Als Laila aufwachte, machte sie drei Entdeckungen.
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Sie war auf Seunghyuns Couch, eingekuschelt in einer weichen Decken
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Es war Morgen – oder Flutlichtstrahler standen vor dem Haus
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Vor ihr stand eine Tasche, auf der ‚Lala – Survival Pack‘ stand
Neugierig griff sie zu der Tasche und öffnete diese. Nicht nur dass sie Pflegeprodukte wie Shampoo, Zahnbürste und sogar Make Up fand, nein, es waren auch Klamotten darin und Unterwäsche, was ihr fast schon peinlich war. Dennoch wusste sie nicht ganz genau, wie sie in diese Situation gekommen war.
„ Ah guten Morgen! Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wie ein Stein schläfst?“
Seunghyun kam um die Ecke gebogen und Laila roch Kaffee. Er hatte einen Morgenmantel an und eine Pyjamahose. Sie hatte immer gedacht, dass Männer seines Alters nackt schliefen, doch vielleicht war er nur bekleidet, weil er wusste, dass er nicht alleine war. Laila streckte die Hand stumm nach dem Kaffee aus, die Tatsache dass er zwei Tassen in der Hand hatte, ließ sie vermuten, dass eine Tasse für sie war und er reichte ihr auch grinsend eine davon.
„ Wo sind alle?“
„ Wir haben den Film fertig geguckt, aber du hast so fest geschlafen, dass Jiyong dich hier gelassen hat. Ich denke er wird bald kommen.“
Laila war zwar der Meinung, dass er sie ruhig hätte wecken können, doch die Couch war ja anscheinend bequem, denn sie fühlte sich ausgeschlafen.
„ Findest du es komisch, was Ji und ich vorhaben?“, fragte sie den Rapper und nippte am Kaffee.
„ Na ja, wohl eher was er vor hat, du bist praktisch nur die Hauptdarstellerin des Ganzen.“
„ Du hast die Frage nicht beantwortet“, stellte sie fest und er hob erstaunt de Augenbrauen.
„ Für jemand der gerade aufgewacht ist, bist du schon ganz schön fit … Was soll ich sagen? Er ist mein Freund, aber er macht auch was er will. Unsere Meinung zählt da nicht wirklich. Immerhin hat er guten Geschmack bewiesen. Wir hatten gedacht er würde mit einem Lil’Kim Verschnitt ankommen.“
Laila lachte fröhlich und steckte ihn an.
„ Nur einen Hinweis gebe ich dir. Jiyong neigt dazu Menschen in seinen Bann zu ziehen. Es wird Zeiten geben, in denen du denkst, er sei in dich verliebt und vielleicht wird das auch zu einem gewissen Zeitpunkt zutreffen, doch er lässt sein Herz kommen und gehen und es verweilt nie irgendwo sehr lange. Lass dir also nicht das Herz brechen.“
„ Ich werde daran denken.“
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Seunghyun zeigte Laila sein Gästebadezimmer, damit sie duschen gehen konnte. Sie breitete den kompletten Inhalt ihres Survival-Packages aus und musste zugeben, dass Jiyong sich viel Mühe gegeben hat – ganz abgesehen davon, dass sie sich nicht erklären konnte, wo er all das mitten in der Nacht aufgetrieben hatte, noch wie er ihre BH Größe heraus bekommen hatte. Sie hatte ein Kleid, es war blau, im Jeansstyle, mit einem Jäckchen zum drüber ziehen, eine Strumpfhose und passende Boots, die für das momentane Wetter perfekt waren. Sie duschte also und machte sich fertig. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis ihre Haare trocken und einigermaßen gebändigt waren. Die Klamotten standen ihr gut und Laila betrachtete sich im Spiegel.
Lass dir nicht das Herz brechen … Seunghyuns Worte hallten in ihrem Kopf wider. Würde es darauf hinaus laufen? Würde sie sich in Jiyong verlieben, nur weil er sie umsorgte? Es wäre das ‚Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage‘, was ohnehin niemals eintraf. Sie hatte das Gefühl ohnehin schon viel zu tief in dieser ganzen Geschichte drin zu stecken, dabei kannte sie noch nicht einmal die Konditionen dieser Liebesgeschichte. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf, als sie Jiyong unten lachen hörte.
