Als um 6 Uhr der Wecker sie zum Dienst rief murrte Mia.
„Ich will nicht“, jammerte sie – Donghae war von dem Lärm des Weckers ohnehin mit wach.
„Mach wenigstens den Wecker aus…“, murmelte er müde.
Es half alles nichts, als der Wecker zum dritten Mal nach fünf Minuten an ging, schmiss Donghae seine Frau höchstpersönlich aus dem Bett.
Das einzig Gute war, dass sie keinen Koffer brauchte. Sie hatte Wechselklamotten für nach dem Konzert dabei, einen Pulli, eine Hose, Unterwäsche und Socken, das bekam sie in einen kleinen Trolley unter, der als Handgepäck durchging. Ihr MacBook nahm sie dennoch mit – vielleicht hatte sie ja ein paar freie Minuten, die sie nutzen konnte um ihre Emails zu checken. Kaylee kam kurz darauf zu ihnen und schien auch noch nicht richtig da zu sein.
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Eine Stunde später sammelten 2PM sie ein. Mia wusste das dies eine Sonderbehandlung war, die anderen Tänzer mussten selbst gucken, wie sie zum Flughafen kamen, die anderen Tänzer waren aber auch nicht von SM Entertainment und mit der Band befreundet. In dem Van war es noch sehr still, anscheinend ging es den Jungs ähnlich wie Mia. Sie setzte sich neben Wooyoung und Taecyeon und es dauerte nicht lange, da war sie wieder eingeschlafen.
Halb im Schlaf checkten sie dann ein und im Flieger schlief sie dann auch wieder.
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„Osaka!“ Fröhlich sprang Junho nach der Landung auf und begrüßte die Stadt.
„Wann ist er aufgewacht?“, fragte Mia, noch immer mürrisch.
„Ich hab keine Ahnung“, entgegnete Taecyeon und streckte sich.
Es war noch nicht mal 10 Uhr, 2PM hatten irgendein Treffen mit einem japanischen Partner und sie mussten erst gegen 15 Uhr in der Halle sein. Was bedeutete das für Mia? Freizeit!
Von dem japanischen Betreuer ließ sie sich die Adresse der Halle genau aufschreiben, dann bekamen die beiden Frauen ihre ‚Staff‘-Anhänger und schon suchten sie sich die U-Bahn.
„It’s my first time in Japan“, meinte die Amerikanerin und schaute sich erwartungsvoll um, als sie in der Innenstadt ankamen.
„Aren’t there supposed to be Ninjas and Geishas?“
„You’ve got a wrong picture of Japan“, klärte Mia ihre Assistentin auf.
„This is the country of fighting wardrobes and Zumba-dancing earth.“
„Why are we here?“, fragte die Amerikanerin und brachte Mia zum Grinsen. Mal abgesehen von Kamikaze-Kleiderschränke war Japan ja ganz nett. Es gab viele süße Dinge, die man kaufen konnte und unheimlich viele Klamottenläden.
Also wieder shoppen.
Mia fühlte sich schon ziemlich ausgeshoppt, dafür war Kaylee bereit Japan zu kaufen. Das war nur fair, Mia kaufte Deutschland und Kaylee Japan.
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„Are these costumes for roleplays?“
Neugierig hielt Kaylee ein Lolitakleidchen hoch und hatte schon einen Film im Kopf.
„No, I think there are people who really dresses like that, you know, Lolita style?“
Kaylees Gesichtsausdruck war völlig entsetzt.
„They walk around like that … on the streets?!“
„Jup.“
„Why?!“
„I think they … like it.“
„Yeah, when you wanna jump a bone and bring some crazy stuff in it but this is not Sailormoon-planet!“
Mia fing an zu lachen, bis sie sich den Bauch hielt.
„Welcome to Japan.“
Generell fand sie Individualität eine super Sache, jeder sollte anziehen was er wollte, sollte sich die Haare bunt färben und von Kopf bis Fuß tätowieren lassen, aber manchmal fragte sie sich schon, was in den Köpfen der Leute vor ging, die Yuki Cross Schuluniform als Alltagskleidung wählten. Für Cosplay kein Problem, aber damit wirklich ausgehen, nicht als Spaß, sondern weil man wirklich davon überzeugt war, dass genau das, dass Outfit, war um vor die Tür zu gehen? Nicht Mias Sache. Amüsant? Ja. Ernstzunehmen? Eher nicht.
