Es war kurz nach Mitternacht und Skye stand in Mias Gästebad und rief Jiyong an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie müsste sich an den Umgang mit ‚diesen Leuten‘ erst noch gewöhnen.
„Hallo?“, kam es aus dem anderen Ende der Leitung.
„Hi, hier ist Skye.“
„Skye? Sollte ich nicht deine Nummer rausbekommen? Du überspringst hier Schritte“, sagte er vorwurfsvoll.
„Wahrscheinlich hast du meine Nummer schon“, stellte sie fest.
„Ja, aber ich rufe erst am dritten Tag an.“
Skye schüttelte grinsend den Kopf, so ein Macho.
„Ich wollte fragen, ob du kurz Zeit hättest.“
„Für dich immer, wo bist du?“
„Bei Mia.“
Eine halbe Stunde später stand er vor der Tür.
„Hallo meine Schöne“, begrüßte er sie lächelnd.
„Wir müssen reden.“
Sein Blick ging hoch zum Küchenfenster. Dort war die SuJu-Truppe versammelt.
„Nicht hier, komm wir gehen was trinken.“
Skye öffnete den Mund.
„Ah – nicht widersprechen.“
Dann schnappte ihr Mund wieder zu.
„Nur ein Drink.“
„Nur einer“, versprach er und Skye ging rein um ihre Sachen zu holen.
„Um 9 Uhr in der Akademie“, rief Mia ihr zu und Skye musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie grinste.
Als sie die Stufen runter kam, wartete Jiyong auf sie und nahm ihre Hand.
„Die werden jetzt genug zum Reden haben“, sagte er, drehte sich um und winkte den Sängern im Fenster zu. Die schreckten hoch und Donghae knallte mit dem Kopf gegen Eunhyuks.
Sie fuhren nach Itaewon und parkten in einer Seitenstraße. Im Keller eines Hauses befand sich ein Kaffee. Es war eingerichtet wie ein Oma-Café, mit Plüschbezügen und rosa Kissen. Skye fing an zu lachen.
„What?“
„So this is were you take a girl?“
„Only the special ones“, sagte er schelmisch und führte sie auf ein Sofa in der Ecke, welche schwer einzusehen war. Ohnehin waren nicht viele Gäste da mitten in der Nacht.
„Was kannst du empfehlen?“, fragte sie und nahm sich die Karte.
„Dieses Café ist auf Kakao spezialisiert. Kein Kaffee, nur Kakao.“
Skye liebte Themencafés, aber eins, dass nur Kakao machte hatte selbst sie noch nicht erlebt. Es gab über 30 verschiedene Sorten auf der Karte – mit und ohne Alkohol. Er bestellte einen zartbitteren Kakao mit Zimt, während Skye einen Kakao auf Eis mit Minze nahm. Als sie die Getränke hatten, lehnte er sich zurück.
„Über was wolltest du reden?“
Skye zog die Schmuckschachtel raus.
„Oh, du wolltest dich bedanken?“
„Nein, ich wollte es dir zurückgeben.“
Jiyong schaute sie an, als würde er sie nicht verstehen.
„Wieso?“, fragte er schließlich.
„Weil ich das nicht annehmen kann.“
„Wieso?“
„Weil …“ Sie hasste diese ‚wieso‘ Spielchen.
„Erstens kenne ich dich nicht gut genug. Zweitens ist das kein Geschenk das man der Assistentin seiner besten Freundin macht und drittens übermittelt es eine gewisse Erwartung, die ich nicht erfüllen kann.“
Er hielt ihren Blick fest, nahm dann einen Schluck Kakao. Skye hasste auch Kunstpausen.
„Erstens waren wir was essen, dann was trinken, dann auf einer Party und dann sind wir vor der Polizei geflohen – ich denke wir kennen uns gut genug. Zweitens habe ich das Geschenk nicht der Assistentin meiner besten Freundin gemacht, sondern meiner eigenen Harley Quinn und drittens habe ich keine Erwartungen. Niemals. Das Leben ist das was es ist, wir wissen nicht was Morgen sein wird oder nächstes Jahr oder in einer Stunde. Es zählt nur der Augenblick.“
Während er sprach nahm er die Schachtel, öffnete sie, holte das Armband raus und schob es über ihr Handgelenk. Was Skye an ihm hasste war seine Stimme. Er hatte so einen schönen Klang in der Stimme, alles was er erzählte, wirkte viel weicher.