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Laila tänzelte die Treppe hinab und die beiden Männer hörten auf zu reden. Auf Jiyongs Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
„ Du siehst toll aus.“
„ Du hast einen guten Geschmack“, erwiderte sie.
„ Du hast einen tollen Körper.“
Seunghyun hingegen verdrehte die Augen.
„ Kommt schon ihr Turteltauben, Frühstück.“
Laila und Jiyong fingen beide an zu kichern und als Jiyong die Hand nach ihr ausstreckte, nahm Laila sie entgegen.
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Das Rumgealber hörte auf, als Laila auf dem Esstisch einen Umschlag fand, in dem sich tatsächlich ihr Vertrag befand. Jiyong sagte ihr, sie solle ihn in Ruhe durchlesen und begann dann mit dem Frühstück.
§1. Zu keinem Zeitpunkt, weder während der Vertragsdauer noch jemals danach, darf zugegeben werden, dass es diesen Vertrag gegeben hat, noch das die offiziellen Aussagen gegenüber den Medien der Unwahrheit entsprochen haben.
Laila zog die Augenbrauen hoch.
„ Ich unterschreibe einen Vertrag den es nicht gibt?“
„ Braves Mädchen.“
Sie zuckte mit den Schultern und las weiter.
§ 2. Während der Vertragslaufzeit unterliegt die Zeitgestaltung alleine dem Vertragsteller, welcher die Klientin frei verfügbar einsetzen kann, sei es auf Reisen, zu Events oder anderen Veranstaltungen.
§ 2.1. Auf Grund dessen ist es der Klientin nicht gestattet eine zeitaufwendige Arbeit anzunehmen oder zu studieren, da sich dies mit der Termineinplanung des Vertragssteller überschneiden könnte.
§ 2.2. Offiziell wird die Klientin in einer Marketingfirma angestellt sein. Um eine Glaubwürdigkeit gegenüber den Medien herzustellen, kann es erforderlich sein, dass in regelmäßigen Abständen Termine mit der Marketingfirma vereinbart und ausgeführt werden.
All das war noch in Ordnung, auch wenn Laila insgeheim gehofft hatte ihr Medizinstudium fort zu führen. In den weiteren Paragraphen gab es Klauseln über öffentliches Benehmen, Körperpflege und Mode. So konnte Jiyong zum Beispiel bestimmen was sie anzog. Da er sich heute in gutem Geschmack bewiesen hatte und sie bezweifelte, dass er ihr etwas vorschreiben würde, was ihren Ruf schädigen könnte, war das nicht weiter ein Problem.
§ 12. Während der Vertragslaufzeit bekommt die Klientin ein Haus zur Verfügung gestellt, um dort zu leben.
„ Ein Haus?“
„ Oh, du wirst es lieben“, war alles was Jiyong dazu sagte. Seunghyun hatte ein Ipad in der Hand und schien die beiden gar nicht wahr zu nehmen.
§ 16. Sexuelle Beziehungen sind erlaubt, jedoch ist hier dringlich § 1 zu beachten.
Kurz gesagt durfte sie keine Beziehung haben, denn eine Beziehung würde die Grundlage bedeuten, dass sie zugab, dass ihre Beziehung zu Jiyong nicht echt war. Sie würde immer diejenige sein, die einfach einen Seitensprung hatte. Unweigerlich dachte sie an Siwon. An Seitensprüngen war er sicherlich nicht interessiert – wenn er überhaupt in irgendetwas anderen als einer Freundschaft interessiert war. Doch auch darauf hatte sie sich einstellen müssen.
§ 16.1. Während sexueller Aktivitäten ist streng darauf zu achten, dass kein Video-, Photo- oder Tonmaterial entsteht.
