Skye wachte irgendwann auf. Sie hatte keine Ahnung wo sie war, wie spät es war, welches Datum es war – sie wusste ja kaum wer sie selbst war. Die Kopfschmerzen hielten sich in Grenzen, aber es war klar, dass sie noch nicht wieder völlig nüchtern war. Durch die Schlitze der zugezogenen Vorhänge sah sie, dass es Tag war. Jetzt war nur die Frage ‚Welcher Tag?‘ ausschlaggebend. Ein Blick auf ihr Handy verriet ihr, dass es tatsächlich der Folgetag war. Das war gut, weil Morgen würden sie zurückfliegen und wenn heute Morgen wäre, dann hätten sie heute ihren Flug mit Sicherheit verpasst.
Der Mann neben ihr war definitiv Jiyong. Das war potentiell auch gut. Aber sind wir ehrlich, viele hätten mit Sicherheit gerne gelesen, wie da Justin Timberlake nackt im Bett gelegen hätte – selbst Skye hätte das gerne gelesen.
Ihre Gedanken suchten nach der letzten Erinnerung. Skye hatte wenige Blackouts. Normalerweise kannte sie ihre Grenzen ziemlich gut und überschritt sie nicht. Sie hasste es nicht zu wissen, was passiert war. Sie erinnerte sich noch wie sie auf dem Tisch tanzte, das ging ja noch. Aber danach?
Sie schaute sich um nach Indizien. Auf ihrem Nachttisch standen eine Flasche Champagner und zwei halbvolle Gläser. Woher kam die Flasche?
„Müssen wir schon aufstehen?“, murmelte Jiyong.
„Ich glaube nicht“, gab sie zurück, doch Jiyong war wie sie: einmal halb wach gab es keinen Weg zurück mehr.
Zuerst ließen sie sich Kaffee auf das Zimmer bestellen. Essen wirkte für sie beide noch nicht so verlockend.
Nun grübelten sie gemeinsam. Schließlich hatte Skye die grandiose Idee ihre Handys zu durchsuchen und siehe da – knapp 300 Fotos waren gestern Abend entstanden. Die ersten Bilder waren noch auf der Party entstanden. Dann gab es Bilder, wie Skye mit einer Champagner Flasche und zwei Gläsern in irgendeinem Flur stand und total ratlos schaute. Wo waren sie da gewesen?
„Oh schau mal Schatz, wir waren tanzen!“
Es folgten ungefähr 50 Bilder auf einer silbernen Hochzeit. Es waren fast nur alte Leute da und mitten drin Harley Quinn und der Joker! Dann wurde es gruselig.
Sie hatten ein Selfie vor der ‚Viva Las Vegas Wedding Chapel‘ geschossen, aber dann ging es weiter. Ein Selfie mit Batman, ein Bild von Skye, die einen Blumenstrauß warf – oder halt, vielleicht hatte sie ihn nur gefangen? Aber dann war ein Bild, wie Jiyong sie aus der Kapelle trug. Beide schauten auf und sich fragend an und dann schauten sie gleichzeitig auf ihre Hände, wo plötzlich jeder einen Ring hatte, der da mit Sicherheit gestern Abend noch nicht gewesen ist. Skye fiel der Kiefer runter.
„Sag nicht das…“
„Schatz, ich glaube wir haben geheiratet.“
Skye spürte wie sich alles Blut zurückzog und ihr schlecht wurde. Sie schaffte es gerade noch ins Bad, um sich zu übergeben.
„Puddin, ich habe nicht gebrochen weil wir geheiratet haben, sondern weil ich so viel getrunken habe“, erklärte sie ihm beim Zähne putzen, während er unter der Dusche stand. Sie war froh das ganze Make Up Los zu sein, auch wenn die temporären Tattoos noch eine Weile bleiben würden.
„Vielleicht habe ich mich auch übergeben, weil ich schwanger bin“, spekulierte sie weiter und Jiyong schoB die Duschtür auf.
„Nicht witzig!“
„Vielleicht haben wir auch gar nicht geheiratet. Vielleicht haben Harley Quinn und der Joker geheiratet und es war eine Fake-Wedding.“
Könnte doch sein. Nur weil es eine Hochzeit gab, hieß das ja nicht, dass man verheiratet war.
