Mia kam an diesem Morgen erst gegen 11 Uhr ins Büro und sie sprach nicht viel. Sie ging an ihren Schreibtisch und öffnete die Mails. Sie war froh, wenn Skye wieder da war. Wenn Skye da gewesen wäre, wäre sie letzte Nacht nicht so auf Yunhos Geburtstag abgestürzt gewesen oder wahrscheinlich schon, aber dann hätte sie gewusst, dass hier jemand war, der sich um alles kümmern konnte.
Seufzend schaute sie auf die Uhr. Heute Abend war sie wieder da.
Dafür war jetzt Yunho da.
„Alles okay? Du siehst furchtbar aus“, bemerkte er.
„Danke. Werden deine Partys immer länger oder stecken wir das einfach nicht mehr so weg wie früher?“ Und wo war eigentlich der Kaffee?
„Ich glaube ein wenig von beidem“, meinte Yunho amüsiert und setzte sich zu ihr.
Skye kam es so vor, als wären sie schon ewig unterwegs. First Class war super. Man konnte liegen, wurde ständig gefüttert, hatte eine Palette von Pflegeprodukten um der Flugzeug-Luft zu strotzen und doch wurde Skye langsam hibbelig. Sie hatte noch gut 1,5 Stunden und dann wären sie wieder in Korea. Sie stand auf und ging zu Jiyong.
„Okay, bald sind wir wieder in Seoul und dann wird all das, was in Vegas passiert ist, wahr. Doch bevor wir landen, muss ich dir eine Frage stellen.“
„Wie lautet der PIN zu meinem Apartment?“, schlug Jiyong vor und Skye boxte ihn.
„Hattest du jemals etwas mit Jennie?“
„Von all den Dingen, die du mich fragen könntest willst du das wissen?“
„Ja.“
„Nein.“
„Nein?“
„Nein, ich hatte nichts mit ihr. Ich weiß, dass sie wohl gewisse Gefühle für mich hatte und ich halte sie für talentiert und ich betrachte sie als eine Freundin, aber nein, ich hatte nie eine intime Beziehung zu ihr.“
Skye atmete erleichtert durch. Von all den Dingen wollte sie das geklärt haben. Jiyong hatte wahrscheinlich unzählige Liebeleien gehabt und es war nicht so, als wäre Skye ein Kind von Traurigkeit, aber Jennie fuchste sie. Abgesehen davon fand sie Jennie auch gar nicht so talentiert, aber das wollte sie ihm jetzt nicht unter die Nase reiben.
„161803399.“
„Huh?“, fragte Skye.
„Der Code zu meiner Wohnung.“
„Und das hat noch keiner geknackt? Also der Phi ist ja eine der bekanntesten Zahlenfolgen … neben der Fibonacci-Folge…“
Jiyong schüttelte den Kopf.
„Du bist so ein Klugscheißer.“
„Du hast den Klugscheißer geheiratet“, erwiderte sie und gab ihm einen Kuss.
Es war fast 18 Uhr, als sie in Seoul landeten und Skye freute sich sogar über den leichten Schneefall als sie ausstiegen. Sie verreiste unheimlich gerne, war aber auch immer froh, wenn sie irgendwo angekommen war. Es wurde Zeit, dass man das Beamen erfand.
Während der Fahrt ins Loft hatte Skye Essen in die Akademie liefern lassen. Mia hatte eine lange Tanzeinheit mit Red Velvet für ihre nächste Single und so wie sie Mia inzwischen einschätze, hatte sie vergessen zu essen.
„Willst du wirklich nicht bei mir schlafen?“, fragte sie Jiyong, als sie das Loft erreicht hatten.
„Nein, ich will eine wilde Sex-Party mit meiner super heißen Männer-WG haben – aber wenn ich später nicht genug haben sollte, habe ich ja jetzt den PIN zu deiner Wohnung“, erwiderte sie grinsend.