§ 16.2. Sexuelle Beziehungen müssen offen gelegt werden, sollte der Antragssteller danach verlangen.
Laila überlegte, ob sie sich so ein Buch anlegen sollte, wie bei ‚Eiskalte Engel‘.
§ 28. Das monatliche Gehalt, dass der Klientin zur Verfügung gestellt wird, beträgt 16.000.000 Won.
Da hätte Laila fast ihre Tasse fallen lassen. Umgerechnet waren das 15.000 Dollar. Emotional kam sie sich vor wie die reichste Frau Koreas.
„ Du hast kein Verhältnis zu Geld, oder?“
Seunghyun sagte zwar nichts dazu, lachte aber kurz.
„ Wir gehen hier eine sehr enge und vertrauliche Geschäftsbeziehung ein. Ich möchte nicht, dass du bestechlich bist.“
Unter diesen Gesichtspunkte hatte er sicherlich Recht, doch für Laila war dies eine Summe, die außerhalb ihrer Konsumvorstellungen lag.
§ 28.1. Sofern die Klientin den Antragssteller auf Reisen begleitet, übernimmt dieser die anfallenden Kosten für Anreise, Übernachtungen und Spesen.
§ 32. Der Vertrag ist auf eine Länge von 12 Monaten beschränkt und kann danach, sollten beide Parteien einverstanden sein, um weitere Perioden von jeweils 12 Monaten verlängert werden.
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Es gab viel Blah-Blah im Vertrag, wie dass sie immer erreichbar sein musste, dass sie ihm sagen musste wohin sie ging, aber zum Beispiel auch, dass sie sich keine Shows angucken durfte, in denen er oder Big Bang auftraten. Er erklärte ihr hierzu, dass er als private Person anders war, als die öffentliche Person und dass er nicht wollte, dass sie den Dingen, die im Fernsehen gesagt wurden zu viel Aufmerksamkeit schenkte und dass er sie über alles informieren würde, was sie wissen musste. Ebenso war es ihr verboten auf Fancafés oder andere, ähnliche, Plattformen umher zu schwirren. Ihr Facebookaccount musste privat sein, Twitter durfte sie keines haben und wenn er es wollte, musste sie ihre Accounts löschen, aber mit all dem konnte sie leben und sie empfand es als legitim.
Eine halbe Ewigkeit verging, ehe sie den ganzen Vertrag durchgelesen hatte und schließlich erreichte Laila die letzte Seite.
„ Ich kann verstehen, wenn du noch etwas Bedenkzeit…“, begann er, unterbrach dann jedoch de Satz, als Laila ihre Signatur unter den Vertrag setzte. Jiyong zog zwar die Augenbrauen hoch, lächelte aber amüsiert.
„ Es war das Geld?“, fragte er neckisch.
„ Nein“, erwiderte sie grinsend.
„ Als ich her kam, dachte ich, ich tue das nur für mich. Um weg zu kommen, um neu anzufangen. Doch hier geht es um zwei Menschen und der andere Mensch, möchte einfach nur etwas mehr Freiheit und eine Person, mit der er Dinge gemeinsam bestreiten kann, ganz ohne sich zu verstecken. Diese Person möchte ich sein.“
Nachdenklich schaute der Rapper sie an und Laila wusste nicht, an was er dachte.
„ Du bist immer noch du. Der kleine, süße Junge mit diesem Funkeln in den Augen, der nichts als Blödsinn im Kopf hatte. Ich denke, wir werden viel Spaß haben und du, Mister, brauchst gar nicht anfangen zu grinsen, weil du denkst, ich sehe das nicht. Ich weiß sehr wohl, das Jiyong auch anders kann, aber ich denke ich komme klar.“
Seunghyun schaute nicht von seinem Ipad auf und hob nur ergebend die Arme, als Jiyong anfing fröhlich zu lachen.
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Sie frühstückten zu Ende, auch wenn es natürlich fragwürdig war ob um 1 Uhr mittags die richtige Bezeichnung tatsächlich noch ‚Frühstück‘ war.