„Hast du schon mal daran gedacht Kinderbücher vorzulesen?“, fragte sie ihn und schaffte es damit ihn tatsächlich aus dem Konzept zu bringen.
„Wie kommst du auf Kinderbücher?“, fragte er lachend.
„Nur so“, gab sie zurück und genoss den Moment, in dem er mal keine Antwort hatte. Sie ignorierte die Tatsache, dass sie das Armband nun trotzdem an hatte und Ji noch immer ihre Hand hielt.
„Ich kann das nicht.“
„Ich will auch gar nichts überstürzen, ich will nur etwas spielen.“
Skye wusste nicht wieso es ihr so schwer fiel ihm einen Korb zu geben. Sie war Meister im Körbe verteilen. Sie verteilte so viele Körbe, dass es ein Wunder war, dass sie nicht in der NBA spielte. Spaß haben, für eine Nacht oder zwei, war kein Problem, aber nichts Ernstes. Vor allem nicht mit dem besten Freund ihrer Chefin. Oder mit irgendeinem anderen Idol. Sie musste hart bleiben. Eisern durchgreifen.
„Du bist etwas zu alt für Spiele“, sagte sie, so kalt wie es ihr möglich war, doch er nahm sie gar nicht ernst.
„Dann keine Spiele.“
„Du kennst mich gar nicht.“
„Ich kann Menschen gut einschätzen.“
„Du weißt noch nicht mal meine Lieblingsfarbe.“
„Ich muss nicht deine Lieblingsfarbe wissen um dich zu kennen.“
Da hatte er nicht Unrecht.
„Mal abgesehen davon glaube ich dass deine Lieblingsfarbe Türkis ist.“
Skye musste gar nichts sagen, Jiyong sah es an ihrem Gesicht, dass er richtig lag und er fing an zu grinsen.
„Siehst du, ich kenn dich.“
Der Amerikanerin ging die Argumentation aus und es war auch zu anstrengend ständig zu kämpfen, also ließ sie das Kämpfen und legte einen Waffenstillstand ein.
Gegen 3 Uhr morgens setzte Jiyong sie Zuhause ab.
„Ich werde ein paar Tage in Japan sein“, erzählte er.
„Haben wir ein Date, wenn ich zurück bin?“
„Nein“, erwiderte sie lachend.
„Aber …“
„Nein.“
„Nur eins?“
„Nein“, damit stieg sie aus, um nicht wieder einzuknicken. Jiyong war aber auch nicht auf den Kopf gefallen und öffnete das Fenster.
„Hey, ich habe dir ein Armband von Chrome Hearts geschenkt, da darf man doch ein Date verlangen!“ Er meinte es nicht ernst und lachte.
„Ich wollte kein Armband von Chrome Hearts!“
„Also, ein Date.“
„Mr J…“
„Gute Nacht Harley.“ Das Fenster fuhr wieder hoch und weg war er, ohne Skye die Chance des Wiederspruchs zu geben.
Als sie auf das Loft zulief, sah sie, dass bereits alle Lichter aus waren. Hier muss man fair sein und darauf hinweisen, dass Skye Super Junior noch nicht lange kannte. Mia wäre nie darauf rein gefallen und hätte sich eher ein Hotelzimmer genommen, als unvorbereitet in die Höhle des Löwen zu laufen.
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, wurde sie von einer Taschenlampe angeblendet.
„Hey!“, beschwerte sie sich und suchte nach dem Lichtschalter. Nicht nur Eunhyuk, Leeteuk und Siwon waren auf, nein, Heechul und Kyuhyun saßen ebenfalls dabei.
„Was soll das?“
Es war spät, sie wollte nur schlafen gehen und der Abend war nicht so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte.
„Du wohnst jetzt hier“, begann Kyuhyun.
„Und deswegen passen wir auf dich auf“, machte Siwon weiter.
„Wir sind deine Oppa“, freute sich Eunhyuk.
„Oppa!“, kam ziemlich vorwurfsvoll von Skye zurück geschossen und Eunhyuk fiel das Lächeln gerade wieder aus dem Gesicht.