„Nicht lustig. Vielleicht rufe ich einfach Jennie an, um mir heute Nacht Gesellschaft zu leisten.“
„Ebenfalls nicht lustig, aber gut gekontert.“
„Hey, ist Skye noch nicht da?“ Eunhyuk schaute sich im Loft um, doch von Skye keine Spur. Er, Leeteuk und Sungmin kamen gerade aus dem Fitnessstudio und sie hatte gehofft mit Skye essen zu gehen. Es war komisch, aber nach fünf Wochen hatten sie sich schon an Mias neue Assistentin gewöhnt. Mia hatte in den letzten Jahren einige Assistentinnen gehabt, doch viele hatten mehr Angst vor den Idols und lernten nicht damit umzugehen und andere waren einfach zu herrisch. Mias erste Assistentin war Skye sehr ähnlich gewesen, doch nach vier Monaten verliebte sie sich in einen Hawaiianer und weg war sie gewesen. Zwischendurch hatte Mia auch gar keinen Assistentin gewollte und da Mia ja noch immer irgendwie auf Super Junior aufpasste, hatte die Band auch keinen neuen bekommen. Kim hatte es darauf geschoben, dass sie schon viel zu routiniert waren und keinen Babysitter mehr brauchten, zumal ständig multiple Mitglieder in der Armee waren und es bis auf einzelne Soloaktivitäten lange Zeit keine Band Promotions gegeben hatte. Nachdem Eunhyuk, Siwon und Donghae ihren Militärdienst beendet hatten, hatten sie vor 1,5 Jahren ein Comeback gehabt. Ryeowook und Kyuhyun waren damals noch in der Armee gewesen und bei SM Town in Tokyo war die Band sogar nur zu viert aufgetreten. Kangin und Sungmin waren damals nicht beim Comeback dabei gewesen und die Band hatte beschlossen mit der Super Show 7 zu warten, bis alle wieder da waren. Nun hatten sie ihr erstes richtiges Comeback gehabt, als Gruppe. Vielleicht mussten sie auch nur wieder mehr Blödsinn anstellen, damit sie einen Babysitter bekamen.
„Sie ist ein Stockwerk tiefer“, berichtete Kyuhyun.
„Wieso?“, wollte Leeteuk wissen.
„Irgendwas wegen einer Wohnung für sie und Jiyong oder so.“
„Was?!“, kam es von allen drei.
Und so machten sie sich auf die Suche nach Skye. Diese fanden sie eine Etage tiefer in eine der Wohnungen stehen mit einem Zollstock.
„Oh wow, die Haare sehen toll aus“, meinte Sungmin. Dank Harley Quinn hatte Skye nun auch zwei Haarfarben und sie hatte ihre Haare geflochten, was ein schönes Farbenspiel war.
„Danke – was tut ihr hier?“
„Du willst mit Jiyong zusammen ziehen?“ Eunhyuk fiel direkt mit der Tür ins Haus.
„Ich ehm … ja … wahrscheinlich.“ Sie verzog das Gesicht und grinste dann.
„Du … aber du kannst doch nicht ausziehen.“
„Wir wären Nachbarn. Wenn mir die Milch ausgeht … fahr ich wahrscheinlich in den Supermarkt, weil euch wohl zuerst die Milch ausgegangen sein wird und ihr euch meine letzte genommen habt … aber wir wären Nachbarn.“
Diese Argumentation reichte nicht aus und so riefen sie zu einer Intervention. Heechul war inzwischen auch Zuhause und er hatte an solchen Sachen besonders viel Spaß. Er liebte es die Hoffnung und Träume anderer zu zerstören.
„Skye, in jeder Beziehung ist es ein bedeutsamer Schritt mit jemanden zusammen zu ziehen, bist du dir dessen bewusst?“, fragte sie Leeteuk. Skyes Mund klappte auf und wieder zu. Immerhin hatte sie den Kerl ja geheiratet, aber das durfte sie natürlich nicht sagen.
„Ja, wir wollen es versuchen. In seiner Wohnung fühle ich mich als Gast und hier kann er ja schließlich auch nicht wohnen…“
„Nein, das wäre eine gute Idee! Dann könnten wir immer ein Auge auf ihn haben.“ Eunhyuk war begeistert von der Idee.
„Ja, was weißt du schon über den Kerl?“ Kyuhyun interessierte es kaum ob sie hier in der Wohnung oder eine Etage tiefer wohnte, doch er sprang einfach auf den Zug mit auf.
„Er könnte ein Serienmörder sein“, warf Heechul in die Runde.
„Ehm … wir reden schon von dem gleichen Mann, oder? Also, den, den ihr seid Jahren kennt?“ Skye fragte sich ob sie irgendeine Pointe verpasst hatte.
„Ja, schon, aber die meisten Psychopathen kennen ihr Opfer seit Jahren und dann töten sie es, hacken es in kleine Stücke und frieren es ein“, sagte Heechul ganz trocken. Skye fehlten die Worte.