Nach dem Essen wollte Jiyong Laila ihr Haus zeigen. Der Fahrer hatte die ganze Zeit vor der Tür gewartet. Die Frau fragte sich, ob das normal sei oder ob er nicht selbst fahren könnte, stellte es jedoch nicht in Frage.
„ Wieso ein Haus?“, fragte sie ihn. Eine Wohnung hätte es auch getan.
„ Nun, ein befreundeter, japanischer Architeckt ist in Tokyo sehr erfolgreich. Er entwirft Häuser, die auf wenig Fläche trotzdem viel Platz bieten – wie du weißt ist der Grundstückspreis in Tokyo und Umgebung sehr teuer und meistens bekommt man dann auch noch gesagt, wie hoch das Haus maximal sein darf. Vor einem Jahr kam er nach Korea und baute hier einige seiner Häuser als Vorführobjekte. Eines davon hat er mir geschenkt.“
War auch völlig normal, dass man mal ein Haus geschenkt bekam, aber auch das stellte sie nicht in Frage.
„ Und wieso wohnst du dort nicht?“
„ Ich habe eine große Wohnung. Seungri, Desung und Taeyang wohnen im gleichen Haus. Ebenso der Geschäftsführer von YG Entertainment. Ich mag es, wenn alle nah zusammen sind. Das Haus ist in Jungnim-Dong, sehr zentral also.“
Laila hätte gedacht, dass er der Typ ist, der auch gerne mal alleine ist, nicht erreichbar, doch sicherlich wusste er, wie er sich seinen Bandmitgliedern und der Familie entziehen konnte, wenn er das wollte.
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Der Fahrer fuhr in Richtung Innenstadt und überquerte beim Hauptbahnhof die Brücke. Von dort aus verschwanden sie in dem Gewirr enger Straßen, doch zentral war es. Zum Bahnhof und somit zur U-Bahn waren es vielleicht 10 Minuten zu laufen.
Der Wagen hielt vor einem futuristisch aussehenden Haus, was nicht ganz in die Gegend zu passen schien. Im Gegensatz zu den neuen, modernen Viertel von Seoul, die durch riesige Hochhäuser geprägt waren, standen hier noch kleine, alleinstehende Häuser, die zwar etwas in die Jahre gekommen waren, die auf Grund ihrer Lage, jedoch sicherlich gutes Geld brachten. Und mitten drin stand ein Häuschen, dass aussah, wie zwei Kartons, die man ineinander gesteckt hatte. Der eine Karton war beige, der andere aus Holz. Laila liebte moderne Architektur und oft verbargen sich hinter diesen einfachen, kubistischen Fassaden kleine Schätze. Das Grundstück war von einer Mauer umgeben, die knapp zwei Meter hoch und passwortgesichert war. Vor dem Haus war Platz für zwei Autos und als Laila rechts an der Seite vorbei schaute, sah sie eine kleine Terrasse und ein Stück Garten.
„ Willkommen Zuhause“, sagte er lächelnd und streckte die Hand nach ihr aus.
Heutzutage waren Schlüssel wohl aus der Mode gekommen. Jiyong gab einen Pin ein, der die Tür verriegelt und Laila betrat ihr Haus.
Wenn man hinein kam, stand man im Hauptraum, der durch eine Garderobe etwas abgetrennt war. Die Decke war hoch, doch über der Küche, begann die zweite Etage, die man über eine Treppe an der rechten Seite erreichte. Doch schräg oben, direkt neben dem Eingang, war auch schon ein offener Raum, von dem aus man in den Hauptraum hinunter gucken konnte.