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In einem Café gönnten sich die beiden ein Frühstück und saßen bei einem Tee zusammen. Mia erzählte von Deutschland und schwärmte von Singapur.
„You just get along here so well, you fit in. You love Seoul, you get along in Japan – besides of the wardrobes, you understand the people, how they are thinking, you’re so … cosmopolitan and I? I still feel like a stupid tourist, understand nothing, know nothing…“
„Believe me, you just get used to it. When I came to Korea in january I felt so lost. Everybody was talking so fast, I couldn’t understand their way of living, that following without complaining and to be honest, sometimes I still don’t understand it, I just pretend to.“
Manchmal würde sie Kim gerne einfach anschreien, aber sie ließ es, so was gehörte sich nicht. Mia begriff, dass man in Korea einfach anders erzogen war, sie wusste das schon vorher von ihren koreanischen Freundinnen in Deutschland, die viele Stunden damit verbracht ihr zu erklären, wie sie über mache Dinge denken und wieso. Dieses demütige, dieses nicht beschweren (was in ihren Augen nur ein Ergebnis daraus war, dass sie gar nicht wussten, wie es anders war), das Lernen und der Druck der Eltern, das eine Frau eigentlich nicht ausziehen sollte, solang sie nicht verheiratet war, dass selbst erwachsene Paare nicht beieinander schlafen durften, solange sie nicht verheiratet waren – all das hatte Vor- und Nachteile. Es ging um Ideale. Natürlich war es besser als junge Frau brav Zuhause zu bleiben und unter den Fittichen der Eltern zu stehen, anstatt sich mit 14 durch den Ort zu huren. Wie viele junge Mädchen in Deutschland gingen viel zu früh aus, erzählten sie schliefen bei einer Freundin und hatten dabei wilden Sex? Zu viele. Andererseits, war es wirklich verantwortungsvoll junge Menschen unter Druck zu setzen zu heiraten, wenn sie eigentlich gar keine Ahnung hatte, wie es ist eine Beziehung zu führen? Da stand man plötzlich da, war verheiratet und hatte vorher noch nie mit einem Partner ‚auf Probe‘ zusammen wohnen können und dann war Scheidung ja noch fast ein Tabu-Thema, also lieber die Fresse halten und sein Leben totunglücklich verbringen, anstatt den Mund auf zu machen und sich den Partner zu suchen, für den man vielleicht geschaffen war.
Natürlich war es besser zu lernen um ein bestmögliches Studium zu absolvieren und später gut Geld zu verdienen, was Sicherheit und Freiheit bedeutete, doch zu welchem Preis? Um all die Jahre wegzuwerfen, in denen man die Chance hatte sich mal gehen zu lassen? Irgendwie musste man es in Balance bringen, was natürlich schwierig war.
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Schließlich war es an der Zeit zu der Halle zu fahren. Dort war schon die typische Panik ausgebrochen, die Mia inzwischen nicht mehr juckte. Die Jungs waren gerade beim Soundcheck und Mia ging vor um etwas zu lunzen. Taecyeon sprang wieder fröhlich umher, fast schmerzlich erinnerte sie sich an das Konzert in Seoul, als er sich verletzt hatte und wunderte sich, ob er sich wirklich auskuriert hatte oder ob er sich nur – mal wieder – das nötigste ausgeruht hatte. Immerhin war das Japan – Seoul verletzte vielleicht seinen Knöchel, Japan würde sein Bein fressen!
„Und? Hattet ihr einen schönen Tag? Ward ihr shoppen?“ Junho kam gerade von der Bühne und nahm die Wasserflasche entgegen, die Mia ihm hinhielt (Assistentin-Syndrom).
„Ich kann nicht mehr shoppen, ich bin fertig geshoppt!“
„Wer wird sich darüber mehr freuen, Donghae oder deine Kreditkartenfirma?“
„Du bist ganz schön frech!“, stellte Mia fest und Junho grinste stolz vor sich hin.
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Sie hatten noch Stellprobe, die verlief gut – man sprang ja auch nur von einem Kreuz zum anderen und musste halt erkennen, dass wenn die Bühne aufhörte, man nicht weiter rennen konnte. Damit konnte eigentlich jeder klar kommen, außer Taecyeon vielleicht.
