Als Skye an diesem Morgen aufwachte, hatte die Welt sich verändert. Sie hatte sich verändert. Sie lag in Jongins Armen. Noch schlief er ganz ruhig. Sie hatten eine lange Nacht gehabt, verübeln konnte sie es ihm nicht. Sie hatte nie gedacht, dass sie jemand wäre, der Sex so nahe an sich ranließ, doch mit ihm fand sie den Unterschied in ‚Having sex‘ und ‚Making love‘, denn das war es gewesen. Sex war bisher Spaß gewesen. Spaß auf den sie ungerne lange verzichtete. Spaß bei dem ihre eigenen Bedürfnisse im Vordergrund standen. Doch mit ihm war es anders. Sie waren eins gewesen. Skye vertraute ihm, konnte sich fallen lassen. Es gab dieses Lied von Joe ‚All the things‘ und in der Bridge gab es die Zeile ‚Nothing can be sweeter than the sound of making love‘ und diese eine Zeile lief in Skyes Kopf auf repeat.
Nie hatte sie damit gerechnet so zu empfinden, für ihn so zu empfinden, nicht nach all dem was geschehen ist. Seit langer, langer Zeit hatte sie nicht ihre Familie im Kopf, sondern nur ihn. Sie fühlte sich so hilflos und beflügelt zugleich.
„Good morning beautiful…“ Jongin hatte die Augen noch nicht geöffnet, doch er lächelte schon jetzt. Skye wollte aufstehen und Frühstück machen, doch er hielt sie fest.
„Ich lasse dich nie, nie wieder los.“
„Na das wird interessant“, sagte sie lachend und stellte sich vor, wie sie am nächsten Wochenende zusammen in Singapur auf der Bühne standen.
Sie blieben noch eine Stunde im Bett, dann war Skye zum Brunch im Super Junior Loft verabredet. Zuerst hatten die Männer Skye verflucht, weil sie die Mütter eingeladen hatte und nun war daraus ein Brunch-Ding geworden, was alle 2 oder 3 Wochen stattfand. EXO mussten ohnehin nur in die Akademie zum Trainieren. Da brauchten sie Skye nicht und so kam sie mal wieder in ihre alte WG.
Es roch schon wunderbar nach Essen und Skyes Magen grummelte. Leeteuk lief an ihr vorbei und stockte.
„Alles okay? Du siehst so …“
„So was?“, fragte Skye und dachte schon, sie hätte sich nicht richtig gewaschen.
„Du .. glühst so?“
„Wer glüht?“, fragte Donghae und schaute dann auch zu Skye. „Oh, ja, du glühst, eindeutig. Was ist passiert?“
Skye fühlte sich in ihrer Position gerade nicht wohl und zog die Augenbrauen zusammen.
„Nichts!“
„Hast du eine heißte Nacht gehabt …? Oh! Warte! Sag bloß?!“ Leeteuks Augen wurden groß.
„Sag bloß ihr habt … Baekhyun hatte da was gesagt, aber so wie du glühst…“, kam es von Donghae.
„Miaaaaaa!“, rief Skye verzweifelt und die Deutsche war sofort zur Stelle.
„Hört auf! Wir sprechen auch nicht über unser Sexleben“, sagte Mia zu Donghae, doch der schielte nur zu Leeteuk.
„Eigentlich … ständig“, gab er zu und bekam von seiner Frau einen Klaps auf den Hinterkopf, bevor sie Skye wegzog.
Die Mütter waren zum Glück viel zu sehr beschäftigt und bekamen von der ganzen Geschichte nichts mit. Mia zog die Amerikanerin etwas zu Seite.
„Habt ihr wirklich …?“ Nun musterte auch sie Skyes Gesicht. Skye machte das alles etwas nervös. Wie sah man das jemanden an?
„War es so gut wie du aussiehst?“
„Gut? Mia, das war kein Sex, das war eine Offenbarung! Wenn ich eine Religion daraus machen könnte, würde ich es tun!“ Mia lachte fröhlich, doch dann öffnete sich die Badezimmertür und Siwon kam herum. Skye verlor sämtliche Farbe aus dem Gesicht.
„Gott hört alles“, sagte er nur knapp und setzte an weiter zu gehen, als er stockte.
„Ich dachte ihr hättet nur eine … Presse-Beziehung?“
Skye konnte ihm gar nicht in die Augen sehen und konzentrierte sich sehr genau auf ihre Socken.