„No, no, we don’t do fake weddings. See, there it is, Skye Jones and Jiyong Kwon. You’ve filled out all the paper work yesterday evening. You were very specific with your wishes … like flowers, music, you even insisted to get Batman the priest. You are officially husband and wife.“
Sie hatten ja gesehen, wo die vermeidliche Hochzeit stattgefunden haben musste und waren dorthin gefahren. Dort servierte man ihnen dann die niederschmetternde Wahrheit.
„We were just about to deliver your marriage certificate, the video and the photos to your hotel but since you’re here anyway…“ Der Mann griff nach einer Geschenkkiste und überreichte sie Skye.
„But you don’t understand. We were totally drunk. Can’t we just .. I don’t know… take it back?“
„Well, we are not Walmart with a 14-days return commission. This is a marriage. A promise before God.“
„Made by Batman – are you kidding me?“
„I’m really sorry. You two seemed very happy last night … maybe you should watch the video and maybe you’ll remember how much you love each other. And if not you have to get a divorce.“
Seine Worte waren final und Skye gab den Kampf auf, nahm ihre Kiste und ging raus.
Jiyong hatte derweil mit seinem Anwalt telefoniert, sah jedoch nicht sehr motiviert aus.
„Er sagt, dass Vegas Ehen rechtskräftig sind und Scheidung ist gar nicht so einfach, weil du Amerikanerin bist und ich Koreaner. Was ist das?“, fragte er und deutete auf die Box in ihren Händen.
„Unser Hochzeitsvideo … und Bilder… und unsere Urkunde.“
Er starrte die Box an, als würde sein toter Hund darin liegen.
„Was nun?“
„Jetzt fahren wir in einen Supermarkt. Ich brauche A&W Vanilla Soda und Cheetos“, erklärte Skye und stieg in die Limousine ein.
Sie hatten den Supermarkt praktisch geplündert und kamen mit acht vollgepackten Tüten zurück in ihre Suite, die in der Zwischenzeit tatsächlich jemand aufgeräumt hatte.
Zuerst schauten sie sich die Foto-Cd auf Skyes Laptop an. Das erste was Skye auffiel war, wie glücklich sie aussahen. Auf jedem Bild waren sie am Lachen. Sie lagen sich in den Armen, machten Grimassen, doch meistens strahlten sie von einem Ohr bis zum anderen. Jiyong dachte genau das Gleiche, doch keiner von beiden traute sich es auszusprechen.
Danach setzten sie sich vor dem Fernseher, mit Knabbersachen und Dosenbier. Es war komisch seine eigene Hochzeit zum ersten Mal auf Video zu sehen – also ohne Erinnerung daran.
Als Location hatten sie den Pavillon im Hinterhof gewählt. Es war eine gute Wahl. Es war eine kleine Location und hübsch geschmückt, mit vielen weißen Rosen und Lichtern überall. Batman stand hinter einem Pult und Joker Ji stand davor und wartete auf seine zukünftige Frau. Was Skye wirklich überraschte, war das Lied, zu dem sie eingelaufen war. Es war von Sheryl Crow ‚I shall believe‘. Es war noch nicht mal eine Aufnahme, eine Frau saß an dem Klavier und sang live und das machte sie toll. Unweigerlich blinzelte Skye die Tränen weg. Sie liebte dieses Lied und sie hatte sich immer ausgemalt, dass wenn sie eines Tages heiraten sollte, sie zu diesem Lied heiraten würde.
Es folgte der Teil, an dem der Batman-Priester seinen Text aufsagte. Es war total banal. Als würde der Joker wollen, dass Batman ihn traute. Was ein Quatsch.
Nach dem offiziellen Teil sagten sie ihre Ehegelübde.