„Okay… das Oppa sollten wir lassen …“, flüsterte er zu Leeteuk.
Nichts desto trotz wollten die Kerle wissen, was jetzt gewesen ist und Skye erklärte ihnen, dass sie nur Kakao trinken waren. Das befriedigte die Tratschweiber nicht wirklich.
„Wie lange geht das schon mit dir und GD?“
Kyuhyun hatte sich verkehrt herum auf den Stuhl gesetzt und machte einen auf ‚böser Bulle‘.
„Ehm … ich bin seit vier Tagen hier… wie lange soll das gehen? Vor allem geht da gar nichts.“
„Vielleicht ist er ja der Grund, wieso du hier her gekommen bist“, versuchte Eunhyuk Kyuhyun zu retten, der gar keine Rettung brauchte.
„Du verlierst keine Zeit, ist das vielleicht deine Intention? Sich ein Idol zu schnappen?“, machte Kyu weiter.
„Ich wohne mit fünf Idols zusammen, hätte ich dann nicht hier angefangen? Ich meine Siwon ist auch ganz passabel.“
Vielen schien das einleuchtend, nur Siwon hatte etwas auszusetzen.
„Was heißt denn ganz passabel?!“
„Boah dieses Ego…“, stöhnte Heechul – gerade von ihm!
Selbst Kyuhyun schmunzelte einen Moment zu lange.
„Aiight, ich weiß nicht was ihr jetzt macht, aber ich geh schlafen.“
Damit ging sie nach oben in ihr Zimmer und hinterließ fünf irritierte Super Junior Mitglieder.
„Manchmal ist sie Mia sehr ähnlich und dann irgendwie gar nicht“, bemerkte Eunhyuk.
„Ihr Herz ist nicht frei“, kam es von Siwon, der damit alle Blicke zu sich zog.
„Was meinst du damit?“, fragte Leeteuk.
„Gestern habe ich sie nach ihrem Zuhause gefragt und sie gab mir die Adresse vom Nimmerland. Etwas ist mit ihr, sie ist traurig, auch wenn sie es gut überspielt. Als Mia zu uns kam, ist sie auf ihre Zukunft zu gerannt. Bei Skye habe ich das Gefühl, als würde sie vor ihrer Vergangenheit wegrennen.“
Ein Schweigen legte sich über sie, auch wenn Siwons Worte nicht für jeden Sinn ergaben. Eunhyuk war der Meinung, dass es doch klar war, dass wenn man auf etwas zu rennt, man auch gleichzeitig von etwas anderem weg rannte. Leeteuk verstand hingegen sehr gut was Siwon meinte. Wie oft lachte er, wenn ihm nicht nach Lachen war?
„Das ist zu deprimierend, ich dachte es ist Spaß wieder bei euch zu wohnen.“
Motzig stand Heechul auf und ging ebenfalls auf sein Zimmer.
Skyes Nacht war recht kurz. Allein schon weil sie nicht einschlafen konnte. Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt Jiyong anzurufen, um sich von ihm etwas vorlesen zu lassen. Nach nicht mal drei Stunden Schlaf stand die Amerikanerin wieder auf den Beinen und verließ das Loft, bevor jemand anderes wach war. Sie wusste das Kyuhyun es nicht ernst gemeint hatte, sie mochte es nur noch in Schubladen gesteckt zu werden. Diese Idols machten ihr mehr Angst, als alles andere. Sie ließen Skye einfach so in ihre Welt und kannten sie gar nicht, sie vertrauten darauf, dass sie ein guter Mensch war – und wenn nicht?
In der U-Bahn Station holte sie sich etwas zu essen bei Tous Les Jours und fuhr dann quer durch die Stadt zur Akademie.
„Oh, Skye, gut das du da bist. Hier nehm die Liste und check ob alle da sind.“
Mia drückte ihr ein Clipboard in die Hand mit ungefähr 20 Namen drauf, inklusive ihrem eigenen. Na da konnte sie ja schon mal einen Haken machen. Warte. Heute stand Blut spenden auf dem Programm, die ganze Akademie würde zusammen zum Blut spenden gehen und Skye wohl auch. Sie zuckte mit den Schultern. Ob man in Korea auch Kekse bekam?