„Ja … so war das mal und jetzt ist es …“
„Eine Offenbarung?“, beendete Siwon den Satz. Es tat ihr so leid. Siwon hatte ihr seine Gefühle gestanden und sie hatte sich auf Jiyong eingelassen und nun war es aus und sie ließ sich direkt mit Kai ein. All das änderte nichts an ihren eigenen Gefühlen, daran, dass sie nicht davon ausging, dass sie mit Siwon zusammenpassen würde, doch vielleicht hätte sie ihm eine Chance geben sollen, damit er auch erkannte, dass sie nicht zusammengehörten. Alles war so schnell gegangen, ihr Hormonhaushalt spielte Achterbahn und Siwon war dabei auf der Strecke geblieben. Dabei sah er so gut aus! Wer würde nicht mit ihm ausgehen wollen? Für Skye war er zu perfekt, ein zu guter Mensch und sie fühlte sich neben ihm so klein.
Die Amerikanerin brachte keinen Ton mehr raus und Siwon ließ sie stehen. Die Frauen tauschten einen Blick aus.
„Willst du das BTS Dorm mal sehen?“, fragte Mia, auf der Suche nach eine Ausrede.
„Sehr gerne!“
Kaum hatten sie das Loft verlassen, da seufzten die beide.
„Ernsthaft? Wie hältst du es hier seit so vielen Jahren aus? Ich bin sonst jemand, der seine Gefühle gut unter Kontrolle hat, aber die Jungs machen mich fertig!“
Die Deutsche lachte fröhlich.
„Stell es dir als Candy Store vor.“
„Candy Store?“ Ich glaube Skyes Gedanken gingen gerade in eine völlig verkehrte Richtung.
„Stell dir vor du gehst in einen riesigen Candy Store. Alles ist bunt und es riecht so gut und du willst alles probieren. Am Anfang bist du total overloaded und weißt gar nicht wo du anfangen sollst, aber je länger du in dem Laden bist, umso eher weißt du was du willst und irgendwann brauchst du all diese Süßigkeiten nicht mehr, weil du dein Lieblingscandy gefunden hast.“
Skye Gedanken gingen immer noch in die verkehrte Richtung, aber sie glaubte sie verstand, was Mia ihr sagen wollte.
„Save Idols, eat Candy?“
„Können wir daraus bitte ein T-Shirt machen?!“
Mia wusste was Skye durchmachte. Anfangs ist alles so neu, auch wenn Skye schon mehr Korea-Erfahrung hatte, als Mia, so ist die Szene, in der sie sich bewegten, ja nun doch etwas spezieller. Dazu kam, dass man von den Medien so ein Bild im Kopf hatte. Die Deutsche hatte vorher nicht viel mit Kpop am Hut gehabt und hatte einen Crash-Kurs in Sachen Kpop kurz vor ihrem Flug nach Seoul gemacht, doch Skye mochte Kpop und hatte ihre Lieblingsbands. Um ehrlich zu sein hatte sie damit gerechnet, dass die Amerikanerin viel mehr fangirlen würde, aber sie hatte sich wirklich gut unter Kontrolle. Irgendwann würde Skye wissen was sie wollte, was sie brauchte und was sie suchte und wenn es Kai war, dann hätte Mia keine Probleme damit, genau so wenig wie mit Jiyong. Vielleicht würde sie hier auch gar nicht finden, was sie suchte und dann würde sie es früher oder später woanders hin verschlagen.
Mia war immer ein Mamakind und es war ein großer Schritt gewesen, als sie damals den Job in Seoul angenommen hatte ohne zu wissen, was sie tatsächlich erwartete. Damals hatte sie einen Vertrag für ein Jahr gehabt, doch schon in den ersten Monaten wusste sie, dass sie hierhergehörte. Sie konnte sich ein Leben nach Super Junior nicht mehr vorstellen und das hatte nicht nur etwas mit Donghae zu tun. Selbst wenn Hae nicht der Eine gewesen wäre, wäre Mia wahrscheinlich irgendwie in Korea geblieben. Sie hatte im Januar angefangen für SME zu arbeiten und im September davor war Mia zum ersten Mal in Korea gewesen, für neun Tage. Sie hatte einen Urlaub um ihr Vorstellungsgespräch herum gelegt und sie hatte zuvor auch die Welt bereist, war in China gewesen, in Tibet und Brasilien, doch Korea hatte etwas in ihr bewegt. Von Tag 1 hatte sie sich wohl gefühlt. In China hatte sie sich sehr fern der Heimat gefühlt. Keiner verstand sie, sie verstand niemanden, eigentlich waren die Bedingungen in Korea ähnlich gewesen, doch schon am ersten Abend war Mia quer durch die Stadt gelaufen, noch völlig orientierungslos. Auf dem Rückflug hatte sie geweint, weil sie Korea einfach nicht verlassen wollte.