„Ich bin ziemlich einsam, die meiste Zeit. Ich überspiele es oft mit einem Witz oder einem Lachen, aber eigentlich bin ich einsam. Ich weiß nicht, was es an dir ist, aber seit ich dich gesehen habe, fühle ich mich etwas weniger einsam. Du bist auch einsam, das verstehe ich, deswegen verstehe ich dich, auch wenn ich es nicht immer zugebe. Deswegen weiß ich, dass du Angst hast, Angst vor der Zukunft, so wie ich auch. Keiner weiß was morgen sein wird oder übermorgen. Aber mit dir an meiner Seite bin ich voller Hoffnung. Du bist die aufgehende Sonne, am Ende einer langen Nacht, wie der erste Atemzug nach dem Auftauchen. Du vertreibst die Einsamkeit und die Angst und hinterlässt Freude, Freude auf eine gemeinsame Zukunft, Hoffnung auf den Morgen. Einen Morgen, wenn ich neben dir aufwache und dich ehrenvoll meine Frau nennen darf.“
Der Skye im Video standen die Tränen in den Augen und der Skye vor dem Fernseher liefen sie über die Wange. Dann wischten sich beide Skyes gleichzeitig die Tränen weg und die Skye im Fernseher holte tief Luft.
„Die letzten Jahre habe ich gedacht I’m broken beyond repair. Ich dachte, dass alles was ich berühre stirbt und zerfällt. Ich konnte nie lange an einem Ort bleiben, because when it started to feel like home, I was scared to lose it again. Zum ersten Mal in langer Zeit habe ich dieses Gefühl nicht. Ich habe nicht das Gefühl, als müsste ich weglaufen und ich habe versucht mir einzureden, dass es nicht an dir liegt, weil ich mir selbst nicht eingestehen konnte, dass ich fühlen konnte und keinen Schmerz und keine Trauer, sondern Liebe. Du hast es geschafft Liebe in mein Herz zu lassen. Ich kann dir nicht versprechen immer fair zu sein, eine gute Frau zu sein, denn so ein bisschen bin ich noch kaputt. Aber ich kann dir versprechen dass ich dankbar bin, für jeden Tag an deiner Seite. And Batman is my judge, that I will try not to do you wrong.“
Jiyong und Skye vor dem Fernseher fingen an zu lachen.
„Du musstest ja wieder albern werden“, beschwerte sich Jiyong und wischte sich selbst eine verräterische Träne weg.
„Hey, Batman war mein Zeuge!“, verteidigte sie sich. Sie fingen an zu lachen, doch dann stockten sie. Jiyong zog Skye zu sich und küsste sie innig.
Irgendwann hatten sie ihre Klamotten verloren und dann waren sie im Bett gelandet und etwas später waren sie eingeschlafen. Skye schlug die Augen auf und dachte, dass es vielleicht nur ein Traum gewesen ist, doch dann schaute sie auf den Ring an ihrem linken Ringfinger und er war noch da. Ihr Blick traf sich mit Jiyongs, der anfing zu grinsen.
„Hey wifey.“ Er zog sie in seine Arme. „Jetzt hast du keine Ausrede meine Eltern kennen zu lernen.“
Skye wusste, dass sie irgendwann darüber sprechen mussten. Es war zu früh, viel zu früh, sie kannten sich ja kaum. Und er war er. G-Dragon heiratete nicht einfach. Sie mussten sich wieder scheiden lassen. Wenn die Presse davon Wind bekam … sie wollte gar nicht daran denken.
„Wer hat eigentlich die Ringe ausgesucht?“, fragte sie irritiert. Davon war auf dem Video nichts zu sehen.
„Das war bestimmt ich.“
„Wieso?“
„Weil das ein Bulgari Ring ist, Platin, zeitlos. Du hättest bestimmt Weißgold genommen.“
„Woher weißt du das?“, fragte Skye überrascht.
„Ja, so ein wenig kenne ich dich wohl schon.“
Der Ring war wirklich schön. Nicht zu auffällig. Und die sieben Diamanten funkelten, wenn sie den Ring in die Sonne hielt.
Heute durfte Skye entscheiden, wo sie essen gingen und Skye wollte zu Popeyes. Sie machten das beste Hühnchen und sie liebte diese salzigen Biscuits. Popeyes gab es auch in Korea, doch die Biscuits hatten sie nicht und die Barbecuesauce schmeckte nicht so gut. Jiyong belächelte das Fastfoodlokal. Er selbst kam eigentlich nie auf die Idee zu so einem Ort zu gehen, doch er musste gestehen, dass das Essen für Fast Food gar nicht schlecht war.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Skye.
