Skye kehrte nicht zurück auf die Party. Stattdessen durchsuchte sie das Internet und stieß auf einige fiese Kommentare. Manche waren okay und zwischen drin gab es tatsächlich Leute, die sie als Paar süß fanden. Aber die fiesen waren teilweise ziemlich fies und reichten von ‚Er hat so einen schlechten Geschmack bei Frauen‘ bis hin zu ‚Ausländer Ficker‘. Skye wurde immer unsicherer, ob diese ganze Kiste wirklich die beste Lösung gewesen ist. Irgendwann hätte man ihn und Krystal vergessen und SM Entertainment hätte mit Krystal vielleicht reden können.
All das machte sie zu deprimiert, als das sie noch weitere Kämpfe heute überleben würde und so blieb sie im Apartment.
Kai hingegen bemerkte irgendwann, dass Skye weg war. Zuerst machte er sich keine Sorgen, doch irgendwann fragte er sich rum.
„Sie hatte sich mit Krystal gestritten und hat sie platt gemacht! Ernsthaft, Skye ist super schlagfertig. Sie hat gesagt, sie wollte etwas checken und seither habe ich sie nicht mehr gesehen“, erklärte Jimin. Kai suchte den Raum nach Krystal ab, die mit Sunny bei der Treppe stand. Ihre Blicke trafen sich. Er konnte sich vorstellen, was passiert war. Skye tat zwar gerne so, als würde ihr all das hier nichts ausmachen, aber tief drinnen war sie sensible und versuchte das zu verstecken.
„Oh, sag bloß dir ist die Freundin weggelaufen?“, flötete die Sängerin, als Kai zur Tür ging. Er ging zwei Schritt auf sie zu und hob seinen Zeigefinger.
„Treib es nicht zu weit! Ich habe dich immer mit Respekt behandelt, doch jetzt ist Schluss. Ich habe noch all deine Nachrichten und wenn die SM in die Hände fallen, bist du genauso schnell weg wie deine Schwester!“
Um sie herum hatten alle Gespräche aufgehört, alle hielten die Luft an. Sie hatten einen Kodex untereinander, sie waren eine Familie. Jeder sagte Dinge, die er später bereute oder von denen er zumindest nicht wollte, dass die Manager davon erfuhren. Sie lieferten einander nicht aus oder nur in gravierenden Situationen.
„Das würdest du nicht wagen!“
„Find’s heraus!“
Er drehte sich um und verschwand aus der Tür.
„Skye?“, rief er, als er in der Wohnung ankam.
„Hier oben!“ Unweigerlich ging sein Blick hoch an die Decke. Das war Blödsinn, Skye konnte nicht fliegen. Kai ließ seinen Blick durch das Loft streifen und sah, dass ein Fenster oben beim Schlafzimmer offen war. Er steckte seinen Kopf durch das Fenster und sah, dass hier eine Leiter angebracht war, dass alle Stockwerke miteinander verbanden, wobei Skyes Wohnung im obersten Stockwerk lag. Vorsichtig stieg er raus, doch das Geländer sah ziemlich neu aus. Die Leitern reichten nicht bis auf den Boden, sondern nur bis zum 1. Stock. Von dort aus musste man die Leiter runterlassen – sonst könnte ja jeder ein und aus gehen.
Er stieg die Leiter nach oben und fand Skye auf dem Dach. Aus Paletten stand hier eine Sitzecke, sogar mit Rückenlehne und Tisch. Dazu standen zwei große, anscheinend Outdoor-Leuchten hier und das ganze wurde von einem großen Schirm überdacht.
„Wo kommt das denn her?“, fragte er erstaunt.
„Den Schirm habe ich gefunden und aus den Paletten meiner Möbel habe ich die Sitzecke und den Tisch gemacht. Die Lampen habe ich gekauft“, erklärte sie schulterzuckend.
„Du hast das selbst gebaut?“
„Ja, ich und meine Bohrmaschine.“ Skye hasst diese Frauen, die so abhängig von Männern waren. Die noch nicht mal in der Lage waren kleine handwerkliche Arbeiten alleine zu stemmen. Ihre Mutter und sie hatten alleine gelebt, es gab kein Mann im Haus und Skye hatte es gehasst ständig Leute nach Gefallen zu bitten. Bis sie damit aufgehört hatte. Viele Sachen waren gar nicht so schwer, nur vor Strom hatte sie Angst, das war ihr zu komisch. Ein paar Paletten miteinander zu verschrauben war nun nicht die komplizierteste Arbeite gewesen und war recht schnell gegangen. Sie hatte sogar noch Paletten. Okay, gut, die Möbelaufsteller hatten ihr die Paletten nach etwas Wimpernklimpern hoch auf’s Dach getragen. Skye hätte das auch gekonnt, war nur zu faul gewesen.
