Skyes Wecker klingelte viel zu früh. Der Flug war um 9 Uhr und um 06:30 würde man sie abholen und Skyes Wecker klingelte um 4 Uhr.
„Wieso stehst du eigentlich so früh auf?“, murmelte Jongin und schaute auf sein Handy.
„Keine Ahnung, um noch mal Mails zu checken, um zu gucken, ob ihr alles dabei habt – wie Pässe.“
Sie wollte nicht aufstehen, aber ihr Problem war, dass sobald sie einmal wach war, war alles vorbei. Nur wach bedeutete nicht, dass man das Bett verlassen musste. Jongin zog sie zu sich und begann sie zu küssen. Es war so schwer ihm zu widerstehen und sie waren wirklich früh dran, etwas Zeit hatten sie noch. Und es war einfach die Zeit zu verlieren, wenn man verliebt und alleine war.
Gute eine Dreiviertelstunde später lagen sie Arm in Arm, als Jongin etwas bemerkte.
„Weinst du? Habe ich dir wehgetan?“ Bei der Frage musste sie grinsen und wischte sich die albernen Tränen weg.
„Nein, nein, es ist nur … alles ist so perfekt.“
„Ist das … nicht gut?“ Manchmal verstand er die Logik einer Frau nicht.
„Perfect never stays long. Just when you get too comfortable somthing happens and it’s gonna be ‚bye bye perfect‘.“
„No, perfect stays forever.“
„Um was wetten wir?“ Es fiel Skye schwer in das Gute zu glauben, da musste schon viel passieren.
„Okay, wenn bis in vier Wochen nichts Gravierendes passiert – und so etwas wie gestern mit der Dose heißt nicht, that perfect is gone“, stellte er klar. Das war Schusseligkeit und Schusseligkeit war mit Pech nur um drei Ecken verwandt.
„Okay.“ Darauf ließ sich Skye ein.
„Also, wenn bis in vier Wochen nichts passiert dann muss der Verlierer … das Auto des Gewinners waschen. Per Hand.“
„In Unterwäsche“, fügte Skye hinzu und grinste.
„In einer Privatgarage“, legte Jongin noch fest, nicht dass das auf Youtube veröffentlicht wurde.
„Sure, just you and me baby.“
„So hört sich das richtig an“, raunte er ihr zu und zog sie auf sich.
„Ich muss aufstehen …“
„Nur noch fünf Minuten“, jammerte er.
„In fünf Minuten bin ich nicht fertig.“
„Wetten doch?“
Es dauerte zehn Minuten. Mit diesem Verlust konnte Skye sich abfinden. Doch dann ging es unter die Dusche, wobei sie ihren kleinen Finger skeptisch betrachtete. Es hatte sich eine feine Kruste um den Schnitt gebildet und sie hatte Angst, dass es durch das Wasser wieder aufging. Aber es half ja nichts, sie roch nach Sex, was nicht schlimm war, aber nicht, wenn man als Assistentin ernst genommen werden wollte.
Um kurz vor 6 Uhr ging Skye rüber ins Pit, um zu gucken ob alle schon wach waren. Mehr oder minder waren sie das auch.
„Ich finde das gemein, dass wir so spät Training haben und dann so früh wieder aufstehen müssen“, beklagte sich Kyungsoo.
„Ach komm! Erstens schlaft ihr doch ohnehin nicht viel mehr und zweitens haben wir einen 6 Stunden Flug vor uns, wir fliegen Business, ihr könnt schlafen so viel ihr wollt.“
Da sagte er nichts mehr, wahrscheinlich auch weil er noch nicht wach genug war für eine Gegenargumentation. Wirklich essen wollte auch noch niemand etwas und so spielte sie mit ihren Handys, während Skye die letzten Mails checkte. Mitunter war eine von Youngjun dabei, der ihr viel Glück wünschte. Arsch. Wie meinte der das?