„Vielleicht … vielleicht sollte ich das übersetzen“, begann Sungmin, der das Gefühl hatte, dass wenn einer der anderen noch etwas sagte, dass Skye einfach über den Tisch springen würde, um denjenigen zu würgen.
„Also übersetzt wollen sie sagen: Skye wir haben dich gerne bei uns wohnen, wenn du nicht mehr hier bist, fehlt ein Teil, aber wir würden uns eher die Zunge abschneiden, als das offen zuzugeben.“
Nun beschwerten sich die anderen Sänger über Sungmins Definition.
„Sungmin hat Recht“, wand Leeteuk ein. „Wir haben dich gerne hier, doch wenn du mit Jiyong zusammen ziehen willst, ist das natürlich deine Entscheidung. Und falls es nicht funktioniert, dann steht dir die Tür zum Loft immer offen.“
Das waren motivierende Worte! Kein Gerede über Serienmörder und Leichenteile.
„Danke“, sagte sie und stand auf.
„Wo gehst du hin?“, fragte Eunhyuk und schaute ihr nach.
„Ich zerre Mia aus dem Studio.“
Skye hatte Keys Instagram Update gesehen und im Hintergrund war Mia im Tanzstudio zu erkennen. Inzwischen war es nach 22 Uhr und sie wusste, dass alle recht geschafft waren von Yunhos Geburtstagsparty. Sie fuhr also in die Akademie und wunderte sich nicht wirklich, als Mia noch immer im Studio war. Sie machte eine Choreografie fertig und bemerkte Skye erst, als diese das Studio betrat.
„Hey Skye! Alles gut? Was machst du hier?“
Mia hatte die Musik gestoppt und war zu ihr rüber gekommen.
„Ich geh mit dir etwas essen.“
„Aber ich bin noch nicht fertig“, sagte Mia und schielte gleichzeitig mit Skye rüber zur Uhr.
„Doch ich denke schon.“
„Ja, ich denke auch“, gab Mia nach und ließ die Schultern hängen. Es gab immer einen Punkt, da konnte nichts mehr Produktives entstehen.
„Auf was hast du Hunger?“, fragte Skye auf dem Weg zu den Umkleiden.
„Patbingsu!“, kam es sofort von Mia. Und Skye hatte sich schon fast auf etwas Richtiges zu essen gefreut.
40 Minuten später saßen sie in einem Café Bene. Mia hatte ihr Patbingsu und Skye ein Honeybread. Die Deutsche wollte alles über Vegas wissen, was Skye nicht gänzlich erfüllen konnte. Aber sie erzählte von dem chaotischen ersten Abend und wie sie beim Roulette gewonnen hatte und Jiyong sie dann zum Essen im Eiffelturm eingeladen hatte. Auch vom Grand Canyon und der Party erzählte sie. Mia lachte herzlich und bedauerte, dass sie nicht mit dabei war.
Die andere Geschichte brannte Skye jedoch auf der Zunge. Sie hatte das Bedürfnis sich jemanden mitzuteilen und wenn sie jemanden vertraute, dann war es Mia. Sie war die beste Freundin von Jiyong und hatte sein Wohl im Sinne.
„Mia … ich muss dir etwas sagen, aber du musst versprechen, dass du nicht mit Jiyong darüber redest und auch mit keinem anderen, nicht Donghae oder Leeteuk …“ Skye hatte das Gefühl, dass die Sänger viel eher die Plappermäuler waren.
Mias Augen wurden groß und sie klatschte in die Hände.
„Du bist schwanger!“
„Nein! Oh Gott! Nein!“ Skye schlug die Hände vor’s Gesicht. Genau so entstanden Gerüchte!
„We’ve got married“, sagte Skye und sie hatte immer noch Probleme diesen Satz über die Lippen zu bekommen. Mia fing an fröhlich zu quietschen.
„Nein, nein, nein, nein, nein – das ist nicht die Reaktion die ich möchte. Ich möchte ein ernstes, tadelndes Gesicht haben!“, beschwerte sich Skye und Mia tat ihr Bestes diese Voraussetzungen zu erfüllen, wobei die vorgetäuschte, ernste Miene öfters von einem Grinsen unterbrochen wurde.
Und dann erzählte Skye was geschehen war. Mia hatte in der Zwischenzeit Getränkenachschub besorgt, allerdings wäre ein Glas Wein wohl besser gewesen.
„Und was macht ihr jetzt?“, fragte die Deutsche schließlich.
„Wir werden es versuchen. Wir machen die Scheidungsunterlagen soweit fertig und wenn es nicht funktioniert, dann müssen wir sie nur unterschreiben. Aber vielleicht funktioniert es – oder nicht? Meinst du es könnte funktionieren?“
„Es war sehr unvernünftig. Jemand hätte euch sehen können. Die Katastrophe hättest du dir nicht ausmalen können. Aber ja, vielleicht funktioniert es. Bei einer Ehe kommt es nicht unbedingt darauf an, wie lange man sich kennt. Manche Leute heiraten erst nach 10 Jahren und lassen sich scheiden. Es ist nicht ausschlaggebend wie lange ihr zusammen seid, auch wenn ihr ja praktisch noch in der Kennenlernphase steckt. Aber ja, es kann funktionieren.“ Mia machte ihrer Assistentin etwas Mut. Sie selbst hatte Donghae sehr früh geheiratet, wobei es eher zum Zweck war wegen ihrem Aufenthaltsvisum. Wenn Mia ehrlich zu sich war wusste sie aber auch damals schon, dass Donghae der Mann war, mit dem sie alt werden konnte und heute, viele Jahre später, konnte sie sich gar kein anderes Leben mehr vorstellen. Wenn es passte, dann passte es und wenn es passte, dann passte es von Anfang an – oder eben nicht.
Mia schaute auf Skyes Hände.
„Kein Ring?“
Skye zog die Kette über ihren Kopf und gab sie Mia, die den Ring in Augenschein nahm.
„Oh da hat Ji sich aber Mühe gegeben.“
„Woher weißt du, dass er den Ring ausgesucht hat?“ Skye fand das faszinierend. Sie hätte nicht sagen können, wer den Ring ausgesucht hatte.
„Jiyong ist oft bunt und schrill, er hatte schon alle Haarfarben und seine Klamotten sind manchmal grenzwertig, doch eigentlich mag er simple Dinge. Schau dir seine Wohnung an, ja er hat hier und da Farbakzente, doch eigentlich ist sie sehr geradlinig und schlicht.“
Da hatte Mia Recht. Für das, das er G-Dragon war, war seine Wohnung recht neutral – auf jeden Fall neutraler, als das Haus von Seunghyun.
„Na, dann macht das, was ich dir vorschlagen wollte, vielleicht jetzt noch mehr Sinn“, begann Mia und erntete skeptische Blicke.
„Was würdest du davon halten, wenn Kai dein Fake-Boyfriend wird?“
„Ach so, weil die ganzen Idolinnen mich ja nicht ohnehin schon hassen?“
„Den Schuh kannst du dir selbst anziehen. Es geht darum es ein Level weiter zu treiben, denn jetzt nimmt Krystal dich nicht ernst. Wenn es anfängt in den Medien aufzutauchen vielleicht schon. Die Reporter suchen nur nach Beweisen, dass die beiden noch zusammen sind und wenn sie anstatt Krystal dich finden, haben sie praktisch ein neues Opfer. Und es würde von dir und Jiyong ablenken. Ihr tragt keine Ringe, aber gleiche Ketten und Fans finden solche Dinge, glaube mir.“
Mia hatte Recht, dass Krystal sie auf den Kieker hatte, war ihr eigene Schuld und sie bereute es nicht Kai in Schutz genommen zu haben. Auch dass es von ihr und Jiyong ablenken würde, war richtig und das die Fans sehr aufmerksam waren, war auch kein Geheimnis.
„Ist das geklärt? Mit Kai und seinem Manager?“
„Ja, wobei die anderen Mitglieder ebenfalls denken sollen, dass ihr zwei etwas habt, denn sie sich auch mit f(xc) und SNSD befreundet. Es fehlt eigentlich nur noch Jiyongs und dein Segen.“
Skye überlegte, was das bedeuten würde. Müsste sie inoffiziell-offiziell mit Jiyong Schluss machen oder wäre Kai praktisch ihre Affäre? Sie müsste eine Nacht darüber schlafen. Sie war erst vorhin gelandet und fühlte sich total verschoben.
„Ich werde mit ihm sprechen“, versprach sie Mia.
Die beiden Frauen verabschiedeten sich voneinander und Skye fuhr zurück ins Loft.