„Du bist wirklich Wahnsinn“, sagte Kai grinsend und Skye öffnete die Decke. Schlauerweise hatte sie sich eine Heizdecke untergelegt und mit der dicken Decken obenrum, war es eigentlich ganz gemütlich. Sie hatte einen Mehrfachstecker, der Wasserdicht war – angeblich, Skye glaubte so Sachen nicht und so hatte der Stecke ein Plastikhaus bekommen unter den Paletten. Sie hatte das eher für Handyladekabel und Lichterketten installiert, aber die Heizdecke tat es auch. Sie hatte sie sich geholt, als sie in die Wohnung eingezogen war. Sie war flauschig und rosa und Skye hatte sich gedacht ‚Man weiß ja nie‘.
Kai legte den Arm um sie.
„Wieso bist du weg?“
„Krystal … wie hat gesagt, dass es so viele böse Kommentare über uns geben würde und dass ich nie richtig dazu gehören werde, dass ich immer der Ausländer blieb. Und dann habe ich online geschaut und da sind böse Kommentare … wirklich böse Kommentare.“
Skye fühlte sich albern, weil sie sich so von Krystal beeinflussen ließ. Sie sollte da drüberstehen. Aber eigentlich ärgerte sie nicht Krystals Kommentar, sondern dass sie Recht hatte.
„Ja, du wirst immer der Ausländer bleiben, aber das heißt nicht, dass du nicht dazu gehören wirst. Du gehörst zu mir. Und wegen den Kommentaren … lese sie nicht. Sie schreiben genauso abfällig, wenn Sehun eine falsche Farbkombi anhat oder wenn Baekhyun wieder mal frech geworden ist. Sie sind hart und verurteilend, aber das sind sie auch nur, weil sie sich hinter dem Internet verstecken können. Von Angesicht zu Angesicht würden sie sich das nie trauen. Deswegen lese sie nicht.“
Skye seufzte und lehnte sich an ihn.
„Geht es dir besser?“
„Ein wenig“, gab die Amerikanerin zu.
„Was kann ich tun, damit es dir noch besser geht?“
„Du könntest dein Shirt ausziehen – dein nackter Oberkörper hat eine beruhigende Wirkung auf mich.“
Kai lachte und gab ihr einen Kuss.
In dieser Nacht mussten sie noch bei sich selbst einbrechen. Mia hatte auch nach Skye und Kai gesucht und hatte auch in Skyes Wohnung angefangen. Kai hatte die Tür nicht geschlossen und so war Mia in die Wohnung gekommen. Sie hatte nicht gerufen, so groß war das Apartment nicht und Mia war der Meinung, dass ihre Augen noch gut genug waren, um Skye in der Wohnung ausmachen zu können. Doch Skye hatte sie nicht gefunden, dafür stand ein Fenster auf und es war schon ziemlich kalt, also hatte sie es geschlossen. Skye und Kai hatten davon natürlich nicht mitbekommen und als sie irgendwann wieder rein wollten, war das Fenster zu.
Skye stand seufzend vor dem Fenster. Sie hatte keine Ahnung wer in der Wohnung gewesen ist oder das Kai die Tür hat aufstehen lassen.
Es gab nun 2 Optionen:
Sie könnten jemanden anrufen, der sie rein lässt
Sie könnten über’s Dach zum Pit oder zum Loft gehen und hoffen, dass sie dort jemand rein lässt
Sie könnten die Feuerleiter benutzen und einmal um’s Haus laufen
Sie entschieden sich für Option Nummer 3. Skye wollte ihre geheime Roofbar noch nicht teilen, außer mit Kai vielleicht. Also hangelten sie sich die Leitern hinab, bis sie auf der Rückseite des Komplexes den Boden berührten. Das Gelände war ziemlich groß und so waren sie schon einen Moment unterwegs, bis sie vorne am Tor ankamen. Und da saß natürlich keiner. Für das Tor brauchte man einen Pieper und der lag natürlich drinnen.