Der Van kam pünktlich und kaum hatten sie die Autobahn erreicht, schliefen die ersten schon wieder. Jongin nutzte die Zeit um Texte zu schreiben. Er schien dabei sehr konzentriert und Skye wollte ihn nicht stören. Einer der anderen Manager von EXO flog noch mit. Skye merkte sich seinen Namen nicht. Seung-irgendwas. Skye hatte ihn bisher noch nicht wirklich kennengelernt. Er betreute wohl andere Projekte zurzeit, aber heute war sie froh für die Unterstützung. Da sie Business Class flogen konnten sie separat einchecken. Zwar hatten davon die Fans nichts, aber morgens um diese Uhrzeit wären wahrscheinlich nicht viele gekommen. In Singapur würde das anders werden, dort würden sie ganz normal den Flughafen durch das Terminal verlassen, um die Fans zu begrüßen. Da war es ja dann auch Mittag. In der Check-In Lounge von der Singapore Airlines brachte man ihnen Kaffee, während die Dame am Counter sie eincheckte. Sie stand auf und kam lächelnd vor Skye stehen. „Willkommen Frau Jones, vielen Dank, dass Sie wieder mit Singapore Airlines fliegen. In unserem System liegt ein Upgrade für Sie vor. Wir freuen uns Sie in unseren Suiten begrüßen zu dürfen. Wer ist Ihre Begleitperson?“ Nicht nur Skye fiel der Kiefer runter, sondern auch den anderen. „Ehm … Kim Jongin“, erwiderte Skye. „Sehr gerne, wären Sie mit einer Suite mit Doppelbett einverstanden oder möchten Sie getrennte Betten?“ „Das Doppelbett wäre in Ordnung.“ „Sehr gerne.“ Damit verbeugte sie sich kurz und ging zurück an den Computer. „Bitte was?! Wir fliegen Business und DU bekommst ein Upgrade? In eine was? Suite?“ Da war Baekhyun plötzlich wieder wach. „Ich habe eine Vielfliegerkarte, vielleicht ist es ein Special“, erwiderte die Amerikanerin mit einem Schulterzucken.
Kurz darauf warteten sie in der Lounge auf das Boarding. Eigentlich hatten sie durch Skyes Upgrade nun ein Privatzimmer. Mit Bett und Dusche. Und Büffet. Skye stand am Fenster und telefoniert, da setzte sich Chen zu Jongin. „Weißt du irgendetwas?“ „Was meinst du?“, fragte Jongin. „Ich weiß nicht, wegen Skye … manchmal kommt es mir so vor, als würden wir etwas verpassen. Etwas, was genau vor unserer Nase ist und wir sehen es einfach nicht.“ „Du siehst Gespenster.“ Chen schaute zu Skye, die noch immer leise telefonierte. „Ist dir schon einmal aufgefallen, dass ihr Schmuck aus Platin ist? Nicht aus Weißgold.“ „Wieso achtest du auf so etwas?!“ Jongin war es egal welchen Schmuck sie trug, sie brauchte keinen Schmuck. „Verstehe mich nicht falsch, ich habe sie wirklich gerne, aber irgendetwas wissen wir von ihr nicht, etwas, was etwas zu bedeuten hat.“ Jongin schüttelte nur den Kopf und widmete sich wieder seinem Handy.
Sie flogen mit dem Airbus A380, wo sich die Suites und die Businessclass im ersten Stock, auf gleicher Höhe wie die Piloten, befanden. Allein schon wegen der Businessclass hatten sie einen bevorzugten Check-In, auch wenn das Personal sich immer mehr um Skye kümmern wollte.
Baekhyun bekam die grüne Gesichtsfarbe gar nicht mehr los und schon dafür hätte Skye gerne der Crew ein fettes Trinkgeld gegeben.
Der Weg im Flugzeug führte sie die Treppe hoch, an den Suiten vorbei. Skyes Stewardess blieb vor der Kabine stehen und öffnete die Türen, während von hinten ein begeistertes ‚Oooh‘ kam – nicht von Baekhyun natürlich, aber von allen anderen. Jongin grinste von einem Ohr zum anderen. Es waren die neuen Suiten, mit dem Bett gerade vor dem Fenster, nicht mehr seitlich, wie früher. Man konnte nun ganz gemütlich auf dem Bauch liegen und aus dem Flugzeug schauen.