Bevor sie sich gemeinsam zusammensetzen rief Mia Donghae an. Der war gerade im Studio mit Eunhyuk für ‚Oppa, Oppa‘. In zwei Wochen würde der Song als Single erscheinen und sie würden heute die Endabnahme machen. Also saßen sie mit den Produzenten und Tontechnikern im Studio zusammen. Innerlich dankte die Frau in Japan zu sein, denn was noch schlimmer war als das jähzornige Japan, war der Gedanke sich ‚Oppa, Oppa‘ in der Dauerschleife anzuhören.
„Ich wünsche dir ganz viel Spaß heute Abend, verspreche mir das.“
„Na klar und wir sehen uns später. Texte mir, wenn du weißt wo ihr seid.“
„Das werde ich.“
Mia wusste, dass heute Abend bei SuKiRa viele Tränen fließen würden, doch es half ja alles nichts, sie war hier und sie würden eine gute Show über die Bühne bringen. Basta.
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Die Fans hatten unheimlich viel Essen abgegeben für die Jungs. Die waren zwar zum Teilen bereit, doch da Mia keine Algen mochte, fiel das meiste von den Leckereien für sie flach und sie hielt sich an etwas Reise, Gemüse und Hühnchen. Dabei beobachtete sie Kaylee, wie diese sich einem Duell gegen die Stäbchen stellte – die Stäbchen gewannen.
„I can’t believe that you still can’t eat with chopsticks.“
„And I finally found you’re secret of being skinny – you can’t gain weight with those things!“
„That’s not true, Mia eats really fast with chopsticks“,wand Taecyeon ein, was Kaylee noch mehr deprimierte. Mia kramte in ihrer Handtasche nach dem heiligen Gral in Form einer Plastikgabel und reichte sie Kaylee.
„Be smarter than the chopstick.“
„I’m gonna tattoo that one.“
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Und dann fing es an, der Moment, der selbst Mia nervös machte. Die Fans stürmten in die Halle und man konnte das Surren der Stimmen in der Halle hören. Alle eilten zu den Vorhängen und warfen mal einen Blick auf ihr Publikum des heutigen Abends und wie immer war es ein überwältigendes Gefühl zu sehen, wie tausende von Fans sich versammelten und genauso auf die Show freuten wie die Band und alle Leute, die daran beteiligt waren, auch.
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Die Show verlief super, man konnte es gar nichts anders beschreiben. Es war eine gewisse Routine rein gekommen, was ihnen mehr Zeit zum Rumblödeln gab. Sie hatten viel Spaß hinter der Bühne, während den kurzen Pausen und lachten viel.
Man könnte es als gelungenen Tag bezeichnen. Was passiert mit gelungenen Tagen? Natürlich – sie enden katastrophal.
Also was könnte an diesem Abend noch passieren? Lasst es mich erzählen.
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Es war nach dem Konzert und Mia ging in die Umkleide zu den Duschräumen. Kaylee wartete auf Mia um ihr bei den Haaren zu helfen und schrieb mit ihrem Handy. Schließlich kam Mia raus, sie hatten ja nicht viel Zeit, denn sie mussten ja zum Flughafen, um nach Hause zu fliegen. Sie föhnte sich die Haare nur halbherzig und zog sich dann an.
„Okay, let’s go.“
Kaylee sprang auf und legte das Handy weg, Mia stürmte auf die Tür zu und knallte voll dagegen, weil die Tür verschlossen war. Sofort drehte sie sich zu Kaylee um.
„What’s wrong?“
„Won’t open.“
„What do you mean?“ Und dann versuchte es die Amerikanerin.
„Won’t open“, stellte sie fest.
„I’ve just said so!“
Die Tür war eindeutig verschlossen, die entscheidende Frage war: wieso?!
„Hallooooooo?!“, rief Mia und klopfte an die Tür, doch sie bekam keine Antwort.
Sie versuchten alle zu erreichen, doch es ging einfach niemand ran und dann machte auch noch Kaylees Akku schlapp, während Mias Handy draußen, bei ihrer Handtasche, bei den Stylisten lag.
„I can‘t believe it! What’s with Japan?!“
Und es war der letzte Flug, der sie heute nach Hause bringen könnte.
„Maybe we’re part of a horror movie. In Japan they make really creepy horror movies and maybe, we are part in one and no one told us so we act authentic“, spekulierte Kaylee und machte es irgendwie nicht besser.
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Unweit der verschlossenen Tür, auf der anderen Seite, saßen Wooyoung, Taecyeon und Chansung.