„Alles funktioniert mit Codes nur dieses Tor nicht“, stellte Kai fest.
„Karma’s a bitch.“
Also liefen sie zwei Straßen weiter, zum Eingang der Bat-Höhle – da gab es wieder Zahlencodes. Das Tor zur Tiefgarage öffnete sich und sie gingen runter. Ein langer Gang führte geradewegs zur Tiefgarage unter der Fabrik. Skye war hier unten noch nicht gewesen und fand es etwas gruselig. Der Weg schien unterirdisch viel länger zu sein, obwohl er eigentlich kürzer sein musste, weil es nur geradeaus ging.
Doch dann fing Kai an zu singen und es hallte von einem Ende bis zum anderen. Skye bekam große Augen, das war super von der Akustik und sie stieg direkt mit ein.
In der Überwachungszentrale der Fabrik saß Mia vor den Monitoren, weil sie Skye suchte. Sie hatte Skye auch gefunden und auch Kai, aber was zum Teufel machten sie da? Es gab nur eine Bildüberwachung, keine Tonüberwachung, doch es machte den Anschein, als würden sie singen.
Es war Skyes offiziell erster Tag als EXO Assistentin. Brummend machte sie den Wecker aus. Kai lag neben ihr und zog sie enger an sich heran.
„Noch fünf Minuten …“
„Du hast tatsächlich noch fünf Minuten“, stellte sie fest und befreite sich schweren Herzens aus seinen Armen.
Der Pit war tatsächlich recht aufgeräumt und Skye bezweifelte nicht, dass Mia heute Nacht die Jungs noch gescheucht hatte. D.O saß am Küchenblock und aß … ja, so genau konnte Skye das nicht definieren, wahrscheinlich Ei. Er sah ihren skeptischen Blick.
„Ich muss mich gleich ausziehen, da gibt es nur Eiweiß und Vitamine.“
„Manchmal verstehe ich nicht wieso ihr diesen Job macht“, gab sie zu und D.O nickte.
Sie waren unterwegs, bevor die anderen wach waren und fuhren zu dem Studio etwas außerhalb von Seoul. Selbst GQ war Seoul wohl zu teuer geworden. Eigentlich hieß es immer, dass sich alles in die Großstädte verlagert und dass die ländlichen Regionen immer unbewohnter werden. In Korea war es genau anders herum. Weil die Ballungsgebiete wie Seoul, Busan und Daegu immer teurer in Mietpreisen und Grundversorgung wurden, zogen immer mehr Leute wieder raus aus den Städten, um für das gleiche Geld größere Wohnung zu bekommen. Viele nahmen es in Kauf dadurch längere Wegzeiten zu haben, viele suchten sich aber auch Jobs außerhalb. Immer mehr Großfirmen verlagerten sich ebenfalls außerhalb, so dass attraktive Arbeitsplätze geschaffen wurden. Es gab schon ganze Stadtteile in Seoul, die völlig unterbevölkert waren. Die Städte förderten hier soziale Projekte, um die Häuser zu renovieren und die Viertel wieder neu zu bevölkern, doch Forscher gingen davon aus, dass in 20 Jahren die Großstädte Korea 1/3 ihrer Bevölkerung verloren hätten. Im Ballungsraum Seoul waren das sage und schreibe 7 Millionen Menschen.
GQ wurde von Doosan herausgegeben, ebenso wie die Vogues, das W und die Allure. Doosan war ein ziemlich großer Konzern, die vor allem in Energietechniken investierten. Außerhalb von Namyangju hatten sie ein ziemlich großes Gebäude, wo nicht nur die Redaktionen und die Verwaltung der Magazine saßen, sondern auch die Fotostudios.
Heute wurde allerdings nicht drinnen geschossen und gemeinsam fuhren sie mit dem Team etwas raus, in die Berge und D.O wurde zum Holzfäller – mit offenem Hemd, versteht sich. Skye tat er wirklich leid. Heute schien zwar die Sonne, aber die sommerlichen Temperaturen waren noch lange nicht da. Es gab eine kleine verlassene Holzhütte, die das Team als Umkleide, Stylingzentrum und Cafeteria eingerichtet hatte. Sie hatten Tee und Suppe und immerhin hatte einer daran gedacht Heizungen aufzustellen.
