
„Tja, ihr habt halt mit den falschen Leuten abgehongen“, sagte Donghae eben noch selbstsicher und wurde dann von Mia am Ohr aus der Wohnung gezerrt.