Der Hauptraum bestand aus einem kleinen Wohnzimmer. Unter der Treppe war ein Regal, was bereits mit Büchern, DVDs und CDs gefüllt war. Davor stand ein kleines Sofa. Hinter diesem Bereich begann die Küche, darüber lag auch der 1. Stock. Ging man rechts herum kam man zu der Treppe die Y-förmig nach oben führte. Die rechte Abbiegung brachte einen in das kleine Zimmer, rechts über dem Eingang. Es war wohl als Fernsehzimmer gedacht oder zumindest hing hier ein riesiger Fernseher und der Boden war ausgelegt mit Sitzkissen. Es gab Schiebewände, durch die man das Fenster zum Hauptraum schließen konnte. Ging man die lange Treppe links nach oben, kam man zum Schlafzimmer. Der Boden war ausgelegt mit einem grauen, flauschigen Teppich, auf dem ein Futtonbett stand. Gegenüber stand ein Klavier an der Wand. Hinter dem Schlafzimmer lag das Ankleidezimmer. Laila staunte nicht schlecht, als sie dieses voll eingerichtet vor fand.
„ Ich dachte mir, dass du sicherlich nicht sehr viele Klamotten mitnehmen konntest – das Problem haben wir wohl gelöst.“
„ Du bist Alice.“
„ Alice?“
„ Alice Cullen, aus Twilight. Sie hat Bella und Edward ein Haus eingerichtet und den passenden Kleiderschrank dazu und Bella wollte eine Gebrauchsanweisung dafür haben.“
Der Mann fing an zu lachen.
„ Ich denke du weißt wie man einen Kleiderschrank bedient.“
Die Klamotten waren nach Farbe sortiert und es gab ein Regal für Schuhe, eines für Handtaschen und ein weiteres mit Schals und Tüchern. Unter dem Fenster an der gegenüberliegenden Wand stand ein Schminktisch, mit großem Spiegel und verschiedenem Make Up. Um ehrlich zu sein war es eine ganze Farbpalette von Lidschatten und Eyelinern.
Das Schlafzimmer lag also über der Küche und unter dem Ankleidezimmer lag ein Bereich mit Toilette, Badezimmer, einem Bereich in dem eine Waschmaschine und ein Trockner stand und Stauraum bot. Auf der anderen Seite zur Toilette und zum Bad war ein kleiner, länglicher Raum, dessen rechten Seite komplett verglast war und in dem ein kleiner Schreibtisch stand – ausgestattet mit einem I Mac.
„ Und das hier ist das Gästezimmer.“
Jiyong öffnete die Tür direkt neben der Haustür. Laila hatte es für einen weiteren Einbauschrank gehalten, doch unter dem Fernsehzimmer verbarg sich ein kleines Zimmerchen, in dem sie gerade so stehen konnte, das aber immerhin ein Fenster hatte.
„ Falls es dazu kommt, dass ich hier schlafe – oder auch wenn du Besuch bekommst – ist hier noch ein wenig Platz.“
Alles in allem war es ein tolles Haus. Es war offen und hell, hatte viele Fenster und viel Stauraum.
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Als sie mit der Hausbegehung fertig waren, setzte Laila sich an das Klavier und begann etwas zu spielen. Jiyong setzte sich lächelnd neben sie.
„ Die Jungs und ich hatten eine Wette abgeschlossen, welches Instrument du spielst. Ich habe gewonnen.“
„ Wie kamt ihr darauf, dass ich ein Instrument spiele?“
„ Du bist Koreanerin.“
Da grinste sie und ließ ihre Finger spielend über die Tasten fliegen.
„ Wer ist dein Lieblingspianist?“
„ Chilly Gonzales.“
„ Weißt du, das ist das Erfrischende an dir – du bist immer für eine Überraschung gut“, meinte er grinsend.
„ Wieso überrascht dich Chilly?“
„ Na ja, klassische Pianisten haben Vorbilder wie Lang Lang.“
„ Lang Lang ist was für Omas. Chilly Gonzales gibt dem Piano neuen Pepp. Er ist inspirierend, er macht mit dem Klavier das, was Lady Gaga mit Musik macht – das was niemand erwartet hat.“
Jiyong beobachtete da die Frau, die mindestens das nächste Jahr die Frau an seiner Seite sein würde. Viele hatten ihn gefragt wieso Laila, wieso nicht eine andere? Und er hatte geantwortet, weil sie etwas Besonderes sei und diese Aussage wurde in jeder neuen Facette, die er an ihr entdecke, bestätigt.