Eine halbe Stunde später war das Gewusel groß. Sie bekamen alle T-Shirts mit dem Logo der Akademie und ihren Namen drauf und dann fuhren sie mit mehreren Vans los.
Die Blutspende fand in Hongdae beim koreanischen Roten Kreuz statt. Der hauseigene Fotograf durfte nicht fehlen und dokumentierte die ganze Aktion. Natürlich spendete man Blut für die gute Sache, doch man wollte es auch verbreiten und zeigen, dass man was tat.
Es gab eine Theke mit Snacks und Getränken, da nicht alle gleichzeitig Blut abgenommen bekommen konnten. Skye blieb in Mias Nähe, die zum Glück noch nichts zu Jiyong gesagt hatte.
Schließlich war Skye an der Reihe und gespannt schaute sie auf die Kanüle. Manchmal glaubte sie, dass ihr Blut grün sein müsste oder blau oder Silber. Silber wäre schön. Aber nein, sah alles normal aus.
„Was steht heute noch an?“, fragte Skye, als sie fertig war.
„Nichts, wir waren gerade Blut spenden. Heute wird nur noch ausgeruht, geshoppt und gegessen.“
Damit konnte Skye leben und nachdem alle wieder in der Akademie waren, fuhren Mia und Skye zur Rodeo Road um Mittag zu essen.
„Also, Jiyong …“
Mia hatte das taktisch gut gemacht. Sie hatten so viel zu Mittag gegessen, dass Skye gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre zu fliehen.
„Super Junior haben gestern Nacht auf mich gewartet.“
„Natürlich haben sie das“, erwiderte Mia grinsend. Dann schwiegen sie wieder.
„Ji kann sehr intensiv sein“, fing Mia wieder an.
„Oh ja, das kann er.“
„Magst du ihn?“
„Ich … keine Ahnung, ich kenne ihn ja gar nicht. Ich weiß nur, dass ich im Moment niemanden kennenlernen möchte.“
Nun stutzte die Deutsche.
„Das kann man manchmal nicht entscheiden.“
Was sie damals für Gewissenskämpfe wegen Donghae hatte. Sie hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt, doch das Herz machte ohnehin was es wollte. Alles hatte nichts geholfen, wobei die Monate mit Jihoon auch intensiv waren. Aber Jihoon war nicht Donghae gewesen und es hatte eine einfache Frage einer Stewardess gebraucht, damit Mia das erkannte. Fleisch oder Fisch? Der Flug gemeinsam mit Jihoon war danach alles andere als angenehm gewesen.
„Doch, ich kann das.“ Und damit war für Skye das Thema beendet.
Der Rest des Tages war total entspannt. Etwas shoppen, ein Kaffee hier, ein Stück Kuchen dort. Mia erzählte, dass sie sonst nicht so viel Freizeit hatte, durch die drei Kinder, die gerade in der Schweiz waren.
„Wie ist es für die Kids mit all dem aufzuwachsen?“
„Ach na ja, sie sehen jeden als Familie an, jeder ist Onkel oder Tante. Sie kennen alle. Die Zwillinge sind auch oft mit Tablos Haru zusammen. Aber unter uns, wenn ich nicht die Mutter von ihnen wäre, würde ich sie hassen. Sie sind so selbstsicher und frech und besserwisserisch. Wenn sie auf eine normale Schule gehen würden, würde man sie ständig kopfüber in eine Mülltonne stecken“, lachte Mia und Skye ebenfalls. So hörte man selten Eltern über Kinder reden.
Als Skye nach Hause kam war tatsächlich mal keiner da. Sie traute der Ruhe jetzt nicht mehr so schnell und schaute in alle Zimmer, doch die Männer waren tatsächlich ausgeflogen. Mia hatte ihr noch zwei Verträge von Zulieferern für die Restaurants per Mail geschickt, die Skye auf komische Klauseln checken sollte. Also bestellte sie sich eine Pizza, machte den Livestream der ISS an und machte sich mal einen ganz entspannten Abend. Ohne Jiyong, auch wenn sie sich dabei ertappte, wie sie öfters als sonst das Handy aktivierte, um zu schauen, ob sie neue Nachrichten bekommen hatte.