In den kommenden Stunden war D.O am Holzhacken gewesen, stand im Fluss, um Fische zu fangen und nahm ein Sonnenbad auf einer Wiese. Skye war von all dem wenig begeistert, mit so einem Shooting hätte man auch noch vier Wochen warten können.
„Geht es dir wirklich gut? Ich sag das hier auch ab“, hatte sie ihm irgendwann angeboten, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Nein, schon gut, ich hatte schon schlimmere Shootings. Wenigstens stehe ich nicht unter einem Wasserfall.“ Das war wahrer Optimismus.
In den freien Minuten sprang er auf und ab oder machte andere Übungen, um warm zu bleiben. Er hatte auch einen tollen Körper, aber irgendwie tangierte er Skye nicht so, wie Kai. Das war auch gut so, aber es Skye fand es interessant zu beobachten.
Nach dem Fotoshooting ging es zurück in die Akademie. Die meisten trainierten, doch Kai hatte sich ins Tonstudio verzogen, um an einem Song zu arbeiten. In zwei Stunden würde Skye mit Suho, Chen, Baekhyun und Sehun für ein Fanmeeting in einem Restaurant von BBQ Chicken fahren. EXO warben für die Restaurantkette und diese hatte ein gemeinsames Essen mit den vieren verlost. 50 Fans waren geladen und wahrscheinlich würden viel mehr Fans draußen stehen und hoffen, dass sie ein Blick auf die Sänger werfen konnten.
Skye setzte sich zu Kai ins Studio und hörte sich den Songtext an.
„Was ist?“ Er sah ihren Gesichtsausdruck und der war nicht glücklich.
„Es ist okay, aber … Musik ist die Verbindung von seinem Künstler zu seinen Fans. Ein Song ist eine Geschichte. Ich würde die Texte persönlicher machen, diese bla bla ich lieb dich so sehr und kann nicht ohne dich leben gibt es viel zu oft. Du willst herausstechen. Du willst ihnen deine Geschichte erzählen, also tu das. Sing von deinen Zweifeln, davon dass du dich weiterentwickeln willst, davon, dass man dich nicht unterstützt wie andere, weil man nicht so an dich glaubt. Don’t hate but share your thoughts and fears, your joy and your passion und dann werden die Leute dir auch abnehmen, was du singst. Und keine Songs über uns. Du hast deinen Fans erklärt, dass Kai der Künstler ist, der seinen Fans gehört und das Jongin der Mensch ist, der sich verliebt hat. Belass es dabei, trenne es, sonst kommen sie sich betrogen vor.“
Er hörte ihr aufmerksam zu und zog sie dann auf seinen Schoß.
„Wieso bist du eigentlich kein Produzent geworden?“ Für ihn machten ihre Worte viel Sinn, obwohl er es noch nicht so betrachtet hatte, plötzlich sah er dieses Projekt mit anderen Augen. Er musste seinen Horizont erweitern.
„Damit ich süße Kerle babysitten kann.“
„Nennst du mich jetzt Jongin … oder Kai?“ Sie hatte ihn das Gleiche gefragt, doch nun wollte sie es wirklich trennen, privat und beruflich, da er nun auch zu ihrem wirklichen Privatleben gehörte. Ihre Blicke hielten aneinander fest und die Zeit schien stehen zu bleiben.
„I think I’ll go with Jongin – es ist ein schöner Name.“ Dieses ganze ‚Skye‘ und ‚Kai‘ und ‚Skai‘ machte sie irre. Wenn man nicht richtig hinhörte fühlte man sich immer angesprochen.
„Gefällt mir“, erwiderte er grinsend und sein Blick fiel auf ihre Lippen. Kurz bevor sie sich küssten fuhren sie erschreckt auseinander, weil Baekhyun von außen an die Studioscheibe geklopft hatte – um nicht zu sagen gehämmert.
„Kai, wir brauchen dich für die Choreo“, sagte er nur knapp und drehte sich dann um.
Baekhyun, Chen, Sehun und Suho mussten noch duschen und sich umziehen und dann fuhren sie gemeinsam mit dem Van zu dem Restaurant. Sie parkten in der Parallelstraße und nahmen einen kleinen Weg zwischen Gebäuden, um zu dem Hintereingang von BBQ Chicken zu kommen. Zwei Angestellte und drei Securitys hatten sie empfangen und führten sie durch die Küche in ein kleines Büro. Der Filialleiter begrüßte die Band überschwänglich und sie schossen Fotos mit dem älteren Mann und seinen Mitarbeitern.