„Wir sprechen mit niemand darüber, aber Yang Hyunsuk muss ich es sagen, für den Fall das die Presse etwas erfährt.“
Skye nickte. Eine Beziehung zu haben war schon heikel, aber plötzlich verheiratet zu sein war Idol-Katastrophe.
„Und was machen wir mit uns?“
Er hielt ihre Hand und spielte abwesend mit ihrem Ring.
„Meinst du es könnte funktionieren?“
„Huh?“
„Das mit uns. Vielleicht haben wir das Richtige getan. Ich weiß das wir uns noch kennenlernen und dass es nicht die Hochzeit ist, die du dir vorgestellt hast, aber vielleicht könnte das klappen mit uns.“
Sie schaute auf zu ihm. Manchmal schien er so weit weg und dann wieder so nah.
„Eigentlich ist es genau die Hochzeit die ich mir vorgestellt habe. Das Lied, der Gazebo, die Blumen und etwas verrückt war es auch.“
„Ja, das war es“, gab er lachend zu.
„Aber etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet von unserer Hochzeit.“
Die Worte ‚unser Hochzeit‘ oder ‚Ehe‘ fühlten sich komisch auf Skyes Zunge an, ungewohnt.
Sie einigten sich darauf die Scheidungspapiere soweit fertig zu machen, so das nur noch ihre Unterschrift fehlte und wenn sie dann wirklich die Scheidung wollte, wäre es schnell geschehen und wenn nicht, dann würden sie zusammen bleiben.
Nach dem Essen gingen sie den Strip entlang. Es war als wollten sie etwas tun, was Ehepaare so tun, aber keiner von beiden wusste was das war. Also gingen sie spazieren und einkaufen.
„Also, ich denke, in Anbetracht der Situation, dass du den Code für meine Wohnung bekommen solltest“, rollte Jiyong das alte, leidige Thema auf. Nur das sich Skye diesmal nicht dagegen wehren konnte.
„Meinetwegen.“
„Und vielleicht solltest du … bei mir einziehen?“ Er sagte es ganz vorsichtig, als hätte er Angst eine übergezogen zu bekommen. Skye schlug ihn nicht, aber ihr Blick reichte.
„Was? Wenn wir wissen wollen, ob wir funktionieren, müssen wir zusammen wohnen. Und … ich will nicht eifersüchtig klingen, aber die Tatsache dass du mit sechs Kerlen zusammen wohnst beunruhigt mich ein wenig.“
„Fünf, ich wohne mit fünf Kerlen zusammen und wie erkläre ich den Kerlen, dass ich nicht mehr dort wohne? Und überhaupt ist das deine Wohnung. Ich mag deine Wohnung. Sie ist wie ein Hotel. Alles ist ordentlich und es gibt Zierkissen und ja, man übernachtet gerne in einem Hotel, aber man lebt dort nicht. Wieso ziehst du nicht ins Loft? Also nicht ins Loft-Loft, aber da ist doch genug Platz. Dann hätten wir einen gemeinsamen Ort. Einen Ort, den wir gemeinsam einrichten und wo wir uns beide wohl fühlen. Ich mein wir haben all das Geld vom Roulette…“
„Und ich dachte du kaufst dir ein eigenes Autos!“ Nun stieß sie ihn doch mit dem Ellenbogen.
„Ich kaufe mir ein Auto, nicht so eine Prestige-Karre.“
„Bitte was?!“
„Prestige-Karre“, wiederholte sie langsam. Das Wort hatte sie von Heechul gelernt. Skye würde sich ein richtiges Auto kaufen. Einen Jeep. So etwas Robustes. Mal abgesehen davon war sie ziemlich klein und so hatte sie einen guten Überblick im Straßenverkehr.
Etwas später schlenderten sie weiter. Langsam gingen in Vegas die Lichter an.
„Also, was tun wir als nächstes?“, fragte Jiyong sie.
„Nun, wir haben gezockt – und gewonnen. Wir waren beim Grand Canyon. Auf einer verrückten Party. Und haben geheiratet. Eigentlich war das, dass Vegas-2-Tages-Komplettprogramm.“
Er lachte fröhlich und legte den Arm um sie.
„Bleibt nur noch shoppen“, stellte er fest. Immerhin hatten sie unendlich Freigepäck, zumindest fast und in Vegas gab es Outlets. Skye hielt sofort ein Taxi an.