„Das war eine furchtbare Idee“, gestand sich Wooyoung ein.
„Quatsch, das war eine tolle Idee – so bleibt Mia in Japan“, widersprach Taecyeon ihm.
„Die Frage ist, ob wir Japan jemals verlassen, wenn sie uns umbringt!“
„Hey, du wolltest dass die bei uns bleibt, Taecyeon und ich habe dafür gesorgt. Sei dankbar“, kam es von dem Jüngsten. Wooyoung schaute wieder zu der Tür. Mia würde nicht amüsiert sein.
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Verzweifelt schaute Mia auf die Uhr. Der Check-In würde gleich zugemacht werden, sie würde es nicht rechtzeitig schaffen. Na toll. Sie war gefangen auf Japan (‚auf‘ weil Japan eine Insel war und sie es als sinnvoller betrachtete es wie eine Insel zu behandeln). In diesem Moment ihrer Verzweiflung hörte sie ein Geräusch, dass sich jenem wenn man eine Tür aufschloss sehr ähnelte. Und dann streckte doch tatsächlich Taecyeon seinen Kopf durch die Tür.
„Mia! Da bist du ja! Der Fahrer sucht dich die ganze Zeit schon!“
Mia sprang auf und ging zu Taecyeon, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
„Hast du die Tür zugeschlossen?“
„Wenn ich dir erkläre, wieso wir gute Gründe hatten, bist du dann weniger sauer?“
„Nein.“
„Dann spare ich mir zumindest die Puste.“ Damit drehte er sich um und wollte weggehen, doch so einfach würde er Mia nicht entkommen.
„Du wusstest genau wie wichtig es war, dass ich heute nach Seoul komme!“
„Mia, du bist Teil unserer Crew, wenn wir eine Show haben, wollen wir gemeinsam Zeit verbringen. Junho und Wooyoung hätten dich sehr vermisst, wenn du heute schon nach Hause geflogen wärst. Gönn uns doch auch mal etwas Glück.“
„Glück? Ihr seid nicht glücklich“, erwiderte die Deutsche.
„Sind wir doch“, kam es von Taecyeon und er lächelte.
„Nein, ihr denkt nur dass ihr glücklich seid, weil ihr euch glücklich fühlt.“
Über den Satz musste der Sänger jetzt erst mal nachdenken.
„Also sind wir … nicht glücklich?“
„Natürlich nicht! Was ihr getan habt war ziemlich gemein.“
„Huh….“ Grübelnd ging Taecyeon weg.
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Da das Kind nun ohnehin schon in den Brunnen gefallen war (woher kommt eigentlich diese Redewendung? Hat das was mit ‚The Ring‘ zu tun?), blieb Mia nichts anderes übrig außer hier zu bleiben. Obdachlos.
Sie suchte ihre Handtasche, um zumindest Donghae Bescheid zu sagen.
„Hi Schatz, ich komme heute doch nicht.“
„Was? Aber wieso?“
„Es gab Komplikationen – oh hier kommt gerade eine davon, willst du mit der Komplikation sprechen?“
Wooyoung war gerade um die Ecke bekommen und Mia drückte ihm ihr Handy in die Hand.
„Hey Mann, hat alles geklappt“, sprach Wooyoung in den Hörer.
Tick, Tick, Tick – Boom! Donghae steckte mit denen unter einer Decke?!
„Donghae wusste von der Verschwörung?!“
„Eigentlich wussten alle davon … Leeteuk meinte, dass sie ohnehin traurig sein werden und dass wenn wenigstens du die Chance auf einen schönen Abend hast, dann nehmen sie es in Kauf, dich heute Abend zu entbehren.“
Da war sie aber baff. Eine bandübergreifende Verschwörung? Dazu waren die im Stande?!
Schmollig setzte sie sich in die Garderobe.
„Mia, es tut mir leid, ich hätte sie aufhalten sollten als sie dich eingesperrt haben.“
„Schon okay, jetzt ist es eh zu spät, aber was soll ich jetzt machen? Ich habe keine Sachen dabei, keine Klamotten…“
„Ehm … so ganz stimmt das nicht.“
Nun wurde die Tänzerin aber hellhörig.
„Wie meinst du das?“
„Donghae hat uns gestern eine Tasche gepackt, mit Klamotten, Pflegeprodukten und irgendeinem Kissen… und wir haben ein Zimmer gebucht.“