Sie feierten bis spät in die Nacht. Die Angestellten auf der Insel brannten aus Zuckerrohr selbst Rum. Es war nicht zu vergleichen mit dem Rum, wie man ihn aus dem Laden kannte, aber er war sehr lecker und gut mit den frischen Fruchtsäften zu mischen. Alle kamen spät ins Bett und als sie am nächsten Morgen aufwachten regnete es.
Skye schaute aus dem Fenster. Regen gehörte dazu und es wurde immerhin nicht kalt. Sie kam gut mit regnerischen Tagen klar, man konnte ein gutes Buch lesen, Filme anschauen.
Ihre Gäste waren da deutlich unzufriedener. Sie hatten sich nach Sonne gesehnt und nun war diese weg. Mia, Lisa und Jimin waren die ersten die im Haupthaus ankamen. Zwar hatten sie die Schirme gefunden, die aus genau diesen Gründen in den Gästehäusern untergebracht waren, doch wirklich glücklich sahen sie nicht aus.
„Was ist das denn?“, fragte Mia und deutete aus dem Fenster.
„That’s rain.“
„No, it’s not! I know Rain! He’s tall and handsome and has amazing skin!“
Lisa fing an zu lachen und Skye schüttelte nur den Kopf.
Während des Frühstücks schauten sie alle abwechselnd sehnsüchtig nach draußen in den Regen.
„Kommt schon Leute! Regen gehört dazu und es ist immerhin warm. Man kann sich auch anders beschäftigen, als am Strand rumzulungern“, wand Skye ein.
„Ach und was sollen wir machen?“, fragte Taehyung und ließ die Schultern hängen.
„Skye hat Recht, sonst lassen wir uns auch nicht aufhalten“, erwiderte Mia und schaute erwartungsvoll in die Runde. In solchen Situationen wünschte sie sich Super Junior, auch wenn das die Deutsche nicht zugeben würde.
„Wir könnten Verstecken spielen?“, schlug Chanyeol vor, doch Skye schüttelte energisch den Kopf.
„Könnt ihr vergessen. Das letzte Mal als ich mit SuJu Verstecken gespielt habe, habe ich Stunden lang in einem Fahrstuhl gesteckt.“
„Es gibt überhaupt keinen Fahrstuhl hier“, argumentierte Jimin, was Skye herzlich egal war. Das Thema Verstecken war durch.
„Sag mal Skye“, kam es von Jimin irgendwann, „wie ist es im Lotto zu gewinnen?“
Inzwischen kannten sie alle die Geschichte. Es war auch nicht so, als würde Skye ein großes Geheimnis daraus machen, sie mochte es nur lieber, wenn die Leute sie kennenlernten, ohne zu wissen, dass sie reich war. Geld veränderte alles. Man wurde überall überfreundlich behandelt, jeder kroch einen in den Arsch. Skye hasste das. Den Wert eines Menschen maß man nicht an seinem Kontostand. Die meiste Freundlichkeit hatte sie bisher von den Leuten erfahren, die am wenigsten hatten.
„Man begreift das gar nicht. Ich hatte den Schein von meinem Vater in meinem Portemonnaie – ich kannte die Zahlen in und auswendig. Ich habe nie die Lottoziehungen geschaut, ich weiß zwar das Leute im Lotto gewinnen – irgendeiner muss ja gewinnen, aber man gewinnt doch nicht selbst. Irgendwann ging durch die Nachrichten, dass der Jackpot geknackt wurde, dass aber der Besitzer des Scheins sich noch nicht gemeldet hatte, dass man aber wusste, dass er aus dem Staat Washington kam. Dann haben sie die Nummern noch einmal vorgelesen und den Besitzer mit dem richtigen Schein aufgefordert, sich bei einer Annahmestelle zu melden. Ich konnte meinen Ohren nicht glauben, als sie die Zahlen vorgelesen hatten. Ich hielt den Fernseher an und holte den Schein – es konnte ja nicht sein, dass sie tatsächlich die Zahlen vorgelesen hatten, die mein Vater immer getippt hatte. Aber sie waren es. Ich saß eine Stunde vor dem Fernseher und starrte die Zahlen an. Dann fuhr ich zu dem kleinen Lottogeschäft und gab dem Mann meinen Schein. Er schaute gar nicht drauf und steckte ihn in den Automaten und dann war auf einmal Highlife! Er rief bei der Lottogesellschaft an, die kamen zu mir nach Hause und stellten mir einen Psychologen – als bräuchte ich den! Sie rieten mir zu einem Finanzberater und gaben mir alle möglichen Hinweise“, erzählte Skye.
„Was hast du als Erstes gekauft?“, wollte Chanyeol wissen.
„Zuerst habe ich gar nichts mit dem Geld gemacht. Bestimmt vier Wochen lang nicht. Dann habe ich 1000$ abgehoben, habe Nate und Jamal, meine zwei Kumpels vom College, in das beste Steakhaus der Stadt eingeladen und habe ihnen gesagt, dass ich jedem 100 Millionen gebe, um daraus etwas zu machen.“
Den meisten stand der Mund offen. Sie alle waren erfolgreich und vermögend, aber so vermögend? Zumal jeder von ihnen sein Geld mit dem eigenen Schweiß und Blut bezahlt hatte.
„Aber jetzt mal ernsthaft – wieso arbeitest du? Du hast genug Geld um 10 Leben lang nichts zu tun. Wieso tust du dir den Stress an?“ Es war Baekhyun, der die Frage stellte. Narzil machte eine Runde und füllte die Getränke auf.
„Was ist das Längste, was du frei hattest? Zwei Wochen? Drei Wochen? Hat es dich dann nicht schon wieder gekribbelt?“, fragte sie zurück und zögernd nickte er.
„Ich habe die letzten zwei Jahre fast nichts gemacht. Jamal und Nate haben Firmen gekauft, aufgepeppelt und gewinnbringend verkauft. Die Firmen, die wir haben, haben ihr eigenes Management. Jede Woche bekomme ich Berichte und einmal im Monat gibt es ein Meeting, aber ich habe keine wirklichen Aufgaben, außer Sachen zu genehmigen oder abzulehnen. Und so schön es hier auf Adavaci sein mag, irgendwann brauchst du Menschen, Zivilisation. Ich weiß nicht, ob ich irgendeinen Einfluss auf euch habe, aber vielleicht schaffe ich es ja sogar, in meiner Zeit in Seoul, etwas Gutes zu schaffen.“
Das Idols es nicht leicht hatten, hatte Skye schon vorher gewusst. Nun sah sie es mit eigenen Augen und war mitten drin. Mia hatte das auch gesehen, deswegen war sie auf die Idee gekommen so etwas wie die Fabrik zu kaufen und ein eigenes Reich zu schaffen, wo sie sein konnten, wer sie waren. Damit sich wirklich etwas änderte, musste sich das Bewusstsein der Künstler ändern. Es ging der Amerikanerin nicht darum, dass sie Kpop verändern wollte, doch die Idols mussten lernen Grenzen zu setzen. Auch wenn sie es nicht toll fand fast umgebracht worden zu sein, so war die Bewegung, die damit ausgelöst worden war, eine Welle in die richtige Richtung. Lasst sie doch Menschen sein. Arbeit war Arbeit und auf ihrer Arbeit gaben sie 120%. Das sollte reichen.
In Seoul saßen Super Junior vor der Wetter-App und freuten sich wie kleine Kinder, als sie sahen, dass es auf Adavaci regnete.
„Ha! das haben sie davon!“
„Schönen Tag wünschen wir euch!“
Es war etwas gehässig, doch sie wiederum dachten, dass es gehässig von Mia war, sie nicht mitzunehmen. Dafür hatten sie Minjae, Thalia und Jonghyun, Mias und Donghaes Kinder, überall mitgeschleppt. Minjae fragte öfters, in einem leicht genervten Ton, wann Mama denn wiederkomme. Thalia fragte, wieso sie nicht bei ihrer Nanny waren, nur Jonghyun schien sich darüber freuen mit den Onkels unterwegs zu sein. Dafür schlich sich Thalia ständig ins Training von Red Velvet und Minjae hing bei NCT rum.
Kurz darauf kam Narzil zu ihr und flüsterte Skye etwas ins Ohr.
„Okay, Treasure-Time!“, sagte Skye und stand auf.
„Treasure-time?“, fragte Chen. Jongin dachte sich nur, dass er froh sein konnte bei Castle-Time nicht dabei gewesen zu sein.
„Auf der Insel gibt es einen Schatz versteckt. Es sind verschiedene Hinweise versteckt, um den Schatz zu finden.“
„Das ist viel besser als Verstecken!“, freute sich Jimin, der hoffte, dass wenn Skye so viel Geld hatte, sie wirklich eine Kiste voll Gold irgendwo versteckt hatte.
Sie teilten sich in drei Teams auf. Die Anführer waren Mia, Lisa und Skye, weil sie gut Englisch sprachen und teilweise auch Rätsel gelöst werden mussten. Jongin schlenderte schon zu Skye, als sie den Finger hob.
„Wir losen.“
So landete Jongin in Mias Team, gemeinsam mit Irene und Jimin. Lisas Team bestand aus Chanyeol und Chen und somit hatte Skye Baekhyun und Taehyung.
Narzil war inzwischen sehr geübt in Spielen und hatte sich viel Mühe gegeben. Es gab drei verschiedene Wege, für jedes Team einen. Jedes Team musste einen Hinweis ziehen und der erste Hinweis zeigte den Weg jedes Teams. Der Hinweis führte sie zu einer goldenen Münze, nur wer diese gefunden hatte, bekam damit den nächsten Hinweis.
„Where you rest your head, you’ll find a golden coin“, las Skye den ersten Hinweis vor.
„Ein Bett?“, fragte Tae. „Aber welches?“
„Nein, ich glaube ein Bett ist zu einfach“, kam es von Baekhyun. Es war immer gut einen Skeptiker im Team zu haben. Wahrscheinlich hatte er sogar Recht.
„Wo legt man den Kopf noch ab?“ Taehyung schaute sich um. Skye dachte an die Sonnenliegen, aber sie vermutete, dass die erste Münze jedes Teams sich im Haupthaus versteckte.
„Ich glaube ich weiß, wo sie ist“, sagte sie und rannte los. Die anderen Teams schauten ihr nach.
„Das ist total unfair! Sie kennt sich hier viel besser aus!“, beschwerte sich Chanyeol.
„Sie kennt sich hier viel besser aus“, äffte Mia ihn mit weinerlicher Stimme nach und rannte auch los.
Skye steuerte zuerst ihr Badezimmer an. Am Kopfende der Wanne befand sich ein Kissen und dort fanden sie die erste Münze. Sie lag in einem Umschlag mit der Nachricht, dass sie auf dem Weg zum Steg eine Aufgabe meistern mussten. Sie verzichteten auf Schirme. So oder so würden sie nass werden und es war ein warmer Regen.
An dem Unterstellplatz für die Golfcarts, kurz vor dem Haupthaus, wartete ein Angestellter mit einem Zauberwürfel, den es zu lösen gab. Wer eine Aufgabe nicht lösen konnte, musste 15 Minuten warten, was den anderen Teams Vorsprung verschaffte.
„Da bin ich raus“, gab Skye zu, doch Baekhyun nahm sich den Würfel und es dauerte keine zwei Minuten, da war der Würfel gelöst.
„Wow, versteckte Talente“, neckte Skye ihn und nahm den nächsten Hinweis entgegen.
„Under ashes you’ll find some gold.“
Skye seufzte. Eine Feuerstelle. Die Frage war nur welche. Auf dem Berg gab es eine, es gab auch den Grill auf der Terrasse, es gab die Feuerstelle am Strand und jedes Haus hatte eine. Die Amerikanerin schaute den Berg hoch. Der Weg zu den Hütten am Steg war einfacherer, aber wenn sie erst dort suchen würden und mussten dann wieder zurück, würde ihnen Zeit verloren gehen. Also gingen sie zum Grillplatz auf dem Bergkamm. Sie waren klitschnass, als sie oben ankamen. Skeptisch schauten sie die Feuerstelle an. Skye war die Erste, die sich kniete und anfing in der Asche zu wühlen. Sie war praktisch schwarz, als sie endlich die Tüte fand mit der nächsten Münze und der Nachricht zu Molly zu gehen. Taehyung fing an zu lachen, als er Skye sah. Da nahm sie sein Gesicht in die Hand und verpasste ihm eine Kriegsbemalung. Als Baekhyun dann auch noch anfing zu lachen, stürzten sie sich zu zweit auf ihn.
Molly schaute auch nicht schlecht, als die drei, total verdreckt zu ihr in die Hütte kamen. Sie hatte ein Streichholz-Trick vorbereitet. Vor ihnen lagen 14 Streichhölzer, die in einer Doppelreihe sechs Quadrate bildeten, drei oben, drei unten. Sie sollten drei Quadrate daraus machen, durften aber nur fünf Streichhölzer entfernen. Grübelnd standen sie vor dem Tisch. Skye hasste solche Aufgaben. Es waren Kneipentricks, die meistens so simpel waren, dass man nicht auf die Lösung kam. Bae zuckte ab und zu, fasste sie Hölzer dann doch nicht an.
„Oh, ich hab’s!“ Kaum hatte Tae das ausgesprochen nahm er oben das mittlere Streichholz weg und in der unteren Reihe die beiden Seitenecke. Fünf Streichhölzer, drei Quadrate. Freudig gaben sie sich ein Highfive und bekamen den nächsten Hinweis von Molly.
Skye fragte sich, wie sich die anderen wohl schlugen.
Mias Team war total zerstritten. Sie hatten ‚Wer wird Millionär?‘ erwischt und die Frage war ‚Which british Prime Minister was actually half American?‘. Die Antworten waren:
Ramsay MacDonald 2. David Cameron 3. Winston Churchill 4. Margaret Thatcher
Vier Teammitglieder, vier Antworten. Jimin war für MacDonald, weil McDonalds aus Amerika kam. Mia versuchte ihm zu erklären, dass ‚Mac‘ eher ein irisches Ding war, doch Jimin beharrte. Jongin war für Cameron, weil er ein Arsch war. Irene für Thatcher, weil sie am unauffälligsten wirkte und Mia war für Churchill. Irgendwo klingelte da etwas bei ihr. Sie nahmen MacDonald. Es war natürlich Churchill gewesen, dessen Mutter Amerikanerin gewesen ist und nun mussten sie 15 Minuten warten.
Bei der nächsten Aufgabe, stießen Skyes und Lisas Teams aufeinander. In so eine Situation bekam der, der am schnellsten war, den Hinweis zuerst und die anderen mussten 15 Minuten warten. Die Angestellten hatten diese Bretter bereitgestellt, in denen ein Labyrinth war, mit einer Kugel und man musste die Kugel durch das Labyrinth bringen, ohne dass sie vorher in ein Loch fiel. Skye wusste die genaue Artikelbeschreibung nicht. Sie wusste nur, dass sie die Dinger nicht mochte. Baekhyun trat gegen Chanyeol an und beide Teams feuerten ihren Champion an.
„Seid ruhig! Ich versuche mich zu konzentrieren!“, keifte Baekhyun die Meute an und alle waren still, sogar das gegnerische Team.
Die beiden waren ziemlich gleich auf, doch dann fiel Chanyeols Kugel ins letzte Loch vor dem Ende und er musste wieder von vorne anfangen. Es war klar, dass er das nicht mehr aufholen konnte.
Skyes Team kam letztendlich als erstes am Strand an. Es hatte aufgehört zu regnen, nicht dass es etwas an der Tatsache änderte, dass sie total nass waren. Ein Seil ragte aus dem Wasser heraus. Taehyung und Baekhyun stürzten sich sofort darauf, doch Skye meinte die letzte Prüfung durchschaut zu haben. Die beiden Männer zogen und fielen in den Sand.
„Skye! Du musst mitmachen!“, rief Tae ihr zu, doch die Amerikanerin schüttelte nur den Kopf.
„Es wird nicht reichen.“
„Was heißt das?“, fragte Bae.
„Wir müssen auf die anderen warten.“
Bis die ankamen schien sogar die Sonne. Die drei saßen im Sand, als Mias Team als nächstes kam.
„Was ist mit euch?“, fragte Mia skeptisch und schaute sich um.
„Es ist zu schwer, wir schaffen es nicht alleine“, erklärte Skye grinsend und beide Teams zogen nun an dem Seil.
„Sag mal! Was haben die denn da versenkt?!“, fragte Jongin.
„Wir müssen auf die anderen warten“, sagte Skye zuversichtlich. Sie war sich sicher, dass dieser schlaue Hund von Narzil genau wusste, was er tat.
Ein paar Minuten später trudelte auch Lisas Team ein. Sie hatten sich nicht beeilt, weil sie davon ausgegangen waren, dass die anderen schon vor ihnen beim Schatz waren, doch alle saßen sie nur im Sand neben dem Seil. Und so zogen sie gemeinsam daran und langsam, Stück für Stück, zogen sie etwas an Land. Es war eine riesige Metalltruhe.
„Na kein Wunder, dass wir das nicht alleine hinbekommen haben!“, echauffierte sich Baekhyun. Skye lachte nur.
Immerhin hing kein Schloss an der Truhe und sie ließ sich öffnen. Zehn Köpfe versuchten gleichzeitig in die Truhe zu schauen und sahen natürlich nichts, da holte Mia eine weiße Feder aus der Truhe und hielt sie hoch. Sie schaute zu Skye und nahm sie in den Arm.
„Was? Was ist das? Ich versteh das nicht“, beschwerte sich Taehyung.
„It is a symbol of freedom, young man“, kam es von Nazil. „To achieve true freedom you all have to work together.“
Nun verstanden sie alle den Hintergrund der Schatzsuche. Es war eine schöne Symbolik.
„Aber … es gibt doch trotzdem einen Schatz, oder?“, fragte Jimin hoffnungsvoll, doch alle lagen sich in den Armen und beschlossen erst einmal duschen zu gehen.
Vor dem Abendessen machten Mia, Skye und Friday einen Nachttauchgang. Jongins Kommentar sah in etwa so aus: Ihr habt doch einen Schaden in tiefster Nacht mit nur einer Taschenlampe in stock finsteres Wasser zu gehen!
Also gingen sie alleine. Es würde ihr letzter Abend auf Adavaci sein. Beim Mittagessen hatte sie mit den anderen darüber gesprochen. Vorher hatte sie schon mit Jongin gesprochen. Am Donnerstag war das Fotoshooting von dem Paar und Skye wollte das durchziehen. Sie wollte der Welt zeigen, wer sie war und dass sie keine Angst hatte. Die anderen freuten sich zwar nicht, dass frisch entdeckte Paradies verlassen zu müssen, doch sie freuten sich auf ein Privatflugzeug.
Skye liebte Nachttauchgänge. Manchmal hatten sie Meeresleuchten, doch dafür war gerade nicht die richtige Zeit. Doch bei Nachttauchgängen gab es viel zu entdecken. Sie sprangen vom Steg ins Wasser und schon beim Abtauchen sahen sie zwei Haie. Silberfische umwirbelten sie, angezogen vom Licht und wo viele Fische waren, waren auch Stachelrochen. Zwei Rochen kamen direkt beim Abtauchen. Skye kam sich vor wie in einem Schwarm Fliegen gefangen. In der linken Hand hielt sie die Lampe und die rechte Streckte sie aus. Ein Rochen legte sich direkt auf die Hand und ließ sich streicheln. Skye liebte Rochen und Stachelrochen besonders. Ihre Augen sahen fast aus wie die der Menschen. Skye hatte versucht sie bei Nachttauchgängen zu fotografieren, doch durch den Blitz leuchteten die Augen wie von Katzen.
Die Rochen begleiteten die Taucher, für sie war es All You Can Eat. Nachts kamen anderen Dinge zum Vorschein, als am Tag. Feuerfische, die tagsüber gelangweilt durch die Gegend dümpelten, jagten in der Nacht. Papageienfische lagen im Riff, umhüllt von einem Kokon aus Speichel. Blaue Flossen schauten zwischen den Felsen heraus, von den Rotzahn-Drückerfischen, die fest am Schlafen waren. Auch die Clownfische hatten sich in ihre Anemonen zurückgezogen. Dafür kamen Krabben und Krebse heraus, ebenso Schnecken, die in schillernden Farben über das Riff zogen. Und immer hatten sie die Rochen im Schlepptau. Skye versuchte eine Garnele zu fotografieren und einer der Rochen legte sich direkt darauf. Manchmal schlich sich ein dritter Rochen zu der Gruppe, doch den mochten die anderen beiden wohl nicht und vertrieben ihn immer wieder. Blitzschnell kamen sie aus der Dunkelheit geschossen und jagten unter den Tauchern dahin. Stachelrochen waren nicht gefährlich, eigentlich. Doch bei solchen Tauchgängen, bei denen die Tiere so zutraulich waren, musste man das man sich nicht aus Versehen auf sie legte, sonst würden sie sich verteidigen und wie das bei dem Australier geendet hat, hat die ganze Welt auf Video mitverfolgt. In Skyes Augen war selbst schuld. Er war den Tieren immer so auf die Pelle gerückt, als wäre der Doktor Doolittle. Er war auf den Rochen getreten. Wenn Skye der Rochen gewesen wäre und sie hätte einen Stachel, dann hätte sie ihn auch eingesetzt. Das der Stachel das Herz durchstach war ein unglücklicher Zufall. Shit happens. Wenn man auf den Schwanz von einem Pitbull trat, würde der auch beißen – oder auf den Schwanz eines Löwen.
Nach 80 Minuten kamen sie total happy aus dem Wasser. Beim austauchen hatten sie noch Lobster gesehen und Garnelen. Skye ging duschen, in einer Stunde würde es Abendessen geben und sie hatte sich eine Kleinigkeit für ihre Gäste einfallen lassen – wenn es schon keinen richtigen Schatz gab.
Heute gab es Italienisch. Skye hatte Hunger auf Nudeln und Pizza. Ihr drei Köche hatten ein Büffet angerichtet, dass jedem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, doch als sie an ihre Plätze kamen, lag dort ein kleines Päckchen. Fragend schauten sie zu der Amerikanerin.
„Macht schon auf“, sagte sie grinsend und alle stürzten sich darauf. In dem Päckchen fanden sie einen silbernen Anhänger in Form einer Feder. Sie hatte schwarze Strassteine eingesetzt und konnte von Männern und Frauen gleichermaßen getragen werden. Jeder von ihnen zog die Kette unaufgefordert an.
„Damit wir es nicht vergessen.“ Mal abgesehen davon war es ein schöner Anhänger. Manchmal heiligte der Zweck doch die Mittel.
Irgendwann saß Skye neben Mia.
„Ich dachte du verurteilst Marken?“ Sie spielte mit dem Thomas Sabo Anhänger zwischen ihren Fingern.
„Ja, aber doch nicht Sabo … oder Tiffany … oder Louis Vuitton“, erwiderte Skye entsetzt und Mia lachte.
Sie alle schlugen sich den Magen voll, bis jeder satt war.
„So, und jetzt raus hier“, verkündete Skye fröhlich und klatschte in die Hände.
„Wie meinst du das?“, wollte Taehyung wissen.
„Es ist unsere letzte Nacht auf meiner einsamen Insel und die würde ich gerne mit Jongin verbringen.“
„Was macht er, was wir nicht machen?“
„Komm jetzt!“ Jimin zog Taehyung am Ohr vom Stuhl und hinter sich her.
„Gute Naaaaaacht!“, flötete Mia.
Etwas später lagen sie am Strand, an dem kleinen Strand südlich vom Haupthaus, dort war es etwas privater.
„Danke, dass du mit mir hierhergekommen bist“, sagte sie zu ihm.
„Du hast hier wirklich ein Paradies gefunden … es wäre zwar schon, wenn es 6,7 Flugstunden näher an Seoul lag …“ Beide fingen an zu lachen.
„Wie läuft das jetzt, wenn wir nach Hause kommen?“, wollte er wissen.
„Wie meinst du das?“
„Wegen deiner Sicherheit. Es macht mir Angst, wenn ich daran denke, dass du alleine durch die Stadt rennst.“
Skye hatte keine Angst vor Seoul. Sie war schon immer alleine durch Seoul gerannt, bei Tag und bei Nacht und nie kam sie sich unsicher vor. Nie hatte sie Angst gehabt.
„Ich habe nicht vor meine Freiheit wegen ein paar Idioten einzuschränken.“
„Ich sorge mich nicht um deine Freiheit, sondern um deine Sicherheit.“ Jongin zog sie enger an sich heran und küsste ihre Stirn.
„Du kannst mir so einen kleinen Elektroschocker schenken“, schlug sie grinsend vor und Jongin schüttelte den Kopf.
„Kannst du auch mal ernst sein?“ Es war kein wirklicher Vorwurf, doch er lag hier, voller Sorge und sie war albern.
„Wenn ich anfange ernst zu sein, fange ich an zu weinen und höre wahrscheinlich nie mehr auf.