„Wir haben einen abgesperrten Bereich für euch und ein Büffet für die Fans. Bitte begrüßt die Fans und erzählt etwas über eure Zusammenarbeit mit BBQ Chicken. Dann gibt es das Essen und später haben die Fans noch eine Möglichkeit Autogramme zu bekommen“, erklärte Herr Lee, der Filialleiter.
„Wie ist der Zeitablauf?“, erkundigte sich Skye.
„Nun, wir lassen die Fans jetzt rein, dann begleiten die Sicherheitsleute EXO zu ihrem Bereich, ich denke mit dem Essen circa eine Stunde und danach noch eine Stunde für die Autogramme?“
Die Amerikanerin nickte. Youngjun hatte ihr geschrieben, dass sie nicht ewig dort bleiben sollten, doch zwei Stunden waren okay.
Bevor sie zu den Fans gingen, sagten die Sänger den Köchen und den Servicekräften ‚Hallo‘ und ließen Selfies mit ihnen machen. Skye mochte es, dass sie recht bodenständig waren. Sie meckerten nicht über Essen, dass sie aussuchte und solang man ihnen nicht zu sehr auf die Pelle rückte, kamen sie auch mit anderen Menschen gut klar. Skye war ja schon genervt, wenn Leute mit ihr Fotos machen wollten. Vor allem in China war das schlimm, in Korea und Japan ging es, aber in China füllte sie keine Ahnung wie viele Familienalben.
Sie konnten draußen schon die aufgeregten Fans hören. Im Gegensatz zu Amerika benahmen sich die Fans ja tatsächlich halbwegs. Es gab kein hysterisches Schreien und kein Geschupse, was Skye sehr begrüßte. Nichts desto trotz hielt sie sich im Hintergrund. Einige Fans hatten ihr finstere Blicke zugeworfen. Ihr persönlich war es egal, aber sie war hier als EXOs Assistentin und nicht als Skye.
Kurz bevor das Meeting fertig war, war Skye in die Küche gegangen und gefragt, ob sie für die anderen EXO Mitglieder etwas zu essen mitnehmen könnte. Herr Lee sprang sofort auf und bestellte alle möglichen Sachen.
„Meinen Sie nicht das ist etwas zu viel?“, fragte Skye, als sie sah, welche Massen da eingepackt wurden.
„Na ja, es sind neun junge Männer, wir wollen sie satt bekommen.“
Satt und kugelrund, aber sie trainierten auch viel und Youngjun war nicht da, also ließ Skye es durchgehen. Sie bedankten sich und fuhren zurück in die Akademie.
Die anderen hatten nicht damit gerechnet, dass sie Essen mitbringen würden und waren völlig aus dem Häuschen. Suho, Sehun, Chen und Baekhyun hingegen konnte kein Essen mehr sehen, so viel hatte sie selbst gegessen.
An diesem Abend verteilten sich EXO in alle Himmelsrichtungen. Xiumin, Chen und Baekhyun nahmen ein neues CBX Album auf und gingen ins Studio. Lay hatte weiter Schauspiel-Training und Suho und Sehun blieben bei ihm.
Skye saß im Büro und schaute sich die Pläne der nächsten Tage an. Eigentlich war es okay, sie hätte es sich bei weitem stressiger vorgestellt. EXO hatten hier und da Termine, doch durch die Tour waren die Studiozeiten ausgebremst und ein Comeback würde es erst in ein paar Wochen geben.
Kai lehnte sich an die Tür.
„Und, was machen wir mit diesem Abend?“
Skye klappte den Laptop zu und grübelte.
„Warst du schon mal in Ihwa?“
Ihwa war ein Streetart Viertel am Naksan Berg. Kaum ein Haus war nicht bemalt. Das Viertel hatte kleine Gassen und Cafés. Tagsüber war es dort recht voll mit Touristen, aber abends war es leerer. Kai vermisste es sich frei bewegen zu können. Er konnte nicht einfach durch Myeongdong laufen oder auf die Karosugil gehen. Immer brauchten sie Hintereingänge und Privatzimmer. Es war der Preis, den man als Idol zu zahlen hatte und er liebte seinen Job, doch manchmal wünschte er sich, er wäre ein ganz normaler Mensch, den niemand erkennen würde.