„ Chilly ist vielleicht mein Lieblingskünstler, aber das ist mein Lieblingsstück.“
Sie begann ‚The River flows in you‘ zu spielen, ein Stück von Yiruma, der tatsächlich Koreaner war. Seit es in Twilight zu hören war, war es das ‚Twilight-Lied‘, was Laila als Beleidigung für die Genialität des Stücks empfand. Zumal es 2001 veröffentlicht wurde und es hat Twilight gebraucht um der normalen Bevölkerung die Schönheit des Lieds zu vermitteln . Jiyong schloss die Augen und lächelte.
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„ Gefällt dir das Haus?“
„ Es ist traumhaft … ich danke dir.“
„ Ich möchte das du dich wohl fühlst.“
Man schenkte Leute Decken oder Kissen, um sich ‚wohl‘ zu fühlen, aber keine Häuser. Laila kam sich vor wie Wendy. Als Wendy mit Peter Pan ins Nimmerland kam, wurde sie von Tootles wortwörtlich abgeschossen. Sie lag bewusstlos im Gras und da die Verlorenen Jungs Angst hatten sie noch mehr zu verletzten, wenn sie Wendy bewegten, bauten sie ein Haus um sie herum, bis es ihr wieder gut ging.
„ Ich muss jetzt los ins Studio. Ich lasse dir Kunwoo hier, dann kannst du ins Hotel fahren und deine Sachen holen. Heute Abend gehen wir essen, um 20 Uhr, bis dahin kannst du dich etwas einleben.“
Jiyong erklärte ihr, das Kunwoo jetzt ihrer Fahrer wäre und sie ihn jederzeit anrufen könnte. Es war ungewohnt und komisch, zumal die Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Seoul wirklich ein Klacks war, doch wahrscheinlich würde sie anders denken, denn sie das erste mal von Fans mit Eiern beschmissen worden war.
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Die Sachen im Hotel waren schnell zusammen gepackt. Auch wenn das Zimmer traumhaft war, so hatte sie jetzt ihr eigenes, kleines Reich – und das musste etwas aufgepeppt werden.
„ Kunwoo, kennst du ein Möbelhaus oder einen großen Laden für Dekorationsartikeln?“
Was hatte sie erwartet? Es war ein Mann, doch er hatte eine Frau und die wusste ganz genau, wo Laila sich austoben könnte. Am Telefon navigierte Frau Park ihren Mann quer durch die Stadt, bis sie vor einem riesigen Möbelhaus standen.
Sie hatte Möbel, was schon mal ein Anfang war, aber die Wände waren weiß und alles wirkte etwas steril. Da Laila nun auf unbestimmt Zeit dort leben würde, würde sie etwas Farbe ins Spiel bringen. Der arme Kunwoo musste natürlich mit und sie hatten am Ende den ganzen Van voll. Sie hatte Gardinen und auch Gardinenstangen gekauft – von denen sie keine Ahnung hatte, wie sie diese befestigen sollte, doch ein Problem nach dem anderen. Sie hatte auch ein paar Bilder geholt für die Wände, Regale, eine Sitzbank, Steh- und Tischlampen, Kissen, Vasen und Kunstpflanzen, Tischläufer und Kerzen.
So schaffte man es auch den riesigen Van zu füllen – die Fahrt sollte sich ja lohnen.
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Kunwoo stellte sich als ihr persönlicher Dschinn mit mehr als drei Wünschen heraus, denn er blieb und half ihr die Bilder, Regale und Gardinen aufzuhängen. Laila mochte Farbe. Die Einrichtung war dezent und etwas peppige Farbe, wie pink- und türkisfarbene Gardinen und bunte Bilder taten der Inneneinrichtung gut. Sie hatte oben an das Fenster vom Schlafzimmer Blumentöpfe gehängt, die sie mit dieser dunkelgrünen Knautschmasse gefüllt hatte, in die sie Kunstschilf steckte. So hatte sie das Schlafzimmer etwas abgetrennt und es sah dazu noch ziemlich cool aus. Auf ihr Bett kam ihre Tagesdecke, die sie aus Amerika mitgebracht hatte und an die Wand kam die Retro-Sitzbank, mit geschwungenen Enden und sie brachten ein paar futuristische Regale an der Wand an, die eine Würfelform hatten.