Der Rest der Band wurde weitergeführt, in die Business Class. Immerhin teilten sie sich eine Bar und den Shop. Beides befand sich ebenfalls im oberen Stock und war der First und Business Class vorbehalten. In ihrer Suite hatten sie auch noch zwei bequeme Sessel. Anschallen konnte man sich im Sessel, aber auch im Bett. Auf dem Doppelbett fanden sie kleine Aufmerksamkeiten, mitunter eine Kosmetiktasche für jeden von Namenhaften Designern. Die Flüge in den Suites fingen bei 16.000$ an, da musste man die Gäste immerhin etwas pudern.
„Das ist Wahnsinn!“ Jongin kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
„Du bist noch nie in einer Suite geflogen?“ Man sollte meinen, dass sie bei all ihren Flügen und Meilen schon mal upgegraded worden waren.
„First Class ja, aber so etwas hatte ich noch nie! Du etwa?!“
Gerade als Skye antworten wollte klopfte es leise an der Tür.
„Welcome. My name is Sarah. I will be your Stewardess for today. Would you like a glass of Dom Pérignon?“
Auf diese Frage gab es nur eine angemessene: „Yes“, kam es von beiden gleichzeitig.
Skye wurde von einem schlechten Gewissen geplagt und ging vor dem Start noch mal in die Business Class. Jongin hatte kein schlechtes Gewissen und lag im Bett.
„Alles okay?“, fragte sie und ging neben Chanyeol in die Hocke.
„Wieso schickst du nicht deinen Butler, um nach uns zu gucken?“, fragte Baekhyun, in der Reihe dahinter.
„Sarah lässt gerade unser Frühstück vorbereiten“, erwiderte Skye, gezielt arrogant. Suho fing fröhlich an zu lachen, als er Baekhyuns Gesichtsausdruck sah und die anderen stimmten mit ein.
„Wenn irgendetwas ist, dann kommt vorbei, ja?“, sagte sie noch zu Chen, bevor sie für den Start zurück in ihre Kabine ging.
Nach dem Start gab es Frühstück. Mit Brötchen und Rühreiern und danach verzog sich Skye in das Badezimmer, um in ihren Designer-Pyjama zu schlüpfen. Wenn es schon da war, sollte man es benutzen, oder?
„Was hast du vor?“, fragte Jongin, als sie zurückkam.
„Schlafen.“
„Bist du wahnsinnig? Wir können doch nicht schlafen! Dann verpassen wir ja alles! Pro Stunde eine Mahlzeit.“
Skye grinste und schlupfte unter die Decke.
„Du kannst doch ohnehin nicht so viel essen.“ Wobei sie später schon ihr Steak haben wollte.
„Aber vielleicht Nachtisch“, erwiderte der Sänger und zog sie zu sich.
„Die Stewardess schaut hier alle drei Minuten vorbei“, warnte sie ihn. Und drei Minuten würden ihr nicht reichen. Doch Jongin lehnte sich rüber und drückte den ‚Do not disturb‘ Button.
„Jetzt nicht mehr.“
Soll noch mal jemand sagen Sex im Flugzeug wäre unbequem! Danach schliefen sie aber doch für zwei Stunden und dann bekam Skye ihr Steak. Und Hummer. Und Nachtisch – also richtigen Nachtisch.
Dreimal hatte sie nach den anderen geschaut, wobei der Designer-Pyjama natürlich nicht gegen Baekhyuns Eifersucht geholfen hatte. Auch nicht als Chen bemerkte, dass er so weich war, dass es wohl Seide sein musste.
„Also ich würde behaupten ich liege in Führung“, bemerkte Jongin, als sie zurück in der Suite war.
„Ja, aber ich sage dir, es wird nicht halten. Wahrscheinlich stürzt das Flugzeug ab und das war gerade unsere Henkersmahlzeit.“
Da blieb ihm der Bund offenstehen.
„Wir müssen etwas gegen deinen Pessimismus machen.“
„Ich bin kein Pessimist, ich gehe nur lieber vom Schlimmsten aus, damit ich mich freuen kann, wenn es nicht eintrifft.“
Eine Weile lagen sie auch nur auf den Bäuchen und schauten aus dem Fenster, wie die Welt unter ihnen vorbei zog. Doch irgendwann hieß es ‚Ready for landing‘. Skye hatte sich frisch gemacht und umgezogen. Den dicken Pullover, den sie in Seoul noch gebraucht hatte, hatte sie jetzt im Handgepäck verstaut. Willkommen bei 30°C! Singapur hatte ganzjährlich ein ziemlich konstantes Klima. Eigentlich unterschied man nur in Regenzeit und Nicht-Regenzeit und die Regenzeit war vorbei. Die Winter in Korea waren nicht so schlimm, wie die in Seattle, doch Winter war Winter. Korea war kalt, aber die Sonne schien oft und es machte trotzdem Spaß draußen zu sein. In Seattle sah mal oft wochenlang die Sonne nicht und das deprimierte. Sonne war Vitamin D und wichtig für den Körper. An Weihnachten passierten nicht die meisten Selbstmorde weil es Weihnachten war, sondern wahrscheinlich weil die Leute seit Monaten die Sonne nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten.
Die Band wurde von einem großen Sicherheitsteam in Empfang genommen und diesmal verließen den Flughafen ganz normal, um die Fans zu begrüßen. Und davon waren einige da.
Es waren diese Situationen, die Skye Angst machten, wenn sie nicht alles überblicken konnte. Sie war noch nie ein Freund von Menschenansammlungen gewesen und erst recht nicht, wenn sie noch auf andere aufpassen musste.
Der andere Manager lief vorne dran, während Skye das Ende bildete. Es war unheimlich viel Sicherheitspersonal im Einsatz, um die Fans in den Begrenzungen zu halten und doch war Skye nervös. Hände streckten sich ihnen entgegen, Geschenke, Kameras. Sie wusste gar nicht auf was sie als Erstes achten sollte. Und dann waren sie draußen. Dort schien der Weg noch schmaler zu werden. Skye hatte vielleicht durch ihre Größe auch einen Nachteil, sie konnte gar nicht an den anderen vorbeisehen, doch dann stieg Suho in einen Van ein und sie wusste, dass es nicht mehr weit sein konnte.
Erst als sie das Flughafengelände verlassen hatten, atmete die Assistentin erleichtert durch.
„Alles okay?“ Chen saß ihr gegenüber und schaute besorgt.
Ja, ja, alles gut. Ich mag nur keine vielen Menschen und erst recht nicht if they’d like to eat you alive.“
Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
„Warte bis du sie beim Konzert siehst“, prophezeite der Sänger.
„Well, thank you“, erwiderte Skye und brauchte dafür noch nicht einmal ein Ironie-Schild.
Das Marina Bay Sands war ein beeindruckendes Hotel. Skye zog kleine Hotels vor, doch man war schon beeindruckt von der Architektur und dem ganzen Tamtam. Alle namenhaften Designer waren in der eigenen Shopping Mall vertreten. EXO und alle eingeflogenen Angestellten waren in zwei Etagen des mittleren Turms untergebracht. Das Marina Bay Sands bestand aus drei Türmen, auf welchen wiederum das ‚Schiff‘ lag. Dort fand man den berühmten Infinity Pool, die Aussichtsplattform und die hauseigene Bar. Sicherheitspersonal wurde ihnen zur Verfügung gestellt und nachdem Skye die Zimmerkarten verteilt hatte, sagte sie allen, dass sie sich in einer Viertelstunden in dem Konferenzraum treffen würden, der für sie vorbereitet war.
Jongin schloss die Tür der Suite und zog Skye in seine Arme.
„Ich finde es toll, dass du meine offizielle Freundin bist.“ Er küsste sie und drückte Skye an die Wand.
„Wir haben keine Zeit für so etwas“, erwiderte sie lachend. Nicht dass sie nicht wollte, aber schließlich waren sie zum Arbeiten hier, ein wenig zumindest.
„Du hast gesagt in einer Viertelstunde.“
„Es sind nur noch zehn Minuten“, sagte sie nach einem Blick auf die Uhr. Jongin ließ die Schultern hängen.
„Ständig dieser Zeitdruck“, beschwerte er sich, eher gespielt als ernst. Sie nutzten die restliche Zeit um sich frisch zu machen und dann ging es schon wieder los.
„Also, wir werden jetzt für den Soundcheck in die Halle fahren – wollt ihr ein frühes oder ein spätes Abendessen?“, fragte Skye die Sänger. Der andere Manager tippte auf sein Handy ein.
„Spät“, kam es von den meisten und Skye nickte.
Die Halle war nur ein Katzensprung von dem Hotel entfernt. Hier war dann der andere Manager eher in seinem Element. So viele Leute waren allein schon heute da und Skye fühlte sich etwas nutzlos. Sie setzte sich mit ihrem Laptop auf dem Hallenboden, auf dem Morgen tausende von Fans stehen würden, und ging die Emails durch. Jiyong hatte ihr geschrieben, um sie an den Termin am Dienstag zu erinnern. Das war nur eine Ausrede um mit ihr zu kommunizieren und Skye ignorierte ihn geschickt. Sollte er sehen wie weit er mit seinem Ehevertrag kam. Sie hatte nie die Intention gehabt etwas von ihm zu fordern und sie fühlte ich in ihrer Ehre angekratzt, dass er tatsächlich daran gedacht hatte, dass es so wäre. Youngbae. Immerhin musste sie jetzt nicht mehr nett zu ihm sein. Stopp. Wenn die Amerikanerin genau darüber nachdachte, war sie nie wirklich nett gewesen, nur ehrlich.
Sie waren die Formationen durchgegangen und hatten den Sound gecheckt. Auch die Special Effects waren getestet worden und alles war gut gegangen. Gegen 19:30 stiegen sie in den Kleinbus ein mit einem unbekannten Ziel. Skye hatte sie nur gefragt, wann sie essen wollten, doch 19:30 war kein spätes Essen, also vermuteten sie schon, dass sie noch irgendwo anders hinfahren würden.
„Willkommen bei der Nacht Safari“, sagte Skye, als der Bus auf dem Parkplatz zum Stehen gekommen war. Sofort fing ein aufgeregtes Murmeln in dem Bus an.
„Ein paar Regeln: Wir haben einen Guide und bleiben in der Gruppe. Wir haben zwei Sicherheitsleute dabei. Ich will nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen. Keiner geht alleine los. Bitte. Es ist dunkel und ich will nicht von einem Löwen gefressen werden auf der Suche nach euch.“
Skye erinnerte sich an Everland und wollte so etwas nicht wiederholen. Und wie gesagt, bei ihrem Glück würde sie von einem Löwen gefressen werden. Oder einem Krokodil. Oder einem Nilpferd. Andererseits hatte Skye auf Fiji auch immer gedacht, dass sie eines Tages von einer Kokosnuss erschlagen werden würde. Kokosnüssen waren tückisch. Zum ersten Mal hat sie Kokosnüssen live erlebt als sie in Brasilien war. Sie hatte bei einem Naturschutzprojekt geholfen in den Semesterferien. Sie waren mitten im Nirgendwo gewesen und am zweiten Tag hatte Skye ein paar freie Stunden genutzt, um am einsamen Strand zu spazieren. Sie lief zwischen den Palmen und genossen die Nachmittagssonne, als sie gelegentlich ein ‚Plump‘ hörte. Argwöhnisch hatte sie sich umgeschaut. Was macht so ein Geräusch? Sie hatte nichts Verdächtiges gesehen und war weiter gegangen, bis sich das Geräusch wiederholte. Wieder schaute sie sich um, bis ihr Blick auf eine Kokosnuss am Boden fiel. Daraufhin ging ihr Blick nach oben, zu den schier unendlichen Kokospalmen, die sich ungefähr 15 Meter nach oben Streckten. Kokospalmen konnten gut und gerne 30 Meter erreichen und das bei einem Stammdurchmessen von maximal 50 Zentimetern. Das war beachtlich! Skye hatte keine Ahnung wie sie das schafften. Die Fallbeschleunigung der Erde beträgt 9,81 meter/sekunde². Eine Kokosnuss aus 30 Meter Höhe wäre gerade einmal 2,5 Sekunden unterwegs, bis sie auf den Boden einschlug. Nicht gerade viel Zeit, um auszuweichen. Eins war klar: Der Kopf wäre kaputt. Die Kokosnuss wahrscheinlich nicht. Seither hat Skye großen Respekt vor Kokosnüssen, nicht nur weil sie als 30 Meter langes Streichholz noch aufrecht standen, sondern auch weil sie Skye umbringen könnten. Stille Ninjas.
Die Assistentin hatte natürlich alles schon arrangiert und wurde von zwei Guides des Parks in Empfang genommen. Die Night Safari war eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten und im Schatten der Nacht waren die Sänger vielleicht auch etwas schwerer auszumachen.
Die Guides stellten sich der Truppe vor und sprachen Koreanisch. Und dann ging es auch schon in den Park.
Skye war kein Fan von Zoos, auch wenn sie bei manchen Zoos sah, dass sie wirklich versuchten die Tiere artgerecht zu halten. Die traurige Wahrheit war, dass es für viele Arten nicht mehr genug Lebensraum gab. Ohne die Zoos und deren Versuche die Population wieder zu vergrößern, wären schon viel mehr Tiere ausgestorben, als ohnehin schon. Der Mensch beanspruchte so viel Lebensraum und dann wunderte man sich über Eisbären, Wölfe und Füchse in den Städten – wo sollen sie denn hin? Sie waren vorher da. Skye würde gerne mal sehen, wie die Menschen reagieren würden, wenn Bären einen Burger King einnehmen würden. Würde der Mensch einfach wegbleiben? Von Wegen, er würde kommen mit Gewehren. Wenn Skye ein Land reagieren würde, würde sie keine Waffen nach Afghanistan verkaufen, sondern an hilflose Tiere. Das würde lustig werden.
Nichtsdestotrotz war der Nacht-Zoo in Singapur schön angelegt. Es gab nur eine minimale Beleuchtung, um die Tiere gerade noch so ausmachen zu können, ohne sie dabei zu sehr zu stören.
Die Musiker hatten viel Spaß auf der Tour, während Skye ihren inneren Ninja raushingen ließ und die Umgebung nach Fans absuchte. Sie wollte, dass die Band mal ihre Ruhe hatte und wie ganz normale, junge Leute ausgehen konnten. Nach 2,5 Stunden war die Tour vorbei und sie stürmten noch den Souvenirshop. Für Skye legten sie zusammen und holten einen riesigen Panda. Die Amerikanerin war kaum noch zu sehen hinter dem riesigen Plüschtier und lachte fröhlich.
„Danke“, rief sie hinter dem Panda. „Liebling – du schläfst auf der Couch“, sagte sie weiter und brachte die Kerle damit zum Lachen.
„Was?! Ich wollte dir gar kein Plüschtier kaufen!“, beschwerte sich Jongin und seine Bandkollegen lachten noch mehr.
Nach der Safari ging es zurück in das Marina Bay Sands, wo Skye oben auf der Aussichtsplattform im CE LA VI einen Tisch reserviert hatte.
„Können wir in den Pool?“, fragte Chanyeol hoffnungsvoll und schaute über die Brüstung zu dem wohl berühmtesten Infinitypool der Welt.
„Nach dem Essen“, erwiderte Skye. Wenn sie die Kerle jetzt ins Wasser lassen würde, wäre es das mit dem Abendessen gewesen. Youngjun hatte ihr erklärt, dass sie vor den Shows nichts trinken durften, doch es versuchte auch keiner von ihnen Alkohol zu bestellen. Dabei sahen die Cocktails so gut aus. Skye wollte natürlich mit gutem Beispiel voran gehen. Später würde sie sich heimlich einen holen.
Und so saßen sie bei sommerlichen 27°C in schwindelerregender Höhe und genossen ihr Abendessen. Die Assistentin hatte dieses Wetter vermisst, die Wärme und die Luftfeuchtigkeit. Skye hatte ihre Kamera und ihr Stativ geholt und fotografierte, während die Männer sich unterhielten. Jongin kam irgendwann zu ihr und umarmte sie von hinten.
„Danke für heute.“
„Ha! Das war erst der Anfang!“
„Wieso hört sich das bei dir wie eine Drohung an?“, fragte er grinsend und küsste ihren Hals. In diesem Moment machte ihre Kamera ein Geräusch, was bedeutete, dass die Langzeitbelichtung fertig war. Skye beugte sich runter und zeigte Jongin das Foto. Eben wollte er sich noch beschweren, dass ihr die Kamera wichtiger war, doch als er das Bild sah, verstand er sogar wieso.
„Wow, das sieht toll aus!“
„Na super, jetzt ist der Pool nur noch 5 Minuten geöffnet“, beschwerte sich Chen irgendwann und schaute reuevoll zu dem Pool.
„Für normale Leute“, kommentierte Skye.
„Wir sind nicht normal?“, kam es von Xiumin.
„Das du das noch in Frage stellst“, erwiderte Sehun grinsend.
„Nein, wir sind nicht normal“, meinte Skye nur und stand auf.
Während der Pool um 23 Uhr normalerweise schloss, hatte Skye mit dem Hotel ein Special Agreement ausgehandelt und sie durften ihn bis 1 Uhr nutzen. Zu den Kerlen sagte sie 00:30 – schließlich sollten sie ja auch mal schlafen. Mit neuer Motivation gingen sie auf ihre Zimmer, um sich umzuziehen. Noch nicht einmal Baekhyun hatte gemotzt seitdem sie in Singapur gelandet waren. Skye war das nicht gewohnt und rechnete jederzeit mit einem Angriff.
Eins musste man dem Pool lassen, es war eine tolle Aussicht. Sie lehnte sich auf den Beckenrand, runter fallen konnte man nicht. Unterhalb des Pools war ein weiteres Becken, selbst wenn man über den Rand fiel, fiel man nicht tief. Selbst wenn man über den Rand dieses schmalen Beckens entlang des Pools fallen würde, fiel man nicht tief, denn dort war ein Weg mit einer hohen Brüstung. Selbstmord schwer gemacht. Andererseits fragte sich Skye, ob man mit einer schöneren Aussicht sterben könnte.
Sie liebte diese Orte dazwischen, wenn man nicht ganz hier und nicht ganz dort war. Deswegen lief sie auch so gerne über die Hangang-Brücken. Man schwebte zwischen der Stadt und dem Fluss, zwischen Boden und Himmel. Hier oben war es nicht anders. Nur wärmer – zumindest im Moment.
Sie alle hingen wie die Hühner auf der Stange am Rand und schauten auf die Stadt.
„Wer ist dafür, dass wir Youngjun kündigen und Skye behalten?“, fragte Suho in die Runde und fast alle hoben die Hand. Eigentlich hoben alle die Hand außer Baekhyun.
Etwas später, die anderen waren am Toben, während Skye noch die Aussicht genoss, kam Chen zu ihr.
„Freund oder Feind?“, fragte Skye neckisch, doch Chen grinste nur.
„Freund, definitiv.“
„Manchmal glaube ich, dass ihr mir Motive für meine Aktionen unterjubeln wollte, als würde ich alles aus einem Grund machen.“
„Tust du das nicht?“
„Schon, aber nicht aus dem Grund, aus den mancher denken mag“, erwiderte sie ihm.
„Und was sind deine Gründe?“
„Erinnerungen.“ Sie drehte sich zu ihm.
„Chen, das Leben ist so kurz. Glaube mir, ich weiß das. Erinnerungen sind so wichtig, sie sind alles, was uns noch bleibt, wenn niemand mehr da ist.“
Jede Erinnerung an ihre Familie hielt sie im Herzen. Sie hatte so vieles aufgeschrieben, aus Angst es irgendwann zu vergessen.
„Ihr werdet nicht ewig zusammen bleiben und ihr seid nicht alle Freunde, ich weiß das. Aber an diesen Abend werdet ihr euch erinnern, ob ihr wollt oder nicht.“
„Da hast du Recht“, erwiderte Chen und plötzlich wurden beide von einer Wasserfontäne getroffen – ausgelöst von Chanyeol und Sehun. Ihr wisst was das bedeutet? Krieg!