„Das ist schon sehr lange her“, gab er lächelnd zu, mochte aber die Idee. Ihwa war cool, ein versteckter Diamant in Seoul und wahrscheinlich sogar halbwegs sicher für Idols. Es war eher eine Wohngegend, aber zwischen drin fand man ein Café und ein Restaurant und selbst wenn nicht, so konnte man einen romantischen Spaziergang an der alten Stadtmauer machen.
Dann schauten sie gleichzeitig aus dem Fenster. Aus der Traum von einem romantischen Spaziergang, Regen war angesagt. Gleichzeitig seufzten sie.
„Gemütlicher Abend Zuhause mit Film, Wein und einer Kuscheldecke?“, schlug Kai vor.
„Klingt super!“
Doch zuvor ging es zum Einkaufen. Skye wollte die Grundlebensmittel sowohl im Pit, als auch in ihrem Kühlschrank auffüllen. Sie fuhren in Star City in die Tiefgarage. Star City war ein Gebäudekomplex, bestehend aus vier Wohn-Hochhäusern, einem Bürogebäude und einem kleinen Einkaufszentrum. Wobei ‚klein‘ in Korea immer relativ war. In Star City gab es ein Kino, verschiedene Restaurants, ein paar Boutiquen und einen riesigen Lotte Mart. In Star City war auch das alte Dorm. Sie nahmen sich zwei Einkaufswagen und zogen los. Kais Vorstellung von Grundnahrungsmitteln war definitiv anders, als die von Skye, auch wenn er darauf achtete halbwegs gesunde Sachen einzukaufen. Sie kamen an der Haustierabteilung vorbei und Skye wurde etwas langsamer. Sie vermisste es ein Haustier zu haben. Haustiere waren Ruhepole. Egal wie stressig der Tag war, egal wie genervt man von der Welt war, wenn man nach Haus kam und wurde von seinem Haustier begrüßt, war alles etwas besser. Skyes Verstand siegte. Sie war viel zu wenig Zuhause, um sich zu kümmern und sie hatte ja auch gar keine Ahnung, wie lange sie bleiben würde und ein Tier ausreisefertig zu machen, dauerte von vorn herein drei Monate. Kai verfolgte ihren Blick.
„Schatz, denkst du schon an Nachwuchs?“
Sie grinste.
„Definitiv nicht – aber wenn wir Nachwuchs bekommen sollten, dann hoffe ich, dass er deine Haare hat – du hast tolle Haare.“ Sie wuschelte ihm über den Kopf. Er hatte in der Akademie geduscht und war nicht gestylt, so hatte Skye ihn am liebsten, jetzt war er Jongin und nicht Kai.
Mit einem vollen Kofferraum ging es in die Fabrik, sie wollten nur ganz kurz im Pit die Sachen abladen – zumindest war das der Plan.
„Skye! Gut das du da bist!“ Chanyeol kam praktisch auf sie zu gerannt.
„Wir bekommen diesen Fernseher nicht programmiert!“
Skye schaute zu Kai, dann wieder zu Chanyeol. Sie wollte schon fragen, ob sie wie ein Telecom Mitarbeiter aussah, seufzte aber dann und drückte Chanyeol die Einkaufstüten in die Hand.
„Räum das ein, ich schau nach dem Fernseher.“
D.O saß vor dem großen blauen Bildschirm, völlig hilflos. Skye nahm ihm die Fernbedienung ab und stellte erst einmal auf Englisch um. Ihr Koreanisch war gut, doch ihr Englisch war besser.
„Ihr müsst die digitale Suche starten, ihr hatten auf analog gestellt“, erklärte sie ihm und innerhalb von ein paar Sekunden erschienen die ersten Sender. D.Os Gesicht klärte sich auf.
„Wow! Danke!“
Natürlich mussten die 200 Sender noch geordnet werden und zwischen den drei Sängern entbrannte eine Diskussion, welche Sender wichtiger waren als andere. So viel zum Thema ‚gemütlicher Abend‘.
Als sie sich halbwegs einig waren, wollten Kai und Skye rüber in ihre Wohnung, doch als sie die Tür öffneten, stand Mia davor.
„Ah Skye, hast du kurz Zeit?“
Die Amerikanerin ließ die Schultern senken und Kai gab ihr einen Kuss.