„ Das sieht ziemlich cool aus“, meinte Kunwoo, als sie fertig waren.
„ Danke. Ich hatte noch nie so viel Platz, aber ich habe immer darüber nachgedacht, wie ich es einrichten werde.“
„ Ich denke Jiyong wird es auch gefallen. Er mag ausgefallene Sachen.“
Deswegen mag er ja auch mich – die koreanische Ausländerin , dachte sie, sprach es jedoch nicht aus, da sie froh war, dass Kunwoo sie wohl als Koreanerin akzeptierte.
Allerdings war bei der ganzen Aktion die Zeit verflogen. Als Laila auf die Uhr schaute, war es kurz vor 19 Uhr und um 20 Uhr sollte sie beim Abendessen sein – dachte sie. Denn gerade in diesem Moment erhielt sie eine SMS von Jiyong ‚Sorry, schaffe es mit dem Essen nicht, melde mich später‘. Obwohl sie keine echte Beziehung hatten, fühlte sie sich versetzt und verletzt. Kunwoo schickte sie damit in den Feierabend und schmollig begann sie ihren Koffer auszupacken.
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Doch nur weil Jiyong keine Zeit hatte, hieß das nicht, dass der Abend verloren war. Plötzlich war Zeit um etwas zu klären, was sie so nicht mehr weiter führen konnte: Siwon. Sie schrieb ihm eine Nachricht und fragte, ob sie sich später treffen könnten. Der Sänger schrieb ihr zurück und sie verabredeten sich für später im Ttuskeom Resort. Laila machte sich soweit fertig und fuhr schon mal in das Studentenviertel, um sich etwas zu essen zu holen, denn Arbeit machte bekanntlich hungrig.
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Es war kurz nach 22 Uhr. Nervös schaute Laila auf die Uhr.
„ Denkst du etwa, ich würde dich versetzen?“
Sie drehte sich um und lächelte, bevor Laila daran dachte, wieso sie ihn sehen wollte. Sie wollte es beenden, bevor es angefangen hatte, dass durfte sie nicht vergessen.
„ Gehen wir ein Stück?“ Siwon schaute sich etwas nervös um. Es waren zwar nicht mehr viele Leute hier unterwegs, doch es brauchte auch nur eine falsche Person.
„ Natürlich.“
Schweigend gingen die weiter Richtung Osten. Hier wurde der Hangang-Park dunkler und weniger besucht um diese Uhrzeit und wenn nur von Leuten, die sich genau so vor den Augen anderer verstecken wollten, wie sie selbst. Plötzlich rutschte Laila auf etwas aus und bevor sie sich fangen konnte war er da und hielt sie in seinen Armen.
„ Alles okay?“ Er schaute besorgt zu Laila. Er war zu nah und ehe sie sich versah küsste sie ihn, nur um erschrocken den Kuss zu beenden.
„ Entschuldige … ich hätte das nicht machen dürfen“, sagte sie, noch immer in seinen Armen.
„ Da hast du Recht … ich hätte das machen sollen.“ Und er lehnte sich zu ihr. Lailas Lippen öffneten sich unter seinen und sie umklammerten sich wie zwei Ertrinkende, die den letzten Rest ihrer Luft zusammen ausschöpfen wollten. Ihr Kopf war benebelt, er war so warm, seine Lippen so zart, doch in ihrem Hinterkopf reifte ein Name, der sich ausbreitete wie ein Geschwür: Jiyong.
Abrupt endete sie den Kuss.
„ Ich muss … ich sollte gehen.“
Laila gab ihm keine Chance noch etwas zu sagen, sie entriss sich seinen Armen und rannte, als wäre der Rote Stier hinter ihr her.