Sie glaubte daran, dass Skye die gleiche Liebe für Korea empfand.
Das BTS Dorm war wirklich cool. Der Turm war durch einen Durchgang im 1. Stock erreichbar. Dort befand sich Wohnzimmer und Küche. Die Wendeltreppe war in der Mitte und zog sich bis hoch in den 3. Stock. Auf jeder Etage gab es vier Schlafzimmer und ein Bad, die kreisförmig um den Treppengang angeordnet waren. Was sie mit dem übrigen Schlafzimmer machen würden, wusste Mia nicht. Da es bei runden Wänden noch schwerer war passende Möbel zu finden, gab es hier nicht nur Einbaukleiderschränke sondern auch einige Einbauregale.
„Ich fühle mich wie im Gryffindor Tower“, sagte Skye als sie wieder im Wohnzimmer ankamen.
„Genau das habe ich auch gesagt! Deswegen wird die Wohnungstür auch ein Bild von der Fat Lady bekommen und als Entsicherung haben wir eine Stimmenerkennung eingebaut – was die Jungs nicht wissen. Ich gebe ihnen ein Passwort wie Oddsbodikins und die Stimmenerkennung wird sie ja erkennen, egal was sie sagen. Zusätzlich gibt es noch einen Fingerscan und wenn die Stimme nicht erkannt wird, sagt dann eine Stimme „Kein Passwort, kein Eintritt“.“
Skye konnte nicht mehr und krümmte sich vor Lachen. Oh mein Gott, wie lustig es wäre, wenn sie vor der Tür stehen würden, mit magischen Zauberwörtern. Skye würde viel Zeit im 1. Stock verbringen.
„Wie kommst du auf so etwas?“, fragte Skye nachdem sie wieder Luft bekam.
„Ich konnte nicht widerstehen!“, erwiderte die Deutsche, selbst lachend.
Nach dem Brunch fuhr Skye in die Akademie, um nach ihren Schützlingen zu schauen. Später am Abend waren sie zur Eröffnung vom ‚Najima‘ eingeladen. Es war eine neue Lounge nur für ausgewählte Mitglieder. Natürlich hatte Noah seine Finger im Spiel. Kai, Chen, Lay, Baekhyun und Suho würden hingehen und Youngjuns Kleiderordnung für Skye war ‚Dress to Impress‘. Im Laufe des Tages müsste sie also noch mal losziehen und shoppen gehen. Dafür hatte sie Lisa angerufen, denn sie vermisste die junge, quirlige Sängerin.
Skye setzte sich zum Training und checkte den Zeitplan für Singapur. Sie hatte EXO hier in Seoul live erlebt, doch nun gehörte sie irgendwie dazu und Mia hatte ihr schon einige Tipps gegeben. Geschlafen wurde im Marina Bay Sands, was sie dazu berechtigte den Infinity Pool im obersten Stock zu benutzen. Skye war schon einmal dort gewesen, ein sehr teures Vergnügen. Rund um das Hotel gab es ein Einkaufszentrum mit allen großen Namen.
Man hatte ihr in der ‚Freizeitgestaltung‘ freie Wahl gelassen. Das klang super, doch man musste zwei Dinge beachten:
Sie gaben Konzerte und waren damit einen Großteil des Tages beschäftigt
Es waren Kerle
Ersteres ließ sich recht gut lösen. Die Jungs waren praktisch zu Mann geworden, etwas Abendprogramm würde ihnen nicht schaden. Jetzt hatten Männer aber schon andere Interessen als Frauen oder Skye – sie war Fotografin, sie sah sich nicht als typische Frau, die man mit Shopping und Kaffee trinken den ganzen Tag beschäftigen konnte. Sie lief an einem schlechten Tag 11 Kilometer und an einem guten 18 Kilometer, egal wo sie Urlaub machte. Barcelona, London, New York – selbst in Disneyland hatte sie es geschafft 13 Kilometer zu verlaufen. Man musste ihr nur die Hoffnung auf ein Fotomotiv geben und schon war sie wie ein Duracell-Hase. Ihr erstes Mal in Singapur war sehr fotoreich gewesen, seien es die Supertree Grooves oder Chinatown. Und sie war bei so ziemlich allen Roof Bars gewesen, um zu fotografieren. Großstädte machten erst am Abend richtig Spaß, wenn sie Sonne untergegangen war und die Lichter der Stadt angingen. Landschaften fotografierte man tagsüber, im Sonnenaufgang – nicht ihre Lieblingszeit – oder im Sonnenuntergang. Aber Städte fotografierte Skye nachts.
Skye könnte die Jungs natürlich quer Feld ein durch Singapur hetzen, doch sie musste auch aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr austobten und am Ende beim Konzert einschliefen. Wäre zwar lustig – also für Skye, für die Fans wohl eher nicht – aber nicht wirklich produktiv. Sie schrieb also mit der Agentur in Singapur, die das Konzert organisierte und bestellte zusätzliche Wagen und Sicherheitspersonal. Sie wollte, dass die Sänger mitbekamen wo sie waren und dass sie Erinnerungen machten. Zwei Wochen später würden sie in Osaka sein und Skye wusste noch nicht, wie sie die Universal Studios rein quetschen würde, aber sie würde den Jungs ein Butterbier ausgeben! Das Butterbier (und tatsächlich wird dieses Wort von Word nicht als Fehler erkannt, was dafürspricht, dass Microsoft von Zauberern entwickelt wurde) in den Universal Studios schmeckte ausgezeichnet. Es wurde gezapft und hatte eine Schaumkrone, wie es sich für ein Bier gehörte. Skye war auch bei der Harry Potter Studio Tour in London gewesen und an sich war es toll, weil es die Originalsachen aus den Filmen waren, doch das Butterbier schmeckte fürchterlich. Es war zu bitter und der Schaum wurde drauf gesprüht, wie Sahne, die sich weder untermischen ließ, noch sich auflöste. Jedenfalls hörte bei Butterbier der Spaß auf. Und Skye wollte Butterbier. Und wenn das bedeuten würde, dass sie nachts in den Universal Studios einbrechen müsste, dann war das ebenso. Es gab schlimmeres als Knast in Japan. Zum Beispiel Knast in Saudi Arabien. Oder Knast im Kongo.
Während sie also im Training saß, mit ihrem Laptop auf dem Schoß, machte sie sich noch nebenbei die Fußnägel. Es war März, es war praktisch Frühling und sie würde heute Abend offene Pumps anziehen. Eigentlich würde es reichen, wenn sie nur den Daumen-Zeh lackieren würde, aber ernsthaft, wie doof sah das denn aus, wenn sie die Schuhe ausziehen würde?
„Wieso gehst du nicht zur Pediküre?“, fragte Jongin in einer Pause und schaute skeptisch auf die Zehenspreitzer.
„Weil ich keine brauche, ich brauche nur rote Nägel, die zu meinem roten Kleid passen.“
„Das du nicht hast“, stellte er fest.
„Noch nicht.“
Eine Stunde später lief Skye mit Lisa durch den Times Square – also der Seoul, nicht der in New York. Der Gebäudekomplex beinhaltete, wie fast alles in Seoul, ein Shoppingcenter. Es war groß und futuristisch. Lisa wusste das Skye und Jiyong sich getrennt hatten, was ihr neu war, war das Skye und Kai nun zusammen waren.
„Das ist wie bei ‚Pretty Woman‘“, meinte Lisa, „nur das du natürlich keine Prostituierte bist“, fügte sie schnell hinzu.
„Schon klar, die Nachricht kam an“, erwiderte Skye und blieb vor einem Laden stehen. Da war es! Ihr Kleid! Nur war es nicht rot, es war pink. Die Amerikanerin wollte weitergehen, zögerte aber dann. Probieren schadete nicht und vielleicht stand es ihr nicht.
„Wow, das ist dein Kleid!“, freute sich Lisa, als Skye aus der Umkleide kam und zugegeben, es war ihr Kleid. Es war enganliegend und kurz. Nicht zu kurz, aber schon kurz. Es hatte kurze Ärmel und war vorne hochgeschlossen. Dafür hatte es am Rücken einen großen Ausschnitt bis zur Hüfte und während es vorne eng lag, hatte es hinten, über dem Hintern, mehr Stoff, der ausfallend nach unten fiel, etwas länger der vordere Teil des Rocks selbst. Es war nicht neon pink, sondern eher dunkel. Im dämmrigen Licht konnte man es fast für rot halten. Aber eben nur fast. Der Zufall wollte es und der Laden hatte genau die passenden Schuhe. Schwarze Pumps, ohne Zehenausschnitt, mit einem pinken Pfennigabsatz.
~~~~~~~~~~~~~
„Können wir nicht einfach zuhause bleiben?“, rief Skye aus ihrem Badezimmer gegen 21 Uhr. Sie war schon geschminkt und hatte sich die Haare zu einem wuscheligen Pferdeschwanz gebunden, damit man den Rückenausschnitt auch ja nicht übersah.
„Das ist vielleicht mein letzter Tag mit Augenlicht. Du willst doch einem vielleicht bald blindem Mann nicht seine letzte Party verwehren“, entgegnete Jongin und Skye lehnte sich aus der Tür.
„Einmal zieht diese Ausrede, ein zweites Mal nicht“, stellte sie klar. Er sah so gut aus. Mit seinem schwarzen Hugo Boss Anzug hätte er auch als Model durchgehen können.
„Komm, zeig dich“, forderte er sie auf und Skye schlüpfte in die Schuhe. Selbst mit dem Absatz war sie nicht größer als er.
„Oh wow …“, sagte er und grinste.
„Vielleicht sollten wir doch zuhause bleiben?“ Er nahm ihre Hand, drehte sie und küsste Skye dann, als es an der Tür klopfte.
„Ich weiß ich störe euch bei nichts Wichtigem, aber wir müssten langsam los“, hörten sie Baekhyun sagen und Skye rollte mit den Augen. Ihn würde sie gerne in den Knast im Kongo stecken.
Das Najima lag in einer Seitenstraße der Karosugil. Der Partner, neben Noah, hatte die oberen zwei Etagen des Gebäudes gemietet. In der unteren wohnte er selbst und in der oberen war das Najima, inklusive Roofbar. Auf der Einladungskarte stand der Code für die Tiefgarage und den Fahrstuhl, der sie nur bei richtiger Eingabe befördern würde.
Es gab sogar einen roten Teppich vor dem Eingang und einen Fotografen. Die Bilder würden veröffentlicht werden, ohne den Standort Preis zu geben. EXO posierten für die Kamera, doch der Fotograf wollte auch Skye alleine und mit Jongin.
Die Lounge war in einem schummerigen Licht getaucht und in dunkelbraunes Holz gekleidet mit aufwendigen Schnitzereien. Vom Stil her war es arabisch angehaucht, mit Ornamenten und großen Metalllampen, in die Muster gestanzt waren um dieses an den Wänden zu reflektieren. Die Polster der Bänke und Sitze waren Purpur, mit goldenen Mustern. Es hätte Skye nicht gewundert, wenn Noah mit einem Kaftan und Turban erschienen wäre, doch auch er sah sehr schick aus mit Anzug.
„Skye! Wie schön dass du es geschafft hast!“ Der Mann begrüßte sie mit Küsschen auf den Wangen und die EXO Sänger tauschten fragende Blicke aus. Zum einen wurden sie sonst als erstes begrüßt und zum anderen wussten sie nicht genau woher Skye Noah kannte, außer Jongin, ihm hatte sie davon erzählt.
„Willkommen im Najima – Skye, weißt du was Najima heißt?“
„Mein Arabisch ist nicht wirklich gut, aber ich meine Najima heißt ‚Himmel‘ … warte nein … ehm ‚Stern‘?“, erwiderte sie und Noah strahlte.
„Sehr gut!“
Noah ließ ihnen Champagner bringen.
„Hey Google-Translate, was heißt eigentlich Klugscheißer auf Suaheli?“, fragte Baekhyun. Skye verstand den Wink mit dem Zaunpfahl nicht und dachte kurz nach.
„Kujua jota .. yota … yote“, korrigierte sie sich, doch Baekhyun schüttelte nur den Kopf und ging weg.
„Was?“ Die anderen Sänger fingen an zu lachen. Erst jetzt kam der Sarkasmus auch bei Skye an. Während ihrer Zeit in Afrika hatte sie sich etwas mit Suaheli beschäftigt und sie mochte Wörter und Sätze, die man eigentlich nicht als erstes lernte. Den ersten Satz in Zulu, den sie konnte war ‚Der Kaffee schmeckt wie Katzenpisse‘.
Sie mischten sich unter’s Volk. Dadurch dass alles so abgeschirmt war, machte sich die Assistentin nicht sonderlich Sorgen um ihre Schützlinge. Was könnten sie schon anstellen? Sobald sie das gedacht hatte, fing sie an darüber nachzudenken, was sie tatsächlich anstellen könnten. Sie könnten von der Brüstung fallen, eine der gut aussehenden Kellnerinnen im Männerklo schwängern oder die Küche in Brand setzen.
„Ich schaue nur mal wo die anderen sind“, sagte sie zu Jongin und ging auf die Suche.
Beim roten Teppich war gerade viel Trubel und Skye fand heraus, dass Jiyong gekommen war. Es war irgendwie klar gewesen, dass er kommen würde, was der Amerikanerin nicht klar war, war das Jennie seine Begleitung war. Sie lächelten in die Kamera und Jiyong hatte seinen Arm um sie gelegt. Eigentlich war es Skye egal. Sollte er glücklich werden. Aber doch bitte nicht mit Jennie! Sie ging weiter bevor die Sängerin Skye mit ihrem Ego überrollen würde und stieß auf Seungri und Lisa. Sie wollte Lisa nicht anfahren, dass sie Skye nichts von Jiyongs Dateplänen erzählt hatte, denn es würde sich so anhören, als wäre sie eifersüchtig, was sie nicht war. Eigentlich.
„Coole Location“, sagte sie stattdessen und nahm sich noch ein Glas Champagner von einem der Tabletts, das gerade an ihr vorbeilief.
„Ja, Noah lässt sich immer etwas Neues einfallen“, erwiderte Seungri und schaute sich um. Dann fiel sein Blick auf Jiyong und Jennie und zurück auf Skye.
„Alles okay?“ Sie folgte seinem Blick.
„Ja, klar. Ich bin hier mit Kai und Jiyong sieht auch glücklich aus. Alles gut.“
Das Paar tauschte einen Blick aus, doch sie gingen nicht weiter darauf ein.
Etwas später stand Skye im Flur zu den Toiletten um die Mails zu checken, als Jennie ihr entgegenkam.
„Hi Skye“, sagte sie überfreundlich und setzte ein Lächeln auf.
„Hi Jennie“, machte Skye sie nach und schaute dann wieder auf ihr Handy.
„Ich dachte mir wir sollten den Streit beiseitelegen. Schließlich haben wir beide wohl bekommen, was wir wollten, es gibt keinen Grund sich nicht zivilisiert zu benehmen.“
Skye überraschten Jennies Worte und so wirklich glauben wollte sie ihr nicht.
„Ich meine, sobald du den Ehevertrag unterschrieben hast, um Jiyong mit der Scheidung nicht auszusaugen wie ein Vampir…“
„Was?!“ Skye stand unter Schock. Zum einen, weil Jiyong und sie eigentlich einen Packt hatten mit niemanden darüber zu reden, zum anderen, weil das Wort Ehevertrag nie zur Sprache kam. Skye hätte nie gedacht, dass sie so etwas brauchen würden, es war ihr nie in den Sinn gekommen.
„Zugegeben, es ist schon ein Klassiker. Armes Mädchen heiratet betrunken den reichen Prinzen und verlässt ihn ein paar Wochen später wieder – für einen anderen reichen Prinzen.“
Manchmal reagierte Skyes Körper schneller als ihr Hirn und so kam es, dass sie Jennie eine verpasste. Zu ihrer Verteidigung: Nicht mit der Faust, nur mit der Handfläche. Nichts desto trotz zogen die beiden einige Aufmerksamkeit auf sich. Jennie war zu geschockt um irgendetwas zu machen. Sie stand da, hielt sich die Wange mit aufgerissenen Augen. Anscheinend war sie noch nie geschlagen worden, was Skye bei dem Mundwerk wunderte.
Skye war zurück zur Bar gegangen und suchte Jongin. Sie wusste, dass sie nicht weg konnte – ihr Ego würde es nicht zulassen. Doch er war vertieft in einem Gespräch mit zwei Männern. Skye ging an die Bar und bestellte sich einen Tequila.
„Harte Nacht?“ Noah tauchte hinter ihr auf und lehnte sich gegen den Tresen.
„Nein, alles gut.“ In den vergangenen Jahren hatte sie diesen Satz so oft gesagt, dass sie selbst daran glaubte. Ihr Tequila kam und Skye trank ihn in einem Zug. Noah bedeutete dem Kellner ihnen noch zwei zu bringen und er nahm selbst einen. Sie stießen an und tranken.
„So, die Pflicht ruft“, sagte Noah theatralisch und ging hoch auf die kleine Bühne. Skye bestellte sich einen Wein, zum runterspülen und beobachtete Jongin auf der anderen Seite des Raums.
„Meine Freunde, ich freue mich euch heute hier begrüßen zu dürfen und hoffe, dass ihr euch gut amüsiert. Ich bin kein Mann der großen Worte, dafür habe ich heute etwas Unterstützung. Meine geschätzte Freundin Skye, die mir einst das Leben rettete, wird uns heute musikalisch unterstützen. Also holt euch einen Drink, die Show geht gleich los!“
Alle applaudierten, doch mehrere Augenpaare trafen gleichzeitig auf Skye. Die stand selbst da, mit offenem Mund, den sie mit einem Lächeln kaschierte, als sie merkte, wie viele Leute zu ihr sahen. Wie war das passiert?! Eben noch machte sie sich lustig über seine Rede – von wegen kein Mann der großen Worte – und plötzlich wird sie zur Sängerin ernannt.
Noah kam mit einem Lächeln auf sie zu, nahm sie bei der Hand und führte sie in die Küche. Dort schubste sie ihn.
„Was hast du dir dabei gedacht?!“
„Du musst all das böse Juju loswerden, ich werde es nicht in meinem Laden rumgeistern haben um … Seelen zu fressen. Du siehst toll aus, du hast eine super Stimme – gehe da hoch und singe es raus! Und danach bekommst du so viel Tequila, wie du möchtest.“
„Das ist eine furchtbare Idee!“
„Alles … oder nur Teile davon?“, fragte er vorsichtig und wurde von einem finsteren Blick gestraft.
„Nein … der Tequila Teil geht“, gab sie zu und brachte ihn zum Lachen.
Hervorragend. Was konnte heute noch passieren? Und da hatte sie sich Sorgen gemacht, dass einer der Bambis jemanden auf dem Klo schwängern könnte!
Skye musste drei Songs aussuchen und ja, ihr aktueller Gemütszustand beeinflusste sie vielleicht ein wenig. Das erste Lied würde ‚Little Bird‘ werden, von ‚Star‘ Staffel 2. Es war eine Serie über drei Sängerinnen, die berühmt werden wollen und Skye liebte ihre Musik. Der Song ging darum sich nicht unterkriegen zu lassen. Es war ruhig und bewegend. Das zweite Lied war aus der gleichen Staffel und hieß ‚You don’t know me‘ und war schneller. Es würde eine Hommage an Jennie und Jiyong werden. Als letzten Song wählte sie ‚Your Song‘ von Rita Ora, weil es ihr und Jongins Song war und eine fröhliche Stimmung verbreitete. Skye hatte die Musik auf dem Iphone, weil sie gerne zu diesen Liedern sang.
Doch wie konnte sie daraus gehen? Alle waren da! Nicht nur EXO, nein, die Hälfte von BTS stand da draußen, Siwon, Changmin und Yunho, Seungri und Seunghyun, Tiffany, Yoona, Wendy … Nein, sie würde das nicht schaffen.
Gerade in diesem Moment kam Sooyoung in die Küche. Sie sah wahnsinnig toll aus, in einem schwarzen Paillettenkleid. Noah hatte sie als mentale Unterstützung zu Skye geschickt.
„Skye, ich weiß nicht was passiert ist, aber du gehst da jetzt raus und zeigst all diesen Leuten, die irgendwelche Sachen über dich reden, dass sie ihre Meinung dorthin stecken sollen, wo sie Sonne niemals scheint!“ Sie hielt die Amerikanerin an den Schultern fest und schaute sie entschlossen an.
Skye seufzte, es führte kein Weg zurück. Noch peinlicher als aufzutreten war angesagt worden zu sein und dann nicht aufzutreten.
„Ich brauche einen Drinkingbuddy danach.“
„Kein Problem, ich bin da – you go girl!“
„Und nun Ladys & Gentlemen – Syke Jones!“, ertönte es durch die Lautsprecher und der Raum applaudierte. Die meisten wussten nicht wer Skye war, noch das sie singen konnte. Skye ging auf die Bühne und gab Noah ein Zeichen, damit er die Musik starten konnte.
Jongin stand vor der Bühne und lächelte sie aufmunternd an.
Bei dem ersten Lied ging ein Geflüster durch die Menge, als Skye zu Noah schaute, sah sie ihn lächeln und tat es ihm gleich. Als der Song fertig war klatschte die Menge, Chen stand neben Jongin, er sah zwar überrascht aus, pfiff aber durch die Finger und jubelte.
Als der zweite Song begann ging sie von der Bühne und bahnte sich ihren Weg durch die Lounge. Sie tanzte mit Lisa, klaute Changmin sein Glas aus der Hand und setzte sich auf Jiyongs Schoß, während sie sang ‚I’m not your ordinary bad girl with the blonde curly hair, you don’t know me‘. In dem Song ging es darum, dass sie kein Klischee war und das man sie mit Geld nicht locken konnte. Sie tanzte durch die Lounge zurück zur Bühne und wieder wurde sie bejubelt. Skye merkte wie ihre Wangen warm waren.
„Okay, okay, vielen Dank! Meinen letzten Song möchte ich einem ganz besonderen Menschen widmen“, sagte sie in das Mikrofon und zwinkerte Jongin zu. Dann begann ‚Your Song‘ und viele standen auf, um zu tanzen. Es war eine tolle Stimmung und am Ende fiel Skye in Jongins Arme.
„Ich bin sehr stolz auf dich“, flüsterte er ihr ins Ohr, doch schon waren zig Menschen um sie herum, um sie zu beglückwünschen. Chen nahm sie in die Arme.
„Girl! Du hast gerockt!“
Changmin sagte ihr, dass sie ihm einen Drink schuldete und auch Seunghyun nahm sie in die Arme und hob sie hoch.
„Tequilla für alle!“, verkündete sie und Noah gab eine Runde aus. Sie hatten gerade angestoßen, da stand Jiyong vor ihr.
„A minute?“
Es war klar gewesen, dass das noch nicht ausgestanden war. Sie stellte das leere Glas und folgte ihm auf die Terrasse. Im Sommer würde es hier toll sein, doch zumindest hatten sie Heizstrahler. Skye stemmte die Hände in die Seiten, um größer zu wirken. Jiyong war so ziemlich auf gleicher Höhe, was ungewöhnlich war, weil sie Absätze an hatte – er wahrscheinlich auch.
„Skye, nur für’s Protokoll: Du hast es beendet. Und nun gehst du aus Eifersucht auf Jennie los? Was ist nur los mit dir?“
Sie konnte es nicht fassen.
„Aus Eifersucht?“, wiederholte sie lachend. „Bitte, komme mal von deinem Thron runter. Wir hatten eine Abmachung. Wir haben gesagt, dass wir mit niemanden darüber sprechen, dass wir diskret mit der Situation umgehen und dann kommt dein kleines Callgirl daher und erzählt mir etwas von einem Ehevertrag, weil du der Meinung bist, dass ich dich wie einen Vampir aussaugen werde! Was ist nur los mit dir?“
„Was?“ Sie sah an Jiyongs Gesicht, dass er diese Seite der Geschichte wohl nicht gekannt hatte und sie glaubte ihm sogar.
„Ich habe es ihr nicht erzählt, auch nicht das mit dem Vertrag. Ich wollte nur, dass alles geregelt ist, bevor etwas passiert und es dann vor Gericht zu … Komplikationen kommt.“
„Es ist egal ob du es ihr erzählt hast. Sie weiß es und du hast ihr geglaubt, als sie dir gesagt hat ich wäre wie eine eifersüchtige Furie auf sie los gegangen. Meinst du wirklich ich würde so tief sinken? Das ich nicht genug Selbstbeherrschung habe? Du kommst hier her, mit ihr like you wanna spit in my face because you’ve wanted to hurt me, because you felt hurt after what happened with Jongin but you know what? I never wanted to hurt you! It was never my intention but it was your intention to hurt me when you’ve invited Jennie to be your date tonight. Ihr zwei habt euch verdient and if you want to sign a stupid contract you’ll get it because I don’t need you money!“
Skye drehte sich um und ging wieder rein. Unmittelbar neben der Tür stand Noah und hielt ihr einen Tequila hin.
„Das wird der Letzte“, beschloss sie und nahm das Glas entgegen.