„Hol mich dann ab“, sagte er und ging zurück zu den anderen.
Die beiden Frauen gingen runter in den Keller der Fabrik.
„Und, wie läuft es mit dir und Kai?“
„Gut. Es ist anders, als mit Jiyong.“
„Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Die beiden waren grundverschieden und natürlich sahen auch die Beziehungen anders aus.
„Er tut gut“, fügte Skye hinzu und Mia lächelte. Jiyong war ihr bester Freund, aber Kai war ihr Bambi. Sie wünschte beiden eine funktionierende Beziehung und eigentlich wünschte sie das auch Skye. Die Assistentin hatte genug durchgemacht. Mia konnte sich das Gefühlschaos in ihr kaum ausmalen. Sie hatte bisher nur ihren Hund verloren und ihre Großeltern, doch bei den Großeltern mütterlicherseits war sie noch jung gewesen. Sie hatte getrauert, vor allem um ihre Oma. Aber im Endeffekt hatte sie sie vielleicht drei, vier Mal im Jahr gesehen. Natürlich hatte Mia sie liebgehabt, aber sie hatte zu ihr nicht so eine emotionale Bindung wie zu ihrer Mutter oder ihren Tanten. Vor zwei Jahren war ihre Großmutter väterlicherseits gestorben, mit 91. Sie war ein Biest gewesen. Als Mia klein war, hatte ihre Oma bei ihnen gewohnt und sie war einfach nicht mit ihr klar gekommen. Sie war herrisch gewesen, biestig und gemein. Sie hatte Mias Mama das Leben zur Hölle gemacht und das hatte sie ihr lange nicht vergeben. Später, als ihr Vater neue Freundinnen hatte, war sie zum Lieblingsmenschen ihrer Oma geworden – wahrscheinlich, weil sie Mia als kleinstes Übel empfand. Sie war alt und sie konnte einer alten Dame auch nicht mehr böse sein. Mia war sofort nach Hause geflogen, zu ihrem Vater und seiner neuen Frau. Als sie so zusammensaßen und sich über ihre Oma unterhielten, sagte Mia offen, dass ihre Oma ein Biest war und vielen Menschen das Leben sehr schwer gemacht hatte, doch Anna – die Neue – sagte nur, dass sie Mias Oma nur als liebenswürdigen, dankbaren Menschen erlebt hatte. Mia glaubte seither, dass ihr Vater die falsche Oma aus dem Altersheim nach Hause geholt hatte. Mia hatte die Leiche nie gesehen, wer konnte schon sagen, wen sie da tatsächlich beerdigt hatten?! Ihre Oma mit Sicherheit nicht, die war wahrscheinlich nach Kuba geflogen um Drogengeschäfte zu machen.
Deswegen konnte sie sich nicht vorstellen, wie es war jeden geliebten Menschen innerhalb so kurzer Zeit zu verlieren. Wahrscheinlich würde sie auch denken, dass sie verflucht war.
Sie kam vor einer Tür zum Stehen.
„Wir sind hier unten schon ziemlich weit. Ich wollte dich nach deiner Meinung fragen, ob dir noch etwas einfällt.“
Skye hob die Augenbrauen, sie hätte nicht gedacht das ihre Meinung Gewicht hätte. Die Bar war fertig und auch die Kantine war gemütlich geworden. Mit Sitzbänken und Nischen und zwei großen Tischen in der Mitte, damit die Bands zusammen essen konnten. Mia erklärte ihr, dass die Restaurants Zugang zum Keller hatten, von der anderen Seite. Sie hatten Kellerräume und der Gang verband sie zu der Bar und dem Restaurant, doch immer, wenn etwas ‚geliefert‘ wurde, mussten die Kellner von der anderen Seite klingeln und jemand musste ihnen aufmachen. Die Türen hatten keine Klinken, so dass nicht einfach jemand hier rein spazieren konnte.
Als nächstes war der Wellnessbereich dran. Es gab einen Eingang für Frauen und einen für Männer. In den getrennten Bereichen gab es je drei verschiedene Becken und einen Massagebereich. In dem gemeinsamen Teil gab es sechs verschiedene Saunaräume mit einem großen Mittelbereich mit Bar. Es war ein Mini-Jimjilbang und Skye liebte es.
„Wir wollen es erst mal zwei Tage die Woche öffnen. Der Besitzer von dem Jimjilbang ein paar Straßen weiter stellt das Personal an diesen Abenden. Wir wollen von 20 – 3 Uhr öffnen, ich denke das ist die Zeit, wo die Idols es als ehesten nutzen.“
Das machte Sinn, sie könnten ja nicht 24/7 Personal stellen und dann kam keiner. Es waren bestimmt fünf oder sechs Leute erforderlich. Skye mochte koreanische Saune. Schwedische Sauna nicht so. Dieses wechseln von kalt und warm war ihr zu stressig, sie fror nicht gerne. Bei der koreanischen Sauna ging es um Wärme. Überall war es warm.
Dann gab es noch einen Fitnessraum und einen Pool. Der Pool war nicht so groß wie im Walkerhill, aber es reichte um seine Bahnen zu schwimmen. Überall hatten sie den Fabrik-Charakter erhalten, mit den Backsteinwänden und Stahlträgern, nur im Poolraum hatten sie die Decke gerundet und hatten einen Himmel an die Decke gemalt.
„Nächste Woche wird er gefüllt“, erklärte Mia und Skye konnte es kaum abwarten. Ein Pool! Yay!
Dann gab es noch den Wäscheraum mit sechs Waschmaschinen und sechs Trocknern. Skye kam es etwas vor wie die Vorbereitung auf die Apokalypse. Wenn es darauf ankam, mussten sie nie wieder die Fabrik verlassen.
Schließlich blieben sie vor einem Zimmer stehen, da wurde selbst Mia etwas hibbelig.
„Und das ist mein Geschenk an die Männer des Hauses“, sagte sie und machte das Licht an.
„Eine Spielhölle?!“ Skye lachte fröhlich.
Es gab Spielautomaten, diese Basketballautomaten, Air-Hockey, Billiard und diese Greifarm-Maschinen mit Plüschtieren. Dazu einen Getränkeautomaten.
„That’s is so crazy awesome!“ Jetzt war klar, dass die Bands nie wieder die Fabrik verlassen würden. Sie ging zu den Automaten.
„Da muss man Geld einwerfen?“
„Hell oh yes – irgendwie muss ich das Ganze ja finanzieren“, erwiderte Mia fröhlich und schmiss eine Münze in die Jukebox.
Skye zog ihnen eine Coke und sie setzten sich.
„Und, wie gefällt es dir?“
„Es ist super“, meinte Skye und schaute sich um.
„Nein!“
„Wie nein?“
„Ich brauche niemand, der mir sagt dass es super ist. Ich brauche jemanden, der mir sagt was fehlt.“
Mia gehörte zu diesen perfektionistischen Menschen, die nie zufrieden sein konnten.
„Mia, this is amazing and the others will love it. Maybe someday you’ll change something, maybe there are things which are not needed and you figure to replace them with .. I don’t know a ‚Fight Club‘ but for now it’s perfect.“
Manchmal musste man Perfektionisten sagen, dass sie etwas gut gemacht hatten, weil sie es sich selbst nicht eingestehen konnten. Mia schien über ihre Worte nachzudenken.
„Und dir fällt nichts ein, was noch fehlt?“
Skye seufzte genervt und stand auf.
„Alles ist perfekt. Wenn du etwas ändern willst, dann ändere es, aber solange werde ich einen gemütlichen Abend mit Kai verbringen.“
Skye ging in ihre Wohnung, um alles vorzubereiten. Sie verband den Fernseher mit iTunes, damit sie Zugriff auf ihre Mediathek hatte und machte Popcorn. Dann schrieb sie Kai, dass er kommen könnte. Die Antwort war unbefriedigend: ‚Tut mir leid, die Jungs wollten etwas trinken gehen und ich hatte keine Chance. Ich komme später.‘
Die Amerikanerin tippte genervt mit dem Zeigefinger auf der Arbeitsplatte. Es hätte so ein schöner Abend werden können!
Kurzentschlossen ging sie ein Stockwerk tiefer und klingelte bei Changmin. Sie dachte schon, dass er auch ausgeflogen wäre, doch dann öffnete er die Tür.
„Hey Nachbar – was tust du?“
„Ich … ehm … nichts?“
„Sehr gut, ich habe Film und Popcorn.“
Zuerst zog er die Augenbrauen zusammen, doch dann grinste er.
„Date night gone wrong?“
„Totally.“
Er nickte und ging mit hoch zu ihr.