Was sowohl Siwon, als auch Skye verdrängt hatten, war das um 0 Uhr Siwons Geburtstag war und was taten Super Junior bei Geburtstagen? Richtig, feiern.
Mia war zwar gegangen, doch nur um sich mit den anderen im Keller zu treffen. Nachdem sich die Sänger so beschwert hatten, dass sie eine geheime Bar im Keller hatten, empfand Mia es als passend die Party für Siwon dort stattfinden zu lassen. Sie hatten zwei Kellnerinnen aus Mias und Donghaes Restaurant bestellt und Jiyong hatte einen DJ besorgt. Die kleine Bar reichte natürlich nicht für all die Gäste, doch der Keller war groß und so hatten sie auf dem Flur und in dem Nebenraum Tische und Sitzgelegenheiten aufgestellt.
Damit nicht 60 Leute im Loft einfielen, gaben sich Super Junior die Ehre Siwon zu überraschen. Siwon hatte zwar reinfeiern wollen, doch der Schedule der Kollegen war offiziell so stressig, dass er sich dagegen entschlossen hatte. In Wirklichkeit hatten sie alle schon ab 21 Uhr frei gehabt und hatten alles vorbereitet. Inzwischen waren sie schon echte Party-Profis geworden.
Mia und die anderen Mitglieder gingen also um kurz vor Mitternacht ins Loft. Mia streckte den Kopf durch die Wohnungstür, doch es war ganz ruhig gewesen.
„Also entweder schläft er … oder ist nicht da“, flüsterte sie den anderen zu.
„Schlafen tut er im Leben nicht. Ich habe doch gesagt wir hätten einen Aufpasser da lassen sollen“, beschwerte sich Heechul. Mia bedeutete ihm ruhig zu sein und schlich sich zu Siwons Tür. Es wäre wirklich ärgerlich, wenn er jetzt nicht da war, doch ihr Gesicht erhellte sich, als sie das gleichmäßige Schnaufen hörte. Siwon schnarchte nicht richtig, er röchelte so ein wenig. Mia fand es niedlich – was sie natürlich nie Donghae sagen würde.
Sie gingen auf Position. Sungmin war bereit die Musik im ganzen Loft aufzudrehen. Leeteuk war der Uhrenmeister und um Punkt 0 stürmten sie jubelnd in das Schlafzimmer. Doch was sie da fanden war sowas von nicht vorhersehbar gewesen, dass sie alle gleichzeitig in ein schockiertes Schweigen fielen. Dabei hatten Skye und Siwon sich mindestens genauso erschreckt.
Fünf Minuten später war Mia mit Skye auf ihrem Zimmer. Skye hatte die Party total vergessen und musste sich natürlich umziehen.
„Hör auf so zu gucken, wir haben nichts gemacht“, verteidigte sich Skye als sie Mias Blick sah.
„Wir waren Freunde und ich vermisse ihn und es war niemand da.“
„Ihr wart nie Freunde, ihr wart zwei Menschen, die anfingen sich ineinander zu verlieben und dann kam Jiyong und jetzt seid ihr irgendwas dazwischen“, kommentierte Mia. „Jetzt bist du verheiratet mit Jiyong und sollst eine falsche Affäre mit Kai haben, wir brauchen hier nicht noch einen Kerl involviert. Schlaf bei Kai, das ist mir egal. Wir hatten Glück, dass es nur die Jungs waren, die reingeplatzt sind. Wenn du irgendwann von Jiyong geschieden bist und wenn du mit Kai offiziell Schluss gemacht hast, dann kannst du gerne bei Siwon schlafen. Mit ihm auch meinetwegen. Aber bis dahin hast du Siwon-Arrest.“
Skye merkte sie ihre Wangen rot wurden bei der Vorstellung mit Siwon …
„Du hast Recht, es tut mir leid. Ich war high auf Medikamenten und alleine und ich wollte kuscheln …“
„Schon gut. Und jetzt mach dich fertig, dein Ehemann und dein Freund warten unten.“
Skye hätte gut und gerne die ganze Nacht geschlafen, doch die zwei Stunden hatten ihr zumindest wieder etwas Energie gegeben. Die anderen waren schon vorgegangen. Nur Mia hatte gewartet bis sie fertig war und Skye erfuhr, dass die Party im Keller stattfand und vorhin, als alle sich verabschiedet hatten, sie sich im Keller wieder eingefunden hatten.
„Ihr habt Geheimnisse vor mir?“, entrüstete sich Skye. So Medikamente machten sie sensibel, egal in welche Richtung.
Als sie das Loft verlassen hatten, hatte man nur ganz leise Musik gehört, doch je näher sie kamen, umso lauter wurde es und tatsächlich fand im Keller eine riesige Feier statt. Skye fragte sich wann das alles passiert war und wie das so komplett an ihr vorbei gegangen war.
Jiyong und Kai kamen gleichzeitig auf sie zu. Skye schaute von einem zum anderen und dann tauschten die beiden einen Blick aus und blieben stehen. Da war es, das Liebesdreieck. Nun musste sie entscheiden. Sie wählte Kai.
Jiyong schaute den beiden nach, als sie zur Bar gingen. Er wusste wieso sie es tat und es war okay. Sie hatten sich darauf geeinigt und es würde den Fokus von ihm ablenken. Eigentlich war er niemand, der gerne teilte – vor allem nicht seine Freundin. Doch die Dinge überschlugen sich und Jiyong befürchtete, dass die Dinge irgendwann eine Eigendynamik bekamen, die er nicht mehr stoppen konnte. Sie waren schon mit viel zu viel davon gekommen, irgendwann würde sie jemand erwischen und es war ihm herzlich egal, ob EXO dachte, dass er und Skye Schluss gemacht hatten. Sie alle waren ihm egal, außer Mia und Donghae und seine Bandkollegen natürlich, seine Freunde und Vertrauten, doch alle anderen? Sollten sie denken was sie wollten.
Kai hingegen hatte auch begriffen was Skye tat. Er musste sie wie die Frau behandeln, mit der er zusammen war oder zumindest fast. Dabei fand er sie unheimlich attraktiv und witzig. Meistens brauchte sie keine Worte, nur Blicke. Es reichte vollkommen aus Skyes Gesicht zu beobachten. Manchmal stand sie mit offenem Mund da und bewunderte etwas und manchmal stand auf ihrer Stirn förmlich ‚Arschloch‘. Wenn Jiyong nicht wäre, hätte er sich wahrscheinlich an sie heran gemacht. Aber Jiyong war eben Jiyong und er würde nicht ohne weiteres sein Vertrauen ausnutzen.
Er holte ihr ein Bier, als Jiyong ihr etwas ins Ohr flüsterte und weg zog.
Skye folgte ihm in eine Ecke, in der niemand stand.
„Wieso willst du eigentlich morgens keine Omeletts?!“, fuhr er sie wütend an.
„Weil ich Omeletts nicht leiden kann! Ich mag lieber Rühreier!“, keifte sie zurück.
„Du hast meine Omeletts noch nie probiert!“
„Das brauche ich auch nicht! Ich. Mag. Sie. Nicht!“
„Wie kann man so engstirnig sein?!“
„Ach, schau wer hier redet! Du bist doch Mister Engstirnig! Du bist so engstirnig, das du eigentlich piepsen müsstest, wenn du den Mund auf machst, wie ein Luftballon!“
Jiyong musste sich stark zurück halten nicht zu lachen. Der Streit war völlig banal, doch das war irrelevant. Durch die laute Musik konnte sie niemand hören, die anderen hörten nur dass sie sich stritten und es reichte, dass Baekhyun, Sehun und D.O in der Nähe standen und ständig zu ihnen rüber schielten.
Theatralisch fuhr er sich durch die Haare.
„Gut, wenn du meine Omeletts nicht willst, dann wirst du auch keine mehr bekommen!“
„Meinetwegen!“
Dann drehte er sich um und stapfte aus dem Raum.
Der Streit schien zumindest echt rüber gekommen zu sein, denn als ein paar Minuten später Kai zu ihr kam, stand ihm wirkliche Sorge ins Gesicht geschrieben. Er nahm sie bei der Hand, was für Korea schon eine ziemlich intime Berührung war, doch sie waren unter Freunden, also wäre es nichts Ungewöhnliches, wenn sie wirklich dabei waren sich näher zu kommen, wenn er sie bei der Hand nahm. Auch das entging den Bandkollegen nicht.
Im Flur hatte sich Skye auf einen Absatz im Mauerwerk gesetzt und Kai stand zwischen ihren Beinen. Das war dann eigentlich etwas zu intim für Korea, aber was sollte man erwarten, wenn man sich mit einem Ausländer einließ?
„Über Omeletts?“, fragte er und lachte fröhlich.
„Er will immer Omeletts machen und ich mag sie einfach nicht. Pancakes, Pancakes mit Ahornsirup – kein Problem, aber Omeletts? Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes, weder Rührei, noch Pfannkuchen“, erklärte sie und lachte mit. Gut, das zweite Bier hatte auch sein Wohl getan. Schmerzmittel + Bier = billig betrunken.
„Aber alles gut, wir haben das so geplant und ich denke, dass es nicht unbemerkt blieb.“
Sie musste sich gar nicht umgucken, um zu wissen, dass sie von mindestens der Hälfte der Leute neugierig beäugt wurden.
Gegen 2 Uhr morgens hatte Kai Skye nach oben gebracht. Sie hatte überlegt zu Jiyong zu fahren, denn er hatte ihr eine Nachricht geschickt, dass sie nicht selbst fahren, sondern sich ein Taxi nehmen sollte. Eigentlich wäre sie gern zu ihm fahren, doch sie war einfach völlig erledigt und froh, als sie in ihrem Bett war. Skye ging in das Badezimmer, um sich umzuziehen und als sie zurückkam, saß Kai noch immer auf ihrem Bett.
„Alles okay?“, fragte sie ihn.
„Ja, ich will es nur etwas spannend machen für die da unten“, erwiderte er grinsend. Wahrscheinlich waren sie schon Gesprächsstoff Nummer 1 auf der Party und je länger Kai weg blieb, umso verrückter würden die Vermutungen werden.
„Dann kannst du jetzt auch bleiben, bis ich eingeschlafen bin“, meinte Skye und legte sich hin.
„Ist das okay für dich?“
Sie hob nur die Decke hoch.
„Ich bin ganz mies im ‚alleine schlafen‘, also ja, es ist okay.“
Und was war passiert? Na klar, Kai war ebenfalls eingeschlafen. Skye wachte gegen 7 Uhr auf und fand den Sänger noch immer bei sich im Bett. Verschlafen schaute sie auf die Uhr und stellte fest, dass es Morgen war. Sie musste ihn wecken, dabei sah er so niedlich aus, wenn er schlief. Nein, sie musste ihn rausschaffen, bevor die anderen aufwachten.
„Pssst ….“
„Hmmm?“
„Kai, du musst nach Hause.“
„Hm?“
Vorsichtig öffnete er ein Auge, dann wurde er sich seiner Umgebung bewusst und saß senkrecht im Bett.
„Sag nicht dass ich eingeschlafen bin!“
„Okay, dann sag ich es nicht“, erwiderte die Amerikanerin.
Skye verließ als erstes ihr Zimmer und durchsuchte fachmännisch das Loft nach wachen Menschen ab. Also entweder war die Party noch im Gange oder die Partygäste lagen völlig erschöpft in ihren Betten.
Kai schlich sich an ihr vorbei und schaute sich auch um, bevor er leise die Treppe runter schlich. Als er die Tür erreichte winkte er ihr zum Abschied lächelnd zu und Skye erwiderte seine Geste. Sie blieb auf dem Geländer stehen und sah, wie die Tür langsam zufiel, als unter ihr Siwon zum Vorschein kam. Er schaute nach oben und ein ziemlich finsterer Blick traf sie. Man! Konnten die nicht einfach alle schlafen?!
Skye eilte runter und auf Siwon zu, doch er winkte nur ab.
„Ich will es nicht hören.“
„Doch, willst du“, beharrte Skye und zog ihm am Ärmel mit sich vor die Tür.
Mit verschränkten Armen stand er vor ihr.
„Okay, ich erzähle dir jetzt etwas, was du gar nicht wissen solltest, doch ich erzähle es dir, weil es mir nicht egal ist, was du über mich denkst und weil ich weiß, dass du es nicht erzählen wirst.“
An seiner leicht genervten Miene änderte sich nichts und er ließ es auch unkommentiert.
„Kai und ich inszenieren eine Affäre um die Presse von ihm und Krystal abzulenken. Selbst seine Bandkollegen wissen es nicht. Krystal wird sehr aufdringlich und Kai leidet sehr darunter und lieber hasst sie mich, als das sie ihn die ganze Zeit belästigt und es lenkt von Jiyong und mir ab. Es läuft also nichts zwischen uns und zwischen uns“, und damit deutete sie zwischen ihm und sich hin und her, „darf auch nichts laufen, ich hab Siwon-Arrest bekommen.“
„Siwon-Arrest, aha.“
„Wegen gestern.“
„Schon klar, weil wir uns wieder näher gekommen sind.“
„Als Freunde“, bemerkte sie.
„Natürlich. Und du erzählst mir das jetzt, weil du mir weiterhin näher kommen willst?“
„Nein, das darf ich nicht.“
„Wegen Jiyong.“
„Nein, wegen Kai.“
„Ach und es ist okay für Jiyong, wenn wir in einem Bett schlafen?“
Darüber musste Skye kurz nachdenken. Sie war definitiv noch nicht wach genug für ein Gespräch dieser Art.
„Nein!“ Natürlich wäre es nicht okay für Jiyong.
„Also noch mal: Wieso erzählst du mir das?“
„Weil ich nicht will dass du denkst das ich mich durch Idol-Town hure und damit du siehst, dass ich nur versuche Kai zu helfen.“
„Hurst du dich durch Idol-Town?“
„Nein, dass versuche ich dir ja zu sagen.“
„Und dir und Jiyong hilft die Geschichte nicht?“
„Ein wenig vielleicht.“
„Du willst jetzt nicht gelobt werden, oder?“
„Nein.“
„Okay.“
Und damit drehte er sich um und hinterließ eine völlig verwirrte, von Kopfschmerzen geplagte Skye.
Eines war klar gewesen: In das Loft ging sie vorerst nicht wieder rein. Dadurch eröffneten sich verschiedene Probleme. Zum Beispiel hatte sie nichts dabei, keinen Schlüssel, kein Handy, kein Geld. Und sie trug einen Pyjama. Und Monsterhausschuhe. Und sie hatte Hunger. Könnte es eigentlich noch schlimmer kommen?
Skye blieb vor der Tür sitzen und bald hörte sie Stimmen. Leeteuk verließ als erster, ungefähr eine Stunde später – Skye konnte es nicht genau sagen, sie hatte ja keine Uhr – das Loft und der Bandleader erschreckte sich zu Tode, als er plötzlich Skye sah.
„Oppa, kannst du mir einen Gefallen tun?“ Sie spielte die ‚Oppa‘-Karte. Sie wusste es und genau so wusste es Leeteuk.
„Kannst du bitte in meinem Zimmer meine Handtasche holen?“
„Wieso … wieso gehst du nicht selbst rein?“, fragte er verdutzt.
„Bad juju“, erwiderte sie. „Please … Oppa?“
Damit gab er sich dann geschlagen.
Er verschwand also wieder im Loft und kam nach ein paar Momenten wieder raus, mit der Handtasche, in dem alles Wichtige drin war, inklusive ihrer Medikamente.
„Danke. Sag mal, Oppa, wo fährst du hin?“, fragte sie mit einem zuckersüßem Lächeln.
„In die Akademie“, sagte er unsicher.
„Sehr gut, kannst du mich mitnehmen?“
Leeteuk betrachtete sie von oben bis unten.
„Du bist im Pyjama.“
„Das ist korrekt“, pflichtete sie ihm bei.
„Und du hast Hausschuhe an.“
„Auch das ist korrekt.“ Skye bemerkte, dass Leeteuk eine hervorragende Auffassungsgabe hatte.
„Ich nehme dich so nicht mit, geh rein und zieh dich an.“
„Geht nicht. Und als wärst du in der Position mich zu kritisieren. Du bist als Lady Gaga aufgetreten. Vor deiner Mutter.“
Das war eine gemeine Argumentation. Super Show war Ausnahmezustand. Seine Mutter verstand das – oder doch nicht? Jedenfalls merkte er, dass wehren sinnlos war und nahm sie mit in die Akademie.
„Sag mal, was ist mit dir und Siwon?“, fragte Leeteuk auf dem Weg.
„Kann ich nicht drüber reden.“
„Und was ist mit dir und Kai?“
„Kann ich nicht drüber reden“, erwiderte Skye, doch dann grinste sie ihn an.
„Mein ‚Manager‘ hat gesagt, dass ich darüber nicht reden soll.“
Leeteuk fing an zu lachen.
„Dein Manager, so so, dann bekommst du bestimmt bald einen Assistenten.“ Wäre schließlich nicht die erste Assistentin, die eine Assistentin bekam.
„Die Position wäre noch frei – ich leg ein gutes Worte in, wenn du dich bewerben solltest“, erklärte sie grinsend.
„Ich werde darüber nachdenken, schließlich habe ich 20 Jahre Berufserfahrung als Kindergärtner“, gab er grinsend zurück.
Glücklicherweise hatte Skye Klamotten in der Akademie. Ironischerweise den Panda-Hoodie, den ihr Siwon in Shanghai geholt hatte. Dazu eine Sport-Leggings und kuschelige Stiefel und schon sah sie wieder normal aus.
Sie kam gerade aus der Umkleide, da kam ihr Mia entgegen. Die Deutsche wollte gerade ansetzen sie zusammen zu stauchen, da hob Skye besänftigend die Arme, wie als wenn man sich einem Tiger nähern würde oder einem Stier.
„Ganz ruhig, ich bin nicht zum Arbeiten da, ich habe nur Klamotten gebraucht.“
Mit dieser Aussage konnte Mia natürlich nichts anfangen und stutzte.
„Nein, ich will es nicht wissen“, beschloss sie und ging einfach weiter. In all den Jahren, die Mia nun in Korea lebte, hatte sie gelernt, dass es gut war manchmal einfach nicht alles zu wissen.
Die Amerikanerin blieb jedoch nicht in der Akademie und lief zu Kona Beans. Heute war es recht mild, es war nicht so bitter kalt und die Sonne schien. Bald würde es Frühling sein. Zum Glück hatte Skye die Big Bang Jacke noch im Büro gehabt, denn für ohne Jacke war es noch zu kühl.
Sie freute sich schon auf die warmen Sommernächte, wenn sie am Hangang rumhängen konnten oder in Roofbars. Skye liebte Seoul bei Nacht, es bekam ein ganz anderes Gesicht und egal um welche Uhrzeit man draußen war, die Stadt schlief nie. Im manchen Vierteln schon, ja, aber wenn man Gesellschaft suchte, fand man sie auch. Und wenn man alleine sein wollte, gab es auch genug Plätze. Aber noch war es nicht soweit und so frühstückte Skye bei Kona Beans.
„Skye, wie geht es dir? Ich habe von dem Unfall gehört!“
Frau Park kam gerade erst die Tür rein und ließ alles stehen und liegen, um zu Skye zu eilen.
„Alles so weit gut, eine leichte Gehirnerschütterung und viele blaue Flecken, aber das wird schon“, sagte sie zuversichtlich. Schön, dass sie sich selbst nicht anschauen konnte, aber anderen sagte alles werde gut.
Die Mama setzte sich zu ihr und holte sich ebenfalls einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Skye hatte keinen Laptop, der war Zuhause und so freute sie sich über die Gesellschaft.
„Ist bei euch Zuhause alles in Ordnung?“
„Ja, so weit. Ich weiß dass sie sehr beschäftigt sind mit der Promotion und den Vorbereitungen für die Super Show. Wollen wir nicht nächste Woche Sonntag alle zusammen im Loft kochen? Also die ganzen Eltern und Super Junior … ich gehör da ja nicht dazu …“
Frau Park kniff sie in den Arm.
„Du nennst mich Mama, du gehörst dazu. Aber das ist eine schöne Idee! Ich sag den anderen Bescheid.“
Skye stellte sich vor, wie die ganzen Super Junior Eltern auf Line eine eigene Gruppe hatten. Verzweifelte Idol-Eltern.
Skye verbrachte den Mittag auch noch bei Kona Beans. Ihr Ipad war in der Handtasche und so nutzte sie die freie Zeit, um Filme und Serien zu gucken, die in den letzten Wochen auf der Strecke geblieben waren.
Gegen 14 Uhr rief Jiyong sie an.
„Wo steckst du?“
„Bei der Park Mama“, erwiderte Skye. Selbst Jiyong wusste inzwischen schon, was das bedeutete.
„Hast du schon zu Mittag gegessen?“
„Nein, noch nicht.“
„Okay, weil Minsuk würde gerne mit uns Mittag essen gehen.“
Super, jetzt musste sie sich doch Klamotten kaufen gehen. Weder mit Panda-Hoodie, noch mit Big Bang Jacke würde sie sich dem Gründer von YG Entertainment präsentieren.
„Gebe mir … eine Stunde – warte, wo gehen wir essen?“
„In der Nähe von der Rodeo Road.“
„Perfekt, eine Stunde okay? Schick mir die Adresse.“
Und dann legte sie auf, es war keine Zeit zu verlieren.
Auf der Rodeo Road würde sie Klamotten finden und auf dem Weg dorthin machte sie kurz Halt im Face Shop und bei Etude House. Anfangs war sie total überfordert mit den unterschiedlichen Marken gewesen. Alle hatten ein eigenes Konzept und man musste sich einfach mal durch probieren. Das war zum Glück in Korea kein Problem. Man konnte so ziemlich alles testen und die Verkäuferinnen waren super geduldig. Liedschatten kaufte Skye gerne bei Etude House oder Nature Republic. Bei Club Clio landete sie für Lippenstift und Nagellack. Ihren Eyeliner holte sie bei Face Shop und ihre Handcreme bei Tony Moly.
Mit Gesichtscremes tat sie sich schwer. Sie hatte so ein Feuchtigkeitsgel von Club Clio, aber das war auch keine Creme. Eigentlich war Nivea ihr am liebsten und Skye bestellte sie im Internet.
Sie hatte sich in den Läden direkt geschminkt, was nun auch nichts Ungewöhnliches war. Skye war fasziniert davon, wie sich etliche Frauen in der U-Bahn schminkten. Ihr wäre das viel zu unruhig, anfahren, bremsen, Kurven. Ihr Eyeliner würde bis hinter’s Ohr reichen.
Nachdem das Gesicht gerichtet war, brauchte sie Klamotten. Auf der Rodeo Road gab es drei Läden, auf die Verlass war. Sie fand eine schwarze, zerrisse Jeans unter die sie eine Strumpfhose mit Blumenmuster anzog und eine weite rosafarbene Bluse, die sie vorne in die Hose stecke – so trug man es ja heutzutage. Dazu schwarze, halbhohe Stiefel mit etwas Absatz. Die Assistentin betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Ja, so konnte man mit Yang Minsuk essen gehen. Nach etwas suchen fand sie einen grauen Strickmantel, der zum Rest des Outfits passte. Sie schielte auf die Uhr, noch 5 Minuten!
Jiyong hatte ihr die Adresse geschickt, es war nur eine Straße weiter. Auf dem Weg rief sie ihn an, dass sie an sein Auto müsste – schließlich hatte sie in den Einkaufstüten ihre alten Klamotten und wollte die nicht mit sich rum schleppen. Am Eingang des Restaurants empfing er sie.
„Wo ist dein Auto?“
„Zuhause“, erklärte sie ihm. Heute Morgen hätte sie sich auch noch nicht fit genug gefühlt um Auto zu fahren, wenn sie ehrlich zu sich war.
Die beiden verstauten die Tüten in seinem Wagen und gingen dann wieder zurück. Das Restaurant lag in einem Hinterhaus und war eines dieser hochgestochenen, koreanischen Restaurant wo einem Streetfood als exklusiv verkaufte. Die Frau am Empfang führte sie in das Separee, in dem Yang Minsuk bereits wartete. Skye verbeugte sich tief.
„Es ist mir eine Ehre Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Jones Skye“, verstellte sie sich vor und schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln.
„Bitte, du musst nicht so förmlich sein, wir sind doch jetzt schließlich eine Familie.“
Skye verbeugte sich erneut und nahm dann neben Jiyong Platz.
Sie hatte keine Meinung zu Yang Minsuk gehabt, doch er wirkte sehr sympathisch und verstand sich sehr gut mit Jiyong. Sie lachten und plauderten fröhlich über Dinge, in die Skye nicht involviert war. Aber er sprach auch oft Skye an und fragte sie nach ihrer Meinung. Minsuk war wie ein netter Onkel, dem man alles erzählen konnte und Skye wusste, dass es die richtige Entscheidung von Jiyong gewesen ist, es ihm zu erzählen.
Nach dem Essen bestellten sie Espresso. Bisher hatte er das Thema ‚Vegas‘ nicht aufgegriffen, doch das sollte sich ändern.
„So, mit einem vollen Magen lässt sich viel besser über Geschäfte reden“, begann er und stellte die Tasse ab.
„Was habt ihr zwei Idioten euch dabei gedacht?! Los zu rennen, nach Vegas und zu HEIRATEN?! Wisst ihr was los wäre, wenn die Presse davon Wind bekommen hätte? Wenn irgendjemand davon Wind bekommen hätte? Ich weiß überhaupt nicht, wie man in eurem Alter so verantwortungslos sein kann! Wie habt ihr euch das vorgestellt?! Ich sage euch, ihr bekommt das wieder hin, ihr holt euch Anwälte und regelt das, schnellstmöglich und Gnade euch Gott, falls nicht!“
Jiyong und Skye zuckten diverse Male zusammen. Skye dachte daran, wie lustig es wäre, wenn jetzt die Presse hier irgendwo wäre – dann hätte Yang Minsuk es selbst ausgeplaudert und könnte nicht mehr sauer auf Skye und Jiyong sein. Es war einer dieser Gedanken, die sie nicht aussprach.
„Tut uns leid“, erwiderten sie gleichzeitig. Skye tat es nicht wirklich leid. Sie waren betrunken gewesen. Jiyong hingegen war eine Person des öffentlichen Interesses. Er war ein Vorbild, doch war er auch Mensch. Auch er durfte Fehler machen – sofern sich das Ganze als Fehler herausstellte.
So viel zum Thema ‚netter Onkel‘. Das hatte sich dann wohl auch erledigt.
„Gut, dann wäre das geklärt. Ihr wisst was ihr zu tun habt. Skye, es war sehr nett dich kennen gelernt zu haben.“ Er lächelte sie an, stand dann auf und ging. Das Paar saß starr da, völlig paralysiert. Erst als sie sich sicher waren, dass Herr Yang weg war, drehten sie sich gleichzeitig in die Richtung, in die er verschwunden war.
„Oh my god – is he always like that?“, fragte Skye, die an der Begegnung mit Doktor Jekyll und Mr. Hyde noch eine ein wenig zu knabbern hätte.
„Eigentlich nicht“, erwiderte Jiyong.