Sie redeten und liebten sich und redeten weiter und liebten sich und um 3 Uhr morgens kam der große Hunger. Skye und Jongin schlichen sich also ins Haupthaus und in die Küche. Sie mussten nicht schleichen, aber so machte es mehr Spaß.
„Was wollen wir essen?“, flüsterte Jongin und öffnete den Kühlschrank.
„Burger! Oder … Chickenwings. Haben wir Chickenwings?“ Sie öffnete die Tiefkühlseite des Kühlschranks, aber viele Sachen waren auch unten gelagert. Sie fanden keine Chickenwings und wollten es bei einfachen French Toast belassen. Skye holte eine Pfanne, doch als sie sich umdrehte, stieß sie damit ein Glas zu Boden, was wohl auf der ganzen Insel zu hören war. Beide blieben wie angewurzelt stehen.
„Jetzt verstehe ich auch, wieso du dich an der Dose geschnitten hast“, flüsterte Jongin grinsend.
„Pssssst.“ Der Schnitt tat übrigens immer noch weh, aber es hatte den Anschein, als würde die Haut tatsächlich wieder anwachsen.
Dann hörten sie Schritte und das Paar versuchte einen auf unauffällig zu machen – im eigenen Haus, auf der eigenen Insel. Es war Christian, ihr Koch aus Österreich.
„Midnightsnack Miss Laila?“, fragte er grinsend. Er hingegen war schon wieder wach, um Brot zu backen und Brötchen. Wenn Skye alleine kam, waren die Köche nie so früh wach, weil Skye auch kein großer Frühstücker war, aber wenn Besuch da war, arbeiteten sie alle etwas mehr. Es war okay, sie hatten fast drei Monate ihre Ruhe gehabt.
„Can you fix us something?“, fragte sie und legte einen Dackelblick auf.
„Sure, what would you like?“
„Chickenwings!“, kam es im Chor und wie zwei Kinder setzten sie sich an die Theke und schauten gespannt zu.
Am nächsten Morgen waren alle schon um 8 Uhr zum Frühstück da. Warte, fast alle.
„Wo ist Taehyung?“, fragte Skye und schaute noch mal in die Runde.
„Er hat sich an eine Palme gebunden und sagt etwas von ‚Ich will nicht gehen‘ oder so“, erzählte Jimin gelangweilt.
„Bitte was?“, fragte Mia und Skye gleichzeitig.
„Macht euch keine Sorgen, wenn er Hunger hat, kommt er schon“, kommentierte Baekhyun und nahm sich Rühreier. Niemals dürften sie Youngjun erzählen, was sie die letzten Tage gegessen hatten. Er würde sie für einen Monat auf eine Reis-Diät setzen.
Wirklich Sorgen machten sie sich noch nicht um Tae und so frühstückten sie erst einmal und gingen danach zu ihm.
Eins musste man ihm lassen, er hatte sich eine schöne Palme ausgesucht. Mit Blick auf den Strand und im Schatten. Dafür hatte er sich nicht besonders intelligent festgebunden. Das Seil ging um die Palmen und um seinen Bauch.
„Sag mal, was machst du, wenn du auf Toilette musst?“, fragte Skye und kratzte sich den Kopf, als sie vor ihm stand und sich das Ganze anschaute. Sein Mund schnappte auf, dann wieder zu. Darüber hatte er wohl nicht nachgedacht.
„Wie lautet deine Argumentation?“, forderte Mia.
„Wir haben diese Woche keine Termine – ich bleibe hier.“
„Okay.“ Mia schaute ihn an, zuckte mit den Schultern und ging. Skye schaute zwischen Taehyung und Mia hin und her.
„Danke für die Unterstützung!“
„Der Tag ist schön, ich bleibe doch nicht hier im Schatten hocken.“
Skye zögerte, wand sich dann aber ab.
„Geh nicht“, jammerte Tae und streckte die Arme nach ihr aus.
„Du siehst ja wo wir sind“, erwiderte sie grinsend und rannte zum Strand.
Es dauerte nicht ganz zwei Stunden, da meldete sich Taehyung zum ersten Mal.
„Hallooooooo? Kann mir vielleicht jemand was zu trinken bringen?“, rief er und winkte ihnen zu. Skye goss ihm ein Glass Kokoswasser ein, stellte es aber so weit von ihm weg, dass er nicht rankam. Tae gehörte auch zu den Menschen, die keine Worte brauchten, weil ihre Blicke vollkommen ausreichend waren. Er schaute zu dem Glas im Sand und zu Skye und in diesem Moment, war sie ganz froh, dass er festgebunden war.
Als dann später auch noch das Mittagessen am Strand aufgebaut wurde, war es vorbei. Plötzlich lag Taehyung neben Skye im Sand.
„Na, doch anders überlegt?“
„Unter einer Bedingung.“ Skye fand es lustig, dass er nun Bedingungen stellte.
„Wir müssen hier noch mal herkommen.“
„Also ich komme auf jeden Fall noch mal hier her – ist ja meine Insel.“ Sie musste gar nicht rüber zu gucken, um seinen Blick zu erahnen.
„Ja, ja, schon gut, wir kommen noch mal hier her.“
Skye und Jongin schwammen zu dem Felsen vor dem Strand und setzten sich dort auf die Steine. Die anderen hatten ein Volleyballturnier begonnen, doch das Paar wollte noch etwas Zeit alleine genießen.
„Soll ich dich jetzt eigentlich Laila nennen?“ Schließlich nannte sie ihn auch Jongin und nicht mehr Kai.
„Nein, nein, nein, ich will gar nicht, dass die Leute wissen wer ich bin. Skye hatte meine Großmutter ausgesucht, ich mochte den Namen immer.“ Wobei Jongin auch Laila mochte. Laila Skye Jones.
„Hast du noch andere Namen?“, fragte er skeptisch, doch die Amerikanerin schüttelte grinsend den Kopf. Theoretisch war es keine Lüge, sie hatte bei der Hochzeit nicht Jiyongs Namen angenommen.
Der Abschied von Adavaci kam früher, als sie wollten. Gegen 17 Uhr wurden sie von Mikey abgeholt und es wurde wirklich voll in dem kleinen Flieger. Zu allem Übel hatte er auch noch Hühner geladen, die er auf einer Insel heute gekauft hatte und überall flogen Federn umher und das Gegackert hörte nicht auf. Taehyung hatte vier Hühner neben sich im Käfig und schaute skeptisch zu den Tieren.
„Wetten, dass er sich wünscht noch an der Palme angebunden zu sein?“, flüsterte Mia und Skye lachte fröhlich. Auch das gehörte dazu.
Der Flug nach Nadi dauerte nicht lange und die anderen staunten nicht schlecht, als sie das Privatflugzeug sahen. Mit offenen Mündern standen sie vor der Treppe.
„Ernsthaft, wer hat denn eine 767?“, fragte Chen ungläubig.
„Also ich nicht – weißt du was allein schon die Betankung von dem Ding kostet“, sagte Skye. Da flog sie lieber First Class irgendwo hin, als ein eigenes Flugzeug zu haben, doch es war trotzdem schön Freunde zu haben, sie sich so etwas gönnten. Ihr Flug auf die ISS war jedenfalls ein Peanutbetrag, im Gegensatz zu den Anschaffungskosten einer Boeing 767. Dafür flog die Familie mit der Maschine ihr eigenes Kargo um die Welt und das Flugzeug gehörte einem ganzen CIan – also praktisch eine Familienmaschine. Sie hatten mehrere Geschäfte, Schmuck, Gold, Teppiche. Da kam einiges zusammen. In diesem Fall lohnte sich eine eigene Maschine wahrscheinlich sogar.
Skye und Jongin, der inzwischen auch an das Privatflugzeug gewöhnt war, machten es sich schon mal bei einem Gläschen Sekt gemütlich, während die anderen auf die große Erkundungstour gingen. Die Stewardessen waren es nicht gewohnt, dass jemand sich so offensichtlich begeistert zeigten. In der Regel hielten sich Geschäftspartner zurück. Sie waren keine Geschäftspartner und ‚aaaah’s und ‚ooooh’s gingen durch das Flugzeug.
Kühlschrank in der Seite: Aaaaaahh
Dusche mit Regenfallduschkopf: Oooooh
Verstellbare Sitze mit Massagefunktion: Aaaaahhh
Betten mit Satinbettwäsch: Oooohhh
So ging das bis zum Start. Mia und Skye beobachteten die anderen amüsiert.
„Manchmal sind sie wie Kinder“, stellte Mia fest. Skye konnte nichts anderes sagen. Sie fand es schön, dass sie sich ihre Begeisterung noch erhalten hatten und nicht alles als normal empfanden.
Nach dem Abendessen verzogen sich Skye und Jongin in das große Schlafzimmer. Es gab nicht genug Schlafzimmer für alle, aber im Hauptraum waren alle Sitze Betten und jeder hatte sich ein Plätzchen gesucht.
„Letztens hatte ich einen komischen Traum…“, sagte Skye. Jongin hatte die Augen geschlossen, doch sie wusste, dass er nicht schlief.
„Was hast du geträumt?“, fragte er und öffnete ein Auge.
„Das alles wahr ist, euer Marketing, das ihr von einem anderen Stern seid und übersinnliche Kräfte habt.“
Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus.
„Meinst du wir würden mit einem Flugzeug fliegen, wenn ich uns beamen könnte?“
„Du wusstest ja nicht wohin wir fliegen“, erwiderte Skye skeptisch.
„Wenn ich uns beamen könnte, würde ich dir jede Nacht Nordlichter zeigen. Ich würde mit dir zum Frühstück nach Paris und zum Shoppen nach New York.“
Ihre Gesichter berührten sich fast und ihre Blicke hielten aneinander fest.
„Wenn du von einem anderen Planeten kommen würdest, wie würde er aussehen?“, fragte Skye und der Sänger überlegte.
„Es würde drei Monde geben und es wäre immer Dämmerung … nein … der Planet hätte eine synchrone Rotation zur Sonne, so das auf einer Seite immer Tag wäre und auf einer immer Nacht, doch das Klima wäre mild, auf der Nachtseite nicht zu kalt und auf der Tagseite nicht zu heiß. Und ich würde auf der Grenze wohnen, im Land der ewigen Dämmerung und je nachdem zu welcher Seite man fuhr, wäre es entweder ein Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang.“
Skye stellte sich seinen Planeten vor, es war eine schöne Vorstellung und mit dieser Vorstellung schlief sie ein.
Allerdings hielt der Schlaf nicht lange und die beiden wurden von einem heftigen Klopfen an der Tür geweckt.
„Whosit?“, murmelte Skye und Jongin zog sich die Decke über den Kopf.
„Ich muss euch sprechen, dringen, es geht um Honey“, kam es von Mia. Skye hatte keine Ahnung wer Honey war, doch Jongin saß sofort aufrecht.
Ein paar Minuten später war Skye noch immer nicht gänzlich wach, aber durchaus aufnahmefähig. Alle Fluggäste bildeten praktisch einen Krisenstab.
„Okay, so who’s Honey?“, fragte Skye und inhalierte den Kaffee.
„Sie ist meine Cousine, Hanjin“, erklärte Jongin, doch dann übernahm Mia das Sprechen.
„Honey war ein SM Trainee. Sie sollte mit Next Generation debütieren.“ Next Generation war die neuste Girl Group von SM Entertainment, die wohl dieses Jahr ihr Debüt hatten. Es waren sieben Mädels – hätten wohl acht sein sollen und sollten wohl in die Fußstapfen von Girls Generation treten.
„Honey war … sie war mit Siwon zusammen, doch dann fingen Leute an ihr Gesicht zu photoshoppen und angebliche Nacktbilder wurden veröffentlicht. SME dementierte das Ganze und es wurde eine Fahndung eingeleitet. Doch dann tauchten angebliche Chatverläufe auf. Alle wurden als falsch aufgedeckt, doch es warf kein gutes Licht auf sie. Aufgrund der ganzen Aufmerksamkeit trennte Siwon sich von ihr und dann teilte SME ihr auch noch mit, dass sie nicht mit Next Generation debütieren würde. Sie hat versucht es mit Fassung zu trage, doch dann war sie weg, einfach so. Das war vor etwas mehr als vier Monaten. Keiner wusste wo sie war – bis heute. Jiyong hat mich gerade angeschrieben, dass er sie gefunden hat. In der Nähe von Manila und Morgen wird sie einen US Soldaten heiraten.“
Ein Raunen ging durch die Menge.
„Und was tun wir?“, fragte Skye, die mitfühlen konnte, wie es war ungerecht behandelt zu werden. Sie an Honeys Stelle hätte SME wahrscheinlich abgefackelt.
„Wäre es okay, wenn wir in Manila landen, eine Hochzeit crashen und sie nach Hause holen?“
„Na klar!“
Für den Piloten war es nur ein kurzer Umweg. Skye saß mit Mia und Jongin zusammen und grübelte.
„Wie alt ist Honey?“
„Dieses Jahr wird sie 23“, erwiderte Jongin.
„Und sie und Siwon …?“ Es war keine Eifersucht, die sie beschlich, nur Neugier, denn der Altersunterschied war nicht zu verkennen. Mia wusste, auf was sie anspielte.
„Sie kennen sich schon ewig, durch Jongin. Als Siwon im Militär war, haben sie sich viel geschrieben und als er entlassen wurde, kamen sie zusammen.“ Die Deutsche zuckte die Schultern. Skye verstand, wieso jemand sich in Siwon verliebte, doch sie hätte nicht gedacht, dass er sich auf jemand einließ, der so viel jünger war.
„War Siwon … ihre große Liebe?“
„Oh nein, ihre erste, große Liebe war Taemin“, erklärte Jongin und hörte sich leicht genervt an.
Aus irgendeinem Grund fühlte es sich gut an, dass Skye nicht die einzige war, die in der Szene ihre Runde drehte. Nichtsdestotrotz war sie auch jemand, der ein Opfer der Kpop-Gesellschaft geworden war und das machte sie sauer. Und dann ließ Siwon sie auch noch fallen, sehr verständnisvoll. Mit ihm würde Skye noch ein Hühnchen rupfen, wenn sie denn mal wieder Zuhause ankamen.
Sie hatten ungefähr noch eine Stunde bis zu Landung, als Skye an Taehyung vorbeikam, der aus dem Fenster in die Nacht schaute.
„Alles okay?“, fragte sie und setzte sich zu ihm auf den breiten Sitz. Er setzte ein Lächeln auf, dass sie sofort als künstlich durchschaute.
„Du kannst mit mir reden, egal was es ist und setzte nie wieder dieses furchtbare, künstliche Lächeln auf.“
Nun lachte er fröhlich und es war ehrlich.
„Meinst du es hört jemals auf?“, fragte er sie. „Das furchtbare Dinge passieren? Selbst wenn wir uns jetzt wehren, wird es uns etwas bringen? Oder geraten wir nur in das Kreuzfeuer eines Kampfes, den wir nicht gewinnen können? Vielleicht sägt man uns ab, um Platz zu schaffen, für jüngere Idols, die sich ihrem Schicksal einfach unterwerfen und an uns wird man sich erinnern als die Rebellen, die undankbar waren.“
Die Tatsache, dass er noch nie so viele Worte mit ihr gewechselt hatte, zeigte ihr, dass ihn das Thema sehr beschäftigte.
„Ich weiß es nicht… ich weiß nur, dass wenn sich niemals jemand für seine Rechte eingesetzt hätte, wir nicht in der Gesellschaft leben würden, die wir heute sind. Wir hätten immer noch Könige, Frauen dürften nicht arbeiten – zu wählen gäbe es ja nichts. Es gäbe keine Länder, in denen Homosexuelle heiraten durften, Indien würde immer noch zu England gehören, ebenso Neuseeland. Veränderungen sind immer schwer und die schwierigsten passieren nicht von heute auf morgen. Doch wir haben eine Verantwortung, nicht nur uns gegenüber, sondern auch den Generationen, die nach uns kommen.“
Tae nickte bedächtig.
„Du wärst ein guter Diktator.“
„Danke“, erwiderte